Wie können sich die Menschen in Kiew vor den stärker werdenden russischen Luftangriffen schützen? Ein ukrainischer Metallbauer hat eine Stahlkabine entwickelt, die sich in Privathäuser einbauen lässt.
Wenn in der Region Kiew wieder einmal die Sirenen durch die die Straßen hallen und kurz darauf das bedrohliche Brummen der angreifenden Shahed-Drohnen näher kommt, schnappt sich Kateryna Storozhuk ihren dreijährigen Neffen Roman und ihren Chihuahua Zozulka. Sie zieht sich dann zurück in ihre "Kapsel", wie sie sie nennt.
Mit "Kapsel" ist eine Schutzkabine aus Stahl gemeint - entwickelt und produziert, um vor Druckwellen, Bombensplittern oder herabfallenden Trümmerteilen zu schützen. Denn viele Häuser in der Ukraine haben weder Keller noch sichere Schutzräume. Gerade in kleineren Städten wie Butscha, wo Kateryna Storozhuk und ihre Familie leben.
"Froh, dass ich die Kapsel gekauft habe"
Bei ihr steht die etwa zwei Quadratmeter große Kabine mitten im Arbeitszimmer. Das sei es ihr wert. "Ich bin sehr froh, dass ich die Kapsel gekauft habe", sagt die 29-Jährige. "Ich denke jedes Mal daran, wenn wieder Drohnen fliegen." Fast jede Nacht versteckt sie sich inzwischen dort vor den russischen Drohnen und Raketen.
Denn die russischen Luftangriffe nehmen von Woche zu Woche zu. Mehr als 5.700 Drohnen und Hunderte Raketen feuerte Russland allein im Juni auf die Ukraine ab. Ein Jahr zuvor, im Juni 2024, waren es noch knapp 400 Drohnen.

Der dreijährige Roman in der Schutzkapsel: Fast jede Nacht müssen seine Tante und er sich darin vor den russischen Angriffen schützen.
Russland verstärkt Angriffe
Besonders häufig ist die Hauptstadt Kiew betroffen. Allein hier wurden im Juni 41 Menschen durch russische Angriffe getötet. Im Juli haben sich die Attacken noch einmal verschärft: Allein in den ersten zehn Tagen schickte Russland mehr als 2.500 Drohnen auf ukrainische Städte.
"Ich habe monatelang nicht geschlafen. Ich war dauerhaft übermüdet, konnte nicht arbeiten, war gereizt. Die Kapsel war meine Rettung", erzählt Kateryna. Auch ihr Psychotherapeut habe die Entscheidung begrüßt. Die Kapsel habe ihr das Gefühl zurückgegeben, wieder Kontrolle über das eigene Leben zu haben.
Für ihren kleinen Neffen Roman ist die Kapsel dagegen kein Ort der Angst - sondern ein spannender Rückzugsort. "Er hat sich sofort darin wohlgefühlt", sagt Kateryna. "Er sagt: 'Cool, ein Haus!', und spielt darin, während draußen die Sirenen heulen."

Der Metallbauer Serhij Sacharin hat die zusammenklappbare Stahlkapsel entwickelt.
Nachfrage bei Metallbauer steigt
Weil die Angriffe heftiger werden, steigt bei Metallbauer Serhij Sacharin die Nachfrage. Der 45-Jährige ist der Erfinder der Stahlkapsel. In einer kleinen Produktionshalle in der Region Kiew produziert er hier seit Monaten im Akkord.
"Alle haben auf einen Waffenstillstand gewartet, der nicht zustande kam", sagt er. Jetzt sei eine der dringendsten Fragen, wie sich die Menschen schützen können.
So kam er auf die Idee, einen kompakten Schutzraum für Privathaushalte zu entwickeln. "Der wichtigste Mechanismus ist, dass sie zusammenklappbar ist. Sie kann überall und in jedem Raum montiert werden, wo es keinen anderen Schutz gibt."

Ein Mitarbeiter aus dem Team Sacharin: Das Unternehmen arbeitet im Akkord, Gewinn erwirtschaftet es damit aber kaum.
Stahl mit einer Dicke von 5 Millimetern
Zwei Belastungstests habe die Kapsel bestanden: Eine 1100-Kilogramm-Betonplatte aus 9,3 Metern Höhe sowie 43 Tonnen direkter Druck. "Das Material ist gewöhnlicher Stahl mit einer Dicke von 5 Millimetern. Die Kabine besteht aus Stahlelementen. Aufgrund der Versteifungsrippen hat sie eine solche Festigkeit - und dank der Schraubverbindungen."
Sacharin fertigt die Kapseln gemeinsam mit seiner Frau und einigen wenigen Mitarbeitenden. Eine Pause in der Produktion können sie sich kaum noch leisten. Abends falle das Team oft völlig erschöpft ins Bett. Die Kapseln werden inzwischen nicht nur in Kiew, sondern auch in anderen ukrainischen Städten eingesetzt.
Umgerechnet etwa 2.000 Euro kostet so eine Kapsel. Rund eine Woche dauert die Produktion. Längst nicht alle Menschen in der Ukraine können sich das leisten. Das ist auch Sacharin bewusst. Er hofft auf bessere Maschinen, um effizienter und günstiger produzieren zu können.
Gewinn erwirtschaften sie kaum - aber für ihn ist die Arbeit eine Mission. Er und seine Frau wollen so vielen Menschen wie möglich Schutz bieten.
Günstigeres Modell geplant
"Wir planen bereits ein neues Modell - leichter, günstiger, schneller zu bauen", sagt Sacharin. "Und wir hoffen auf Unterstützung - vielleicht sogar staatlich. Damit sich mehr Menschen diesen Schutz leisten können." Seine Vision: Schutzkapseln in Häusern und Wohnungen überall im Land.
Für Kateryna Storozhuk bedeutet die Kapsel schon jetzt etwas Schutz, Schlaf und mehr Ruhe. Sie gibt ihr das Gefühl, überhaupt in ihrer Heimat bleiben zu können. "Die Kapsel ist der Hauptgrund, warum ich in der Ukraine und genau hier in Butscha sein kann", sagt sie.
Sie wisse, dass viele Menschen in Kiew in oberen Stockwerken schlafen. "Ich kann das nicht. Ich kann nicht mal im Erdgeschoss schlafen. Ich habe zu große Angst."
Die Stahlkapseln schützen nicht vor direkten Einschlägen, sind keine perfekte Lösung. Aber sie sind für einige Menschen ein Rückzugsort, wenn der nächste Angriff schon wieder beginnt.
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