Sie wollten gegen staatliche Unterdrückung und Korruption in Kenia demonstrieren - und sind von der Polizei erschossen worden. Landesweit wurden bei Protesten mindestens zehn Menschen getötet. Das Zentrum Nairobis ist abgeriegelt.
Schüsse, Tränengas, Wasserwerfer: Die kenianische Polizei geht hart gegen die eigene Bevölkerung vor. Im ganzen Land gehen Menschen gegen Polizeigewalt, staatliche Unterdrückung und Korruption auf die Straße. Präsident William Ruto steht unter massiver Kritik. Laut aktuellen Umfragen glauben nur noch 14 Prozent der Kenianer, das Land bewege sich in eine richtige Richtung; vor zwei Jahren waren es noch 37 Prozent.
Alle Geschäfte und Schulen in den großen Städten Kenias sind geschlossen, in Nairobi blockieren schwer bewaffnete Polizisten zahlreiche Straßen. So wollte die Regierung offenbar Proteste verhindern. In der Hauptstadt kommt es dennoch rund um die Innenstadt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden.
Die Polizei setzt dabei auch scharfe Munition ein. So wurden bis zum Nachmittag mindestens zehn Menschen erschossen - vier in einem Slum im Westen Nairobis, eine Person in der Nähe der Stadt Nakuru.

Die jetzigen Proteste flammten nach dem Tod eines Bloggers in Polizeigewahrsam auf.
Der Präsident schweigt
Richard Juma ist einer von Tausenden, die eigentlich im Zentrum demonstrieren wollten. Er scheiterte an den Straßensperren. Seine Forderung: "Der Präsident sollte rauskommen und der Polizei sagen, sie muss aufhören, ihre Landsleute zu töten, wenn die ihre Rechte wahrnehmen."
Präsident Ruto äußert sich bisher allerdings nicht. Innenminister Kipchumpa Murkomen warnte dagegen: "Protestiert friedlich und stellt euch der vollen Wucht des Gesetzes."
Proteste seit Anfang Juni
Die aktuelle Protestwelle entbrannte nach dem Tod eines Bloggers in Polizeigewahrsam. Anfang Juni wurde Albert Ojwang, Blogger und Lehrer, von Beamten verhaftet. Er hatte auf der Plattform X Korruption kritisiert und in dem Zusammenhang auch den stellvertretenden Polizeichef erwähnt. Zwei Tage später war er tot.
Die Polizei sprach anfangs von Selbstmord, Rechtsmediziner widersprachen vor laufenden Kameras. Inzwischen müssen sich drei Polizisten vor Gericht wegen Mordes verantworten. Vor allem junge Männer demonstrieren seitdem immer wieder.
Immer wieder Tote bei Demos
Am 25. Juni wurden bei den Protesten 19 Menschen getötet - alle durch Schüsse. Mehr als 500 wurden verletzt. Es war der Jahrestag der sogenannten Gen-Z-Proteste vom vergangenen Jahr. Damals gingen Menschen gegen geplante Steuererhöhungen auf die Straße. Schnell ging es um die wirtschaftliche Lage allgemein, die damit verbundene Chancenungleichheit und vor allem Unzufriedenheit mit Präsident Ruto. Das Parlament wurde gestürmt. 60 Menschen starben.
Mütter von Schlägern angegriffen
Mittlerweile organisieren sich auch die Mütter der durch Polizeigewalt gestorbenen jungen Männer. Am Sonntag wurde eine Pressekonferenz verschiedener Organisationen für Frauenrechte in den Räumen der kenianischen Menschenrechtskommission gewaltsam beendet. Mit Messern und Schlagstöcken bewaffnete Männer stürmten das Gelände, bedrohten die Frauen, raubten sie aus.
Menschenrechtsaktivistin Ruthi Mumbi ist eine der Organisatorinnen der Pressekonferenz. Sie erhebt schwere Vorwürfe: "Schande über die kenianische Regierung. Anstatt Frauen zu schützen, haben sie Schläger geschickt." Plötzlich auftauchende Schlägergruppen sind keine Seltenheit in Kenia. Der Annahme, diese seien politisch finanziert und motiviert, ist weit verbreitet.
7. Juli Symbol für Demokratie in Kenia
Die aktuellen Proteste finden an einem für Kenia bedeutenden Tag statt, genannt "Saba Saba - Kisuaheli" für den 7. Juli. "Saba Saba" steht für den Widerstand der Bevölkerung gegen autoritäre Herrschaft und für demokratische Forderungen.
Vor genau 35 Jahren gingen Menschen gegen das damalige Einparteien-Regime auf die Straßen. Auch damals ging die Polizei gewaltsam vor: mehrtägige Unruhen, mehr als 20 Tote, Hunderte Verletzte. Der Protest zeigte Erfolg: Kenia wurde zur Mehrparteiendemokratie, um deren Stabilität sich Rutos Kritiker nun sorgen.
Julia Linn, ARD Nairobi, tagesschau, 07.07.2025 18:18 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke