Der Trend geht zu Grenzkontrollen: Mit Polen greift schon das zwölfte europäische Land zu diesem Mittel. Dabei soll der Schengen-Raum genau das Gegenteil erreichen. Kann die EU die Reisefreiheit in Europa noch retten?

Polen ist nun das zwölfte von 29 Ländern im Schengen-Raum, das an den eigenen Landesgrenzen kontrolliert. Das erfolgt explizit auch als Reaktion auf die intensivierten deutschen Kontrollen.

Kein Wunder, meint der EVP-Europaabgeordnete Pascal Arimont. Es springe der Gedanke über, Grenzkontrollen seien nicht so schlimm und ein probates Mittel. "Aber genau deswegen muss man mit solchen Kontrollen sehr vorsichtig umgehen; das auch immer in einem europäischen Kontext denken." Er habe die EU-Kommission aufgefordert, juristisch zu prüfen, ob die Maßnahmen dem Artikel 25 des Schengen-Kodex entsprechen, erklärt der Abgeordnete aus der belgischen Grenzregion.

Schengen-Kodex erlaubt zeitlich begrenzte Kontrollen

Fakt ist: Artikel 25 und folgende des Schengen-Kodex' erlauben es den Staaten, vorübergehend Kontrollen an Binnengrenzen wieder einzuführen: Für zehn Tage ad hoc und völlig eigenständig, wenn eine erste Bedrohung vorliegt - zum Beispiel ein Hinweis auf eine Terroranschlag.

Danach sind zeitlich begrenzte Kontrollen von sechs Monaten bis hin zu - in Ausnahmefällen - zwei Jahren möglich, wenn eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit besteht, heißt es Im Schengen-Kodex. Das kann beispielsweise auch hoher Migrationsdruck sein.

Grenzkontrollen als letztes Mittel

Die EU-Kommission erinnert immer wieder an die Bedingungen: Die Kontrollen müssen zeitlich und örtlich begrenzt sein und als ein letztes Mittel, als ultima ratio, in Anspruch genommen werden. Und die Nachbarstaaten sowie die EU-Kommission müssen informiert sein, so der zuständige Kommissionssprecher Markus Lammert. Man sei also auch jetzt in engem Austausch mit allen Betroffenen.

Aber es zeigt sich immer wieder: Die EU-Kommission ist bereit, beide Augen zuzudrücken, wenn es mal wieder länger dauert. An der bayrischen Grenze zu Österreich etwa gibt es seit Herbst 2015 Kontrollen. Dänemark hat offiziell seit acht Jahren wieder Kontrollen an der Grenzen zu Deutschland in Kraft.

Denn Verbieten kann die Kommission angemeldete Grenzkontrollen nicht. Sie kann lediglich eine Stellungnahme zu Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit abgeben.

Frage nach Verhältnismäßigkeit bleibt offen

Inwiefern es aktuell verhältnismäßig ist, dass quasi quer durch Europa kontrolliert wird, bleibt offen. Neben Polen und Deutschland haben aktuell auch Frankreich, die Niederlande, Österreich, Italien, Slowenien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Spanien sowie die Slowakei Grenzkontrollen am Laufen. Belgien - als dann 13. Land - will damit im Laufe des Sommers starten.

In jedem Fall eine schwierige Tendenz, sagt EU-Innenkommissar Magnus Brunner mit Blick auf die Errungenschaften von Schengen: "Das muss aufhören, selbstverständlich. Und wir müssen unseren Job machen als EU-Kommission." Der Asyl- und Migrationspakt müsse so schnell wie möglich umgesetzt werden, appelliert er. "Und da fordern wir natürlich auch die Mitgliedstaaten auf, das schneller zu machen."

Darauf setzen viele in Brüssel: Schengen - die Reisefreiheit in Europa - könnte gerettet sein, wenn das Asyl-und Migrationspaket ab Sommer 2026 vollständig greift, so die Hoffnung. Allen voran mit einem besseren Schutz der europäischen Außengrenzen.

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