Österreich hatte lange gezögert, Menschen nach Syrien abzuschieben. Diese Praxis ist offenbar nun vorbei: Wien führte einen Straftäter zurück - und weitere sollen folgen. Auch Deutschlands Innenminister Dobrindt arbeitet darauf hin.

Als erstes EU-Land hat Österreich einen Straftäter nach Syrien abgeschoben. Der Mann sei mit einem Linienflug aus Wien mit einem Zwischenstopp in Istanbul in die syrische Hauptstadt Damaskus gebracht worden, heißt es aus dem Ministerium. 

Für Österreich ist es dem Innenministerium zufolge die erste Abschiebung nach Syrien seit 15 Jahren. Nach Informationen der Nachrichtenagentur APA war die Abschiebung bereits in der vergangenen Woche geplant, dann jedoch aufgrund der Schließung des syrischen Luftraums infolge der militärischen Eskalation zwischen Israel und dem Iran abgesagt worden.

Die Abschiebung sei "Teil einer harten und damit gerechten Asylpolitik", erklärte Innenminister Gerhard Karner von der konservativen Regierungspartei ÖVP. Das Kabinett werde den Weg, verurteilte Straftäter außer Landes zu bringen, auch im Fall von Syrien "mit harter Arbeit und Nachdruck fortsetzen", fügte Karner nach Angaben der Nachrichtenagentur APA an.

Wien treibt seit Monaten Abschiebepläne voran

Die Grundlage für die jüngste Abschiebung habe Innenminister Karner bei seiner gemeinsamen Syrien-Reise mit seiner damaligen deutschen Kollegin Nancy Faeser im April gelegt, hieß es aus dem Ministerium. Faeser und Karner hatten damals betont, es gehe ihnen vorrangig um die Abschiebung von islamistischen "Gefährdern" sowie von Menschen, die schwere Straftaten begangen hätten. Beide trafen damals die neuen Machthaber nach dem Sturz der autokratischen Regierung von Baschar al-Assad.

In Österreich befinden sich derzeit rund 100.000 Syrer. Wien treibt seit Monaten Pläne voran, Abschiebungen nach Syrien ausführen zu können. Aufgrund der unübersichtlichen Lage nach dem Sturz von Syriens Langzeitherrscher al-Assad Anfang Dezember hatten Deutschland, Österreich und weitere europäische Staaten zunächst Entscheidungen über Schutzersuchen von Antragstellern aus Syrien vorerst ausgesetzt.

Schutzstatus kann widerrufen werden

In Deutschland hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Anhörung syrischer Asylbewerber Anfang Mai wieder aufgenommen. Die deutsche Behörde traf trotz des vorübergehenden Entscheidungs-Stopps in einigen Dutzend Syrien-Fällen dennoch Entscheidungen. "Sicherheitsrelevante Verfahren konnten im Einzelfall entschieden werden", teilte ein Bamf-Sprecher auf Anfrage mit.

Wird ein anerkannter Flüchtling wegen einer erheblichen Straftat verurteilt oder als sogenannter Gefährder eingestuft, kann der Schutzstatus widerrufen werden. "Gefährder" nennt die Polizei Menschen, denen sie schwere politisch motivierte Straftaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut.

Von den 11.060 Entscheidungen über Asylverfahren syrischer Staatsangehöriger, über die von Januar bis Mai entschieden wurde, seien 11.017 formale Entscheidungen gewesen, teilte der Sprecher mit. Hierunter fallen Fälle, in denen der Asylantrag zurückgenommen wird, oder solche, in denen ein anderes europäisches Land zuständig ist.

Bamf: Lage in Syrien schwer zu bewerten

Syrien zählt seit Jahren zu den wichtigsten Herkunftsländern von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen. Zum 31. Mai waren laut Bamf 51.736 Verfahren syrischer Staatsangehöriger anhängig. "Gesetzlich ist das Bundesamt verpflichtet, mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat zu überprüfen und wird die Bearbeitung der betroffenen Asylverfahren wieder aufnehmen, sobald die Gründe für den Verfahrensaufschub wegfallen", sagte der Bamf-Sprecher. Noch sei die Lage in Syrien "unübersichtlich und schwer zu bewerten".

Abschiebungen nach Syrien wieder zu ermöglichen, ist ein Ziel von Faesers Nachfolger - Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). "Mit Syrien gibt es Kontakte zu einer Vereinbarung, um syrische Straftäter zurückzuführen. Die Ergebnisse dazu liegen noch nicht vor", sagte er in einem Interview mit dem "Focus".

Deutschland hatte die Asylregeln für Syrer in den vergangenen Wochen bereits verschärft: Unter anderem besiegelte der Bundestag Ende Juni Pläne der Bundesregierung, den Familiennachzug für Migranten mit subsidiärem Schutzstatus auszusetzen - von denen die meisten Syrer sind. Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 waren Millionen Menschen aus dem Land geflohen.

Dobrindt will direkt mit Taliban verhandeln

Nach Ansicht von Innenminister Dobrindt muss die jährliche Zahl der in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge weit unter 200.000 liegen. Im Fokus des Ministers liegen dabei auch Geflüchtete aus Afghanistan.

Über deren Anträge wird zwar regulär entschieden - wer keinen Schutz erhält, kann aber in der Regel erst einmal bleiben. Denn seit der erneuten Machtübernahme durch die Taliban 2021 gab es aus Deutschland keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr - mit einer Ausnahme: Mit Hilfe von Katar wurden im August vergangenen Jahres 28 Straftäter nach Kabul geflogen. 

Innenminister Dobrindt möchte das ändern. Ihm schwebe vor, dass Deutschland "direkt mit Afghanistan Vereinbarungen" treffe, um Rückführungen von Straftätern zu ermöglichen, sagte er dem "Focus". Er wies darauf hin, dass Kontakte zu den Taliban derzeit nur über Dritte stattfänden. "Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben", sagte er.

Das Taliban-Regime in Afghanistan ist international nicht anerkannt, regelmäßig gibt es Vorwürfe wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen. Aus der SPD wurden deshalb Bedenken geäußert. Vize-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede warnte davor, den Taliban durch direkte Gespräche zu mehr internationaler Legitimität zu verhelfen. Zwar sei es sinnvoll, "mögliche Gesprächskanäle" zu nutzen, um Abschiebungen vornehmen zu können. "Das darf aber keinesfalls dazu führen, dass der Kontakt zu dem Regime der Taliban normalisiert und selbstverständlich wird", warnte Eichwede im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke