Mit Polen hat das nächste EU-Land Grenzkontrollen angekündigt - als Reaktion auf Deutschland. Alle berufen sich auf eine Ausnahmeregelung. Verhindern kann die EU das nicht. Kippt jetzt der freie Personenverkehr endgültig?
Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums müssen bei der EU-Kommission in Brüssel angemeldet und begründet werden, so sieht es der Schengen-Kodex vor. Beides noch nicht geschehen, heißt es bei der Kommission. Aber man kenne die Berichte und sei sich durch informelle Kontakte mit den polnischen Behörden darüber bewusst, dass man eine solche Anmeldung bald bekommen könne.
"Wir stehen in engem Kontakt mit allen Mitgliedsländern, die Kontrollen eingeführt haben", bestätigt Kommissionssprecher Markus Lammert. Auch mit den Staaten, die davon betroffen sind, sei man in Kontakt. Und Lammert erinnert noch einmal daran, dass diese Kontrollen innerhalb des Schengenraums unter bestimmten Bedingungen für einen begrenzten Zeitraum erlaubt sind.
Grenzkontrollen nehmen zu
Elf der 29 Schengen-Länder nutzen diese befristete Ausnahme zur Zeit, darunter Deutschland und seine Nachbarländer Frankreich, Österreich, Dänemark und die Niederlande. Polen wäre nun das zwölfte Land, Belgien hat ebenfalls Kontrollen im Laufe des Sommers angekündigt.
"Ich habe das schon befürchtet, dass das so kommt", sagt Birgit Sippel von der SPD im Europaparlament, "schon bei der Einführung der ersten Kontrollen noch unter der Ampel-Regierung". Dabei spiele gerade Deutschland mit seiner Lage in der Mitte Europas und den vielen Grenzen eine besondere Rolle: "Wenn wir anfangen, den Raum dicht zu machen, hat das Auswirkungen."
Droht das Ende des Schengen-Raums?
Die neue Bundesregierung habe die Kontrollen ausgeweitet, kritisiert Sippel. Jetzt würden auch Schutzsuchende zurückgewiesen. Insgesamt bestehe die Gefahr eines Endes für den Schengen-Raum. Und das habe nicht nur Auswirkungen auf Binnenmarkt, Wirtschaft und viele Grenzgänger, sondern sende auch ein deutliches Zeichen der Abgrenzung. "Was mit Sicherheit mittelfristig auch Auswirkungen auf die Wahrnehmungen der Menschen haben wird, was von diesem Europa zu halten ist", meint die SPD-Politikerin.
Auch in der CDU im Europaparlament zeigt man sich von der polnischen Ankündigung nicht überrascht. Polen stehe das Recht auf die Inanspruchnahme der Ausnahmeregeln natürlich ebenso zu wie allen anderen Mitgliedsstaaten, sagt die Unionsabgeordnete Lena Düpont. "Für die interne Debatte in der Europäischen Union ist wesentlich, dass die Mitgliedsstaaten jeweils in der Kommunikation miteinander bleiben, so wie das von den Innenministerien auf beiden Seiten - Polen und Deutschland - gerade gemacht wird."
Hoffen auf Weckruf
Darüber hinaus hofft Düpont auf einen Weckruf für alle Seiten. "Das Wesentliche für die aktuelle Debatte ist, dass wir dieses Symptom 'Schengen unter Druck' begreifen müssen als einen Impetus, dass wir die Außengrenze gemeinsam schützen und den Außengrenzschutz insgesamt stärken."
Verbieten kann die Kommission angemeldete Grenzkontrollen nicht. Sie kann lediglich eine Stellungnahme zur Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit abgeben.
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