Stillgelegte Flughäfen werden reaktiviert, Kasernen modernisiert. Russland rüstet entlang der finnischen Grenze erkennbar auf. Vor Ort beobachtet man das mit Sorge - und stellt sich auf Krisenlagen ein.
Finnlands Grenze zum Nachbarn Russland ist lang - mehr als 1.300 Kilometer. Also länger als die Distanz zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen. Grenzzäune gibt es nur an wenigen Stellen.
Emil Kastehelmi beobachtet genau, was jenseits der Zäune passiert. Der Finne wertet Satellitenbilder aus. Sie belegen, dass Russland derzeit entlang der Grenze aufrüstet.
Geht es um die Ukraine - oder um Finnland?
Mit Freunden hat Emil eine Firma gegründet. Sie nutzen frei zugängliche Informationen wie Geodaten und Satellitenbilder und werten sie für ihre Kunden aus.
An den modernisierten Stützpunkten will Russland Soldaten für den Krieg in der Ukraine ausbilden, glaubt Emil. Eine direkte Bedrohung für Finnland sei das noch nicht. Dennoch: Es mache ihm Sorgen.
"Wir haben ein feindliches Land direkt neben uns, das derzeit deutlich aufrüstet. Ich glaube zwar nicht an einen baldigen Angriff, einen traditionellen Krieg. Aber wir sollten die Situation im Auge behalten."
Betont gelassen
Seit Russlands Angriff auf die Ukraine hat auch Finnland seine Sicherheitspolitik neu ausgerichtet. Seit zwei Jahren ist das Land NATO-Mitglied.
Erst im Mai trainierten finnische Streitkräfte gemeinsam mit Soldaten aus Deutschland, Estland, Litauen und Großbritannien. Auch deshalb bleibt Finnlands Verteidigungsminister Antti Häkkänen betont gelassen.
Ein "heißer Frieden"
Insbesondere im Ostseeraum nehmen die Spannung zu. Bei Flügen russischer Bomber zum Beispiel soll es immer wieder zu Luftraumverletzungen gekommen sein.
Ende Mai veröffentlichte das russische Militär Bilder einer Übung in der Ostsee - mit 3.000 Soldaten und 20 Kriegsschiffen. Finnische Sicherheitsexperten sprechen deshalb bereits von einer Bedrohung für ganz Europa.
Joel Linnainmäki vom Finnish Institute of International Affairs sagt, angesichts der derzeitigen europäischen Sicherheitslage könne man von einem "heißen Frieden" sprechen: "Russland versucht aktiv, westliche Länder zu beeinflussen und zu spalten. In der Ostsee kommt es immer wieder zu Sabotageangriffen. Das zeigt, wie angespannt die Situation ist."
Übungen mit Notstromaggregaten
Darauf stellt sich auch die Zivilgesellschaft ein. Überlebenstraining, Zivilschutz, Landesverteidigung - das Angebot für Zivilistinnen und Zivilisten ist in Finnland umfassend.
Dabei geht es dann auch um Fragen wie: Was kann man tun, wenn der Strom ausfällt. In einer Kaserne des finnischen Militärs in Helsinki kommen an diesem Wochenende Frauen zusammen. "Hier ist der Anlasser. Daran müsst ihr kräftig ziehen!", erklärt eine Trainerin. Es geht um Elektrotechnik und Notstromaggregate. Der Kurs richtet sich ausschließlich an Teilnehmerinnen.
Auch Taija Lassila aus Helsinki ist dabei. "Wenn es zu einem großen Stromausfall kommt, will ich wissen, was ich tun kann. Ich habe keinerlei militärische Erfahrung. Ich will vorbereitet sein. Die derzeitige Weltlage beunruhigt mich sehr."
Auch eine historische Erfahrung
Durch solche Kurse sollen Frauen wie Lassila lernen, wie sie in Krisen- und Notsituationen helfen können.
"Ich denke, es liegt an unserer Geschichte und den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg", sagt Riika Itäranta vom Bereitschaftsverband der Frauen. "Wir sind eine Art Überlebenskünstler in Finnland. Wir sind eng mit der Natur verbunden. In unserem Land gibt es oft sehr große Distanzen zwischen den Städten. Deshalb wollen wir Finnen immer selbständig sein."
Vorbereitet sein auf alles, was kommen kann. In Finnland ist das eine Lebenseinstellung.
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