Zwischen dem iranischen Atomreaktor Buschehr und Kuwait liegen nur 300 Kilometer. Dort verteilt man schon Notfallinformationen für die Bevölkerung - für den Fall eines Austritts radioaktiver Strahlung.
"Bitte lesen Sie und bewahren Sie diese Richtlinien für den Notfall auf." So beginnt ein mehrseitiges Papier aus dem kleinen Golfstaat Kuwait, das in sozialen Netzwerken kursiert und die Bürger auf das schlimmste Szenario vorbereiten will: einen atomaren Zwischenfall im Iran aufgrund der aktuellen Eskalation. Denn der iranische Atomreaktor Buschehr liegt Luftlinie nur rund 300 Kilometer von Kuwait entfernt - in rund einer Stunde wäre je nach Wind die nukleare Wolke am Golf. Alarmstufe Rot.
Youssry Abu Shady, Inspektor der internationalen Atomenergiebehörde IAEA, schätzt die Lage so ein: "Sollte es zu einem Angriff auf diesen Reaktor kommen, wäre das äußerst gefährlich. Dieser Reaktor enthält hoch radioaktiven Kernbrennstoff, was eine Bedrohung darstellen würde, vergleichbar mit der von Tschernobyl, Fukushima und anderen", sagte Shady. "Die Folgen würden nicht nur den Iran betreffen, sondern die gesamte Region, insbesondere die Golfstaaten."
Am Golf herrscht Angst und Besorgnis. Sorge vor wirtschaftlichen Einbußen, beispielsweise durch eine iranische Blockade der Straße von Hormus oder Attacken auf Ölfelder und Angst, in den Konflikt hineingezogen zu werden. Denn die Länder am Golf sitzen buchstäblich zwischen den Stühlen. "Die Beziehungen zu Israel und Iran sind kompliziert", sagt Fabian Hinz vom International Institute for Strategic Studies. "Einerseits haben sich die Staaten bemüht, ihre Beziehungen zu Israel zu verbessern, andererseits haben sie ihr Verhältnis zum Iran verbessert und da wirkliche Fortschritte gemacht."
Auch Saudi-Arabien auf Annäherungskurs zum Iran
Nicht nur Oman und Katar pflegen gute Beziehungen zum iranischen Nachbarn - selbst der langjährige regionale Rivale Teherans, Saudi-Arabien, hat sein Verhältnis zum Iran seit zwei Jahren deutlich verbessert. Kronprinz Mohammed bin Salman sagte vor einigen Monaten:
Diplomatische Lösungen seien militärischen vorzuziehen, betonte er mehrfach. Am Golf will man keinen offenen Krieg. Doch wenn die Lage weiter eskaliert, könnte genau das eintreten: Die USA haben zahlreiche Militärstützpunkte im Nahen Osten - wenn der Iran den Konflikt ausweitet, drohen Angriffe auf US-Militärstützpunkte im Irak oder am Golf.
"Die Golfstaaten sind sehr besorgt"
"Die Golfstaaten sind sehr besorgt", sagt Mustafa Kamel Sayyed von der Universität Kairo. "Alle haben mittlerweile gute Beziehungen zum Iran. Und im aktuellen Konflikt stehen sie trotz der Nähe zu den USA eigentlich mehr auf Seite des Iran, weil ihnen missfällt, wie Israel auftritt und weil sie nicht wollen, dass ein Land die ganze Region dominiert. Auch in der Bevölkerung herrscht Solidarität mit dem iranischen Volk."
Alle Golf-Staaten verurteilten Israels Angriff auf den Iran aufs Schärfste - selbst der alte Erzrivale Teherans, Saudi-Arabien, sprach vom "iranischen Bruderstaat" und der Kronprinz telefonierte mit dem iranischen Präsidenten. Gleichzeitig will man auf der Arabischen Halbinsel die guten Beziehungen zu den USA nicht gefährden. Erst im Mai war US-Präsident Trump auf seiner ersten offiziellen Auslandsreise am Golf und schloss milliardenschwere Rüstungsgeschäfte ab. Dort warb Trump auch dafür, dass weitere Staaten den sogenannten Abraham Accords beitreten, also ihre Beziehung mit Israel normalisieren. Aber das scheint angesichts des brutalen Vorgehens Israels in Gaza und der ungeklärten Palästinenserfrage derzeit undenkbar.
Golfstaaten bieten sich als Vermittler an
"Es gibt für die Golfstaaten zwei Möglichkeiten, Frieden mit Israel zu schließen", sagte Mahjoob Zweiri von der Katar Universität vor einigen Monaten bei Al Jazeera. "Eine ohne Bedingungen und eine mit. Und Saudi-Arabien sagt jetzt sehr klar: Nur wenn es eine Lösung für die Palästinenser und Frieden in Gaza gibt, kann es auch Frieden mit Israel geben. So sprechen mehrere Golfstaaten mit einer Stimme: Es gibt keinen Frieden mit Israel, bis Israel nicht etwas dafür bezahlt."
Aktuell bieten sich die Golfstaaten als Vermittler an - nicht umsonst reiste auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul kürzlich spontan nach Saudi-Arabien, Katar und Oman. Vor allem der Oman ist als Vermittlerstaat prädestiniert: Das Sultanat hat gute Kontakte zum Iran und war bereits erfolgreicher Unterhändler beim ersten iranischen Atomabkommen vor zehn Jahren. Die jüngste Runde der Atomgespräche wurde durch Israels Vorgehen torpediert.
Und nicht nur in Kuwait betet sicherlich so mancher, dass der Krieg und seine Folgen am Golf vorüberziehen. Oder, wie es in den letzten Sätzen des möglichen nuklearen Notfallplans heißt: "Die Befolgung dieser Richtlinien hilft Ihnen - so Gott will - sich und ihre Familie zu schützen. Möge Gott Kuwait und sein Volk vor allen Schäden bewahren!"
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