Die Männerfreundschaft zwischen dem US-Präsidenten und Tech-Milliardär Musk ist zerbrochen. Für Trump könnte das politisch gefährlich werden, sagt Politikexpertin Clüver Ashbrook. Auch der Besuch von Kanzler Merz wurde von dem Streit überschattet.

tagesschau: Besuche im Oval Office bei US-Präsident Donald Trump können auch in Demütigungen vor versammelter Weltpresse enden. Das gab es jüngst zweimal. Hat Bundeskanzler Friedrich Merz seine Bewährungsprobe in Washington bestanden? Und kann er eine Führungsrolle in Europa gegenüber Trump einnehmen? 

Cathryn Clüver Ashbrook: In jedem Fall hat er die Bewährungsprobe bestanden. Er hat sich anleiten lassen von den bisherigen Erfahrungen derer, die im Weißen Haus waren - besonders von den europäischen Kollegen.

Friedrich Merz hat sich schon vorher als Kern einer neuen, leistungsstarken europäischen Gruppe positioniert, sich stark abgesprochen mit dem polnischen Regierungschef, mit dem britischen Regierungschef. Und damit versucht er in verschiedenen und wirklich instrumental wichtigen Bereichen - besonders was die Unterstützung der Ukraine angeht - diesen Präsidenten einzukreisen. Ob das hält, das muss man bei einem wankelmütigen Präsidenten wie Donald Trump immer noch abwarten. 

Zur Person Cathryn Clüver Ashbrook ist Leiterin des Future of Diplomacy Projects an der Harvard Universität. Die Deutsch-Amerikanerin ist Expertin für Außenpolitik und arbeitet für die Bertelsmann-Stiftung.

"Die Europäische Union muss einen Schulterschluss zeigen"

tagesschau: Nun sollte in die Erfolgsbilanz eines solchen Besuchs mehr einfließen, als nur ohne Demütigungen das Oval Office verlassen zu haben. Reden wir über die Unterstützung der Ukraine und über die Zollpolitik, mit der Trump der Wirtschaft in der EU und Deutschland zusetzt. Konnte Merz bei diesen beiden Feldern punkten? 

Clüver Ashbrook: Er hat in der Ukraine-Frage noch mal ein paar ganz wichtige Punkte der europäischen Perspektive auf diesen Konflikt klargemacht. Er hat klargestellt, dass nicht die Ukraine, sondern Russland der Aggressor ist, dass Russland seit Jahren gegen die Genfer Konventionen verstößt und Kinder aus der Ukraine nach Russland verschleppt. Deshalb wurde Russland auch vor den Internationalen Gerichtshof zitiert. Merz hat Realitäten in das Gespräch eingebracht, die Donald Trump mit seinem Stillschweigen zumindest akzeptiert hat. Das muss man vielleicht schon für die Europäer als Etappensieg sehen.

In der Zollpolitik hat der Kanzler mit Blick auf die Verhandlungen dem EU-Kommissar für Handel, Maroš Šefčovič, und Ursula von der Leyen den Rücken gestärkt. Er hat nicht zugelassen, dass die Trump Regierung die Europäer voneinander trennt. Die USA versuchen, Verhandlungen mit den Einzelstaaten zu führen. Das darf jetzt nicht passieren. Die Europäische Union muss einen Schulterschluss zeigen. 

Abhängigkeit zwischen zwei mächtigen Männern

tagesschau: Ein Thema überlagerte den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers bei Trump: Nämlich der aufziehende Streit zwischen Trump und seinem wohl ehemaligen Vertrauten Elon Musk. Erleben wir da auf internationaler Bühne ein Zerbrechen einer Männerfreundschaft im Stil einer US-Seifenoper?

Clüver Ashbrook: Ja, wenn es nur eine Männerfreundschaft mit Potenzial für eine Seifenoper wäre ... Hier ist unglaublich viel Geld im Spiel. Elon Musk hat seine privatwirtschaftlichen Unternehmen nur retten können, indem er die großen Verträge aus der Regierungsebene bekommen hat - zum Beispiel für SpaceX. Und umgekehrt liegt er nicht falsch, wenn er sagt, die 270 Millionen US-Dollar, die er in den Wahlkampf von Donald Trump gespült hat, haben den Sieg für Donald Trump erst möglich gemacht.

Gestern hat Elon Musk inmitten dieses Streits gefragt, ob er eine dritte Partei gründen und mit ihr in den Vorwahlkampf ziehen sollte. Wir sehen hier Abhängigkeiten zwischen zwei mächtigen Männern im US-amerikanischen System. Wenn es um die Weltraumpolitik der USA geht, dann sind hier Abhängigkeiten, die man lösen könnte, wenn zwei rationale Männer am Werk wären. Das sind sie aber nicht. Es ist keine simple Männerfreundschaft, die hier zerbricht. Eine Partnerschaft, die in diesem Sinne zerbricht, hätte Konsequenzen, sowohl für die Innen- wie vielleicht eben auch für die Außenpolitik. 

"Vielleicht den Charakterschwächen beider Männer zu schulden"

tagesschau: Was sagt das über das Verhältnis zu Trump aus, wenn einer, der den US-Verwaltungsapparat entschlacken sollte, jetzt niedergemacht wird, andererseits aber dieser Musk mit Aufsehen erregenden Andeutungen um die Ecke kommt - nämlich der Behauptung, Trumps Name finde sich in den Unterlagen zum berüchtigten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein?

Clüver Ashbrook: Ich glaube, da sind jetzt viele Dinge in Bewegung. Wir haben gesehen, dass es Elon Musk geschafft hat, privatrechtliche Informationen von allen Amerikanern mit Steuerunterlagen zu verbinden. (Anm. d. Redaktion: gemeint ist seine Tätigkeit für die umstrittene Effizienzbehörde DOGE). Da ist mit Blick auf die Datensicherheit eine große Lücke entstanden. Wenn angefangen wird, diese Daten zu instrumentalisieren, wenn Musk seine Leute von dort abzieht, könnten dort wirklich innenpolitisch schwierige Fragen auf die USA zukommen.

Dass es nun so weit gekommen ist, dass auf unterstem Niveau öffentlich argumentiert wird, ist vielleicht den Charakterschwächen beider Männer zu schulden. Aber hier stehen realwirtschaftliche Fragen im Raum. Musk könnte mit Starlink (Anm. d. Redaktion: Starlink ist ein Satellitennetzwerk, das auch in entlegenen Orten den Zugang zum Internet ermöglicht) den Krieg gegen die Ukraine beeinflussen. Das ukrainische Militär nutzt den Dienst.

"Eine unterschwellige Käuflichkeit, die mitschwingt"

tagesschau: Trump droht damit, Aufträge für Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX zu stoppen. Was verspricht er sich davon?

Clüver Ashbrook: Was da passiert, ist ein deutliches Warnsignal für Länder, die überlegen, wichtige Aufgaben an privatwirtschaftliche Unternehmen zu delegieren. Hier sind gegenseitige Abhängigkeiten geschaffen worden - politischer Art, finanzieller Art, struktureller Art. Das ist jetzt eine wirklich volatile Situation. Donald Trump schießt aber quer, wie Donald Trump es nämlich immer tut, nämlich ohne sich mit Beratern abzusichern, ohne eine Strategie abzusprechen, ohne zu überlegen, wie er aus dem Konflikt wieder herauskommt. Und das spitzt diese Situation entsprechend zu.

Elon Musk kann mit seinem Geld Druck aufbauen. Oder er kann Leistungen zurückhalten. Genau damit wird er den Präsidenten nun drangsalieren. Es gibt den Unterton der Käuflichkeit des Weißen Hauses. Das ist seit Beginn der zweiten Amtszeit in vielen Teilen zu sehen - auch bei den unterschiedlichen Abkommen mit den Ländern im Nahen Osten. Es könnte sein, dass diese unterschwellige Käuflichkeit, diese Korruptionsdynamik, die immer mitschwingt aus dem Hause Trump, jetzt für den US-Präsidenten politisch schwierig wird. Es sei denn, er baut sich eine Rettungsbrücke und löst den Konflikt mit Elon Musk.

Das Gespräch führte Carl-Georg Salzwedel für tagesschau24. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke