Wer noch nie etwas von Blue Öyster Cult gehört hat, dürfte schon beim Bandnamen die Stirn runzeln. Oyster, englisch für Auster, wird schließlich nicht mit Umlaut geschrieben. Bei Blue Öyster Cult allerdings schon – als Reminiszenz an die wagnerschen Elemente der Musik. Dass später zahlreiche andere Bands wie Motörhead oder Mötley Crüe den sogenannten Metal-Umlaut als Gag übernahmen, zeigt schon die Pionierleistung, auf die die Band um die beiden Musiker Buck Dharma und Eric Bloom musikhistorisch stolz sein können.

Seit fast 60 Jahren gibt es Blue Öyster Cult in verschiedenen Besetzungen. Während Anfang der Siebzigerjahre die Wegbereiter des Hard Rock und Heavy Metal hauptsächlich aus England kamen, holten Bloom und Dharma aus New York die hart gespielte Gitarrenmusik zurück in die USA, die Heimat des Rock ’n’ Roll. Und sie verfeinerten das Konzept des psychedelischen Rock. Texte mit Fantasy- und Science-Fiction-Themen, Tempowechsel, ausufernde Improvisationen – aber stets eingebettet in stringente Songstrukturen. Blue Öyster Cult zählten nie zu den kommerziell größten Acts, gelten aber als Inspiration für zahlreiche Bands.

Doch wie viel ist vom einstigen Ruhm übrig geblieben? Eher wenig, muss man leider feststellen, wenn man das Konzert der Band im Berliner Tempodrom verfolgt. Zwar ist der Innenraum gut gefüllt, doch die Ränge bleiben weitgehend leer. Und das trotz erschwinglicher Ticketpreise. Womöglich ist die Musik nicht jedermanns Geschmack – oder sie ist in Vergessenheit geraten. Stimmung kommt in der Halle jedenfalls anfangs kaum auf.

Das könnte auch daran liegen, dass gerade zu Beginn der Sound so dumpf klingt, dass man kaum die Nuancen der Kompositionen erkennen kann. Eric Blooms Stimme, die auch nicht mehr ganz frisch klingt, ist zeitweise kaum zu verstehen. Allerdings lassen auch Buck Dharmas Gitarrenimprovisationen gelegentlich an Timing vermissen und wirken zerhackt. Stellenweise klingen Blue Öyster Cult aber auch wieder perfekt aufeinander abgestimmt – die Qualität der Performance schwankt während des Abends stark.

Vor allem fehlt es an Dynamik. Die Lieder der Band leben von musikalischen Brüchen und dem Spiel mit explosiven und ruhigeren Parts. Im Tempodrom wirkt vieles eher komprimiert und gleichförmig – und die Musiker ein wenig kraftlos.

Goldenes, ledernes Zeitalter

Allerdings ist Eric Bloom inzwischen auch 80 Jahre alt, Dharma ist nur wenige Jahre jünger. Dass die Band in diesem Alter noch soliden Hard Rock auf den Bühnen der Welt spielt, ist bemerkenswert. Und ausgerechnet bei „Golden Age of Leather“, eingeleitet mit dem Satz „Unsere besten Jahre sind vorbei“, scheint die Band wiederzuerwachen, ihre Performance wird engagierter.

Das gilt allerdings vor allem für die Ränder der Bühne, wo Bassist Danny Miranda und vor allem der dritte Gitarrist Richie Castellano für Stimmung sorgen und harmoniesicher den Hintergrundgesang übernehmen. Castellano, 45 Jahre jung, sprintet über die Bühne, brilliert mit ausgefeilten Gitarrensoli und erhält den bis dahin lautesten Applaus für seinen Gesangspart in „Hot Rails to Hell“. Da ist es fast schade, dass man ihn nicht häufiger ins Zentrum des Geschehens rückt.

„Astronomy“ – eine der kreativsten Kompositionen der Band und schon hörenswert gecovert von Metal-Legenden wie Metallica – fehlt leider beim Auftritt in Berlin. Dafür spielt Blue Öyster Cult den Hit, den vermutlich jeder kennt, der Rock ’n’ Roll zu schätzen weiß, und der wie wenige andere Songs der Band auch Teil der Popkultur wurde: „Don’t Fear the Reaper“ – „Hab keine Angst vorm Sensenmann“. Das Stück verkörpert den Stil der Band wie kaum ein anderes. Okkulte und obskure Lyrics, einen psychedelischen, vom Rest des Songs losgelösten Mittelteil und seltsame Arrangement-Einfälle, wie die Kuhglocke, die weite Teile des Lieds begleitet.

Ebendiese Kuhglocke war die Inspiration für den berühmtesten Sketch der seit Jahrzehnten erfolgreichen amerikanischen Comedy-Show „Saturday Night Live“, der die fiktive Studioaufnahme von „Don’t Fear the Reaper“ zeigt. Darin nervt der Musiker Gene Frenkle (verkörpert von Will Ferrell) seine Bandkollegen mit seinem aufdringlichen Kuhglockenspiel. Der von Christopher Walken gewohnt trocken gespielte Produzent der Band verlangt dagegen ständig „More cowbell!“ – und tatsächlich könnte auch in Berlin die Kuhglocke ein wenig präsenter sein.

Trotz aller Schwächen scheinen die Zuschauer zufrieden mit dem Auftritt zu sein. Blue Öyster Cult ist eben eine Band, die viele Rock- und Metal-Heads gern einmal live gesehen haben wollen. Man weiß schließlich nie, wie viele Möglichkeiten sich da noch ergeben werden – auch wenn Dharma und Bloom ja offenbar keine Angst vorm Sensenmann haben.

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