Selten ist es dem deutschen Fernsehen in den vergangenen Jahren gelungen, ein Format zu etablieren, dass sich so von der Masse abhebt wie „Die Verräter“. Mit seinem Mix aus Psychospiel, Krimi-Stimmung und Schloss-Ambiente hat es RTL geschafft, das erstmals 2021 in den Niederlanden unter dem Titel „De Verraders“ realisierte Show-Konzept erfolgreich nach Deutschland zu bringen.

Neben einer Auszeichnung beim Deutschen Fernsehpreis 2024 in der Kategorie „Beste Unterhaltung Reality“ war auch eine Nominierung für den letztjährigen Grimme-Preis in der Kategorie „Unterhaltung“ Zeugnis dafür, dass es sich bei „Die Verräter“ um einen der raren Lichtblicke auf dem deutschen Fernsehmarkt handelt.

Das Konzept der Sendung ist trotz der taktischen Tiefe schnell erklärt: Jede Staffel sperrt 16 prominente Kandidaten gemeinsam in ein abgelegenes belgisches Schloss ein. Zu Beginn bestimmt Host und Moderatorin Sonja Zietlow, deren Humor auch in diesem Format so trocken ist wie die Kellermauern des 900 Jahre alten „Chateaus“ mehrere „Verräter“. Dabei wissen die restlichen Kandidaten nicht, bei welchem ihrer Mitspieler es sich um einen Verräter handelt. Während also die mehrheitlich „Loyalen“ versuchen, die Verräter unter sich zu entlarven und rauswählen, eliminieren die Verräter nachts heimlich loyale Mitspieler. Durch Misstrauen, Verdächtigungen, Macht- und Ränkespiel entsteht ein psychologisches Spiel um Bluff, Täuschung und Vertrauen. So zumindest in der Theorie und in den beiden vergangenen Staffeln.

Warum der aktuellen Staffel die Luft ausgeht

Die dritte Staffel, deren Finale am Dienstagabend auf RTL zu sehen ist – und die seit letzter Woche bereits online abrufbar ist – konnte das Niveau der beiden vorherigen Staffeln leider nicht halten.

Der Cast war dabei auch dieses Mal wieder vielversprechend. Mit Kandidaten wie der ehemaligen Trainerin der DFB-Frauen Martina Voss-Tecklenburg, „Mr. Tagesschau“ Jan Hofer oder dem Herrenmoden-Influencer Joe Laschet, der mit seinem Charme längst nicht mehr nur als „Sohn von Armin Laschet“ firmiert, ist es dem Sender erneut gelungen, frische Gesichter für das Reality-Fernsehen zu gewinnen, die dabei die Behauptung „prominent“ halbwegs einlösen.

Und zunächst schien es, dass der Erfolgskurs weitergehen würde. Nach eigenen Angaben verzeichnete RTL zum Staffelauftakt Ende April serieninterne Rekord-Abrufzahlen beim hauseigenen Streamingportal RTL+. Die Quoten der darauffolgenden Episoden schwächelten hingegen zusehends, was weniger am eigentlichen Sendekonzept liegen dürfte, als vielmehr an fragwürdigen Entscheidungen durch die Spielregie.

Das Problem an der aktuellen Staffel ist, dass einfach keine rechte Spannung aufkommen mag. Warum sich die Produktion dieses Mal entschied, gleich von Beginn an nicht wie bisher drei, sondern gleich vier Verräter zu bestimmen, ist aus Zuschauersicht nicht nachvollziehbar. Die zwölf über weite Strecken im Dunkeln tappenden und sich kreuz und quer verdächtigenden Loyalen hatten nicht den Hauch einer Chance gegen das Verschwörer-Quartett aus der Tänzerin Motsi Mabuse, der Moderatorin Charlotte Würdig und den Schauspielern Mirja Du-Mont und Wayne Carpendale.

Wenn in den raren Momenten für die Verräter doch einmal der Druck stieg, war auch schnell wieder die Luft raus. Als etwa Martina Voss-Tecklenburg den Verrätern langsam auf die Schliche kam, wurde sie von den Verrätern schon in der nächsten Nacht aus dem Spiel genommen, ohne dass die übrigen Loyalen überhaupt darüber nachdenken konnten, wem ihre „ermordete“ Mitstreiterin zu gefährlich wurde.

Und auch der Verräter-interne Streit zwischen Wayne Carpendale und Motsi Mabuse war letztlich nur ein Strohfeuer. Nachdem Mabuse ihrem Mitverschwörer Carpendale „den Krieg erklärte“, gelang es der Tänzerin mit ihrer Dominanz, die übrigen zwei Verräterinnen auf ihre Seite zu ziehen, um Carpendale zu opfern und dann in plump-feministischer Girls-Power-Manier das Spiel geräuschlos abzuwickeln.

RTL wäre also gut beraten, für die kommende Staffel, die bereits vom Sender bestätigt wurde, an einigen Stellschrauben zu drehen. Weniger Verräter von Beginn an würden die Balance verbessern. Dass im Fall einer allzu schnell drohenden Enttarnung aller Verräter noch nachträglich Loyale zu „Überläufern“ werden können, hat bereits die erste Staffel gezeigt. Warum die Produktion dieses Mal auf diesen Kniff verzichtete und direkt von Beginn an vier Verräter bestimmte, ist unklar.

Bisweilen deplatziert wirken auch die unvermeidlichen Reality-TV-Grundwehrdienst-Spielchen aus Klettern, Schwimmen und Schleppen, bei denen die Kandidaten alle gemeinsam die spätere Gewinnprämie erspielen. Durch die Einführung etwa eines Side Pots wie beim Pokern, in dem die Verräter sich durch Errungenschaften, die dem Missionsziel zuwiderlaufen, bereichern können, würde die von Misstrauen geprägte Grunddynamik der Show auf die Spiele übertragen. In ihrer jetzigen Form wirken sie wie Fremdkörper im Psycho-Schach hinter Schlossmauern.

„Die Verräter“, Staffel 3, im Fernsehen auf RTL und via Streaming auf RTL+

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