Am Eröffnungstag der Architekturbiennale von Venedig werden traditionell auch die Goldenen und Silbernen Bären für den besten nationalen Pavillon und die besten Beiträge in der zentralen Ausstellung verliehen. Doch der 10. Mai 2025 wurde von einer traurigen Botschaft überschattet. Koyo Kouoh, Kuratorin der Kunstbiennale, die im Jahr 2025 stattfindet, verstarb an diesem Tag im Alter von nur 57 Jahren.
Die aus Kamerun stammende und teilweise in der Schweiz aufgewachsenen Künstlerin war Direktorin des Zeitz Museum of Contemporary Art Africa im südafrikanischen Kapstadt. Zuvor leitete sie ein Zentrum für Kunst, Wissen und Gesellschaft in Dakar im Senegal, das sie auch gegründet hatte. In ihren Ausstellungen hatte sie immer wieder afrikanische Künstler in den Mittelpunkt gestellt. Sie war die erste aus Afrika stammende Kuratorin der Biennale. Ihr Konzept, von der man eine Stärkung der afrikanischen Kunst erwarten konnte, wollte sie in wenigen Tagen bekannt geben.
Im Oktober 2024 hatte Kouoh in München aber auch einen Eklat ausgelöst. Bei einer Rede kritisierte sie die israelische Kriegsführung im Gazastreifen ohne den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und die Geiselnahme zu berücksichtigen sowie die deutsche Haltung zum Nahost-Konflikt. Später relativierte sie ihre Aussage.
In einer Mitteilung zeigte sich die Biennale-Leitung nun äußerst bestürzt über den plötzlichen Tod von Koyo Kouoh, erinnerte an ihr „außergewöhnliches intellektuelles und menschliches Engagement“ und sprach „all jenen, die mit ihr den Weg der Forschung und des kritischen Denkens über zeitgenössische Kunst geteilt haben, ihr tiefes Mitgefühl und ihre Zuneigung aus“. Auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bekundete ihr Beileid. Zur Todesursache wurden keine Angaben gemacht.
Sauber: Hauptpreis für eine Espressobar
Die zentrale Ausstellung der Architekturbiennale mit dem Titel „Intelligens. Natural. Artificial. Collective“ wurde in diesem Jahr von dem italienischen Architekten und Ingenieur Carlo Ratti kuratiert. Im Zentrum der Großausstellung mit mehr als 750 Teilnehmern: globale Herausforderungen wie der Klimawandel und die Bevölkerungsentwicklung.
Den Goldenen Löwen für den besten Einzelbeitrag gewann das amerikanische Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro (beteiligt war unter anderem noch der Kritiker Aaron Betsky) für das Projekt „Canal Cafe“. Tatsächlich ist es eine der spektakulärsten Installationen auf der Biennale: Am Rand des historischen Hafenbeckens im Arsenale blubbern auf einem Stahlgestell vier Zylinder vor sich hin. Oben wachsen Pflanzen heraus, von unten steigen Blasen auf. Von Trog zu Trog wird das Wasser heller.
Sollte es auch, denn über Schläuche fließt das Wasser weiter zu den Kaffeemaschinen, aus denen die Baristas am Tresen daneben Espresso aufbrühen. „Canal Cafe“ wurde als Gewinner ausgewählt, weil es zeige, wie die Stadt Venedig als Laboratorium funktioniere und gleichzeitig einen Beitrag zum öffentlichen Leben am Wasser, so die Jury unter Vorsitz des Schweizer Kurators Hans Ulrich Obrist.
Den Silbernen Löwen bekam das Professoren-Duo Kate Crawford aus New York und Vladan Joler aus Novi Sad für ihre Grundlagenforschung zu Systemen der kollektiven und künstlichen Intelligenz. „Calculating Empires“ visualisiert, wie sich technische und soziale Strukturen über fünf Jahrhunderte hinweg gemeinsam entwickelt haben.
Der Goldene Löwe für die beste nationale Teilnahme an der 19. Internationalen Architekturausstellung von Venedig geht nach Bahrain für das Projekt „Heatwave“. Nach Meinung der Jury biete der Pavillon eine praktikable Lösung, wie man mit extremen Hitzebedingungen umgehen kann. „Anpassung“ war auch Rattis Schlagwort für die Biennale.
Und der äußerst heiße Wüstenstadt am Persischen Golf teilt anschaulich seine Erfahrungen: Man betritt einen Raum im Arsenale, in dem man sich auf großen Kissen niederlassen kann, um die Technologie zu verstehen, die unter dem Sandboden, in der Metallgitterdecke und in dem verbindenden Röhrensystem im Zentrum steckt. Ein geothermischer Brunnen und ein Solarkamin verteilen kalte Luft im Raum, so erlebt man das geniale Prinzip der passiven Kühlung.
Der Clou: Das Prinzip soll nicht nur in Innenräumen funktionieren, sondern auch draußen. „Ein Beispiel für umweltfreundliches, klimagerechtes Design für Arbeitsräume im Freien in heißen Klimazonen“, lobte die Jury, „für ökologische Verantwortung, soziale Fairness und innovative architektonische Lösungen“. Bahrain konnte den Hauptpreis nach 2010 bereits zum zweiten Mal gewinnen.
„Stresstest“ im deutschen Pavillon
Dagegen hatte der deutsche Pavillon, dem das in der fast 30-jährigen Geschichte der Architekturbiennale noch nie gelungen ist, auch diesmal keine Chance. Dabei war der Ansatz von „Stresstest“ durchaus ähnlich. Doch die Umsetzung leider allzu plakativ, statt praktikabel.
Der Beitrag dreht sich um auch in unseren Breiten häufiger werdende Hitzeperioden und wie sie „Städte, deren Bewohnende sowie die Gesamtheit der Flora und Fauna unter Stress“ setzen. Schon beim Eintritt mahnt ein schwingender Videoglockenklöppel, dass es allerhöchste Zeit wird. Ist es schon das Geläut zum Totengebet?
Denn im Pavillon wird es dramatisch dystopisch. Ein 17-minütiger Film wirft den Blick in die Innenstädte von Berlin, Rom, Madrid, Athen – und dann färbt sich die Sommeridylle langsam von oben im Stil eines Thermofotos ein: rot und röter. Wir sehen Drohnenflüge über versiegelte Metropolen, Betonburgen, Asphalt unter dem Smoghimmel, Fernsehnachrichten zu Hitzerekorden, dazu dräut nur der Soundtrack.
Wir sehen erhitzte müde Gesichter, traurige Kinderaugen, Schweißperlen im Close-up. Dann aber Schnitt: dicke Bäume, Dachgärten, grüne Fassaden, Müßiggang im Schatten und ein Ave-Maria auf die Ohren. Doch die Abkühlung währt nur kurz. Im zweiten Raum bekommt man die Wuthitze des Kuratorenquartetts dann selbst zu spüren.
Per Wärmebildprojektion darf man anschauen, wie einem der Kopf glutrot anläuft, während man unter Infrarotstrahlern steht, die die Sonneneinstrahlung simulieren. Die Aussicht bietet der nächste Raum, wo einige Hainbuchen wie heilige Totems aufgestellt sind und das Dachfenster geöffnet ist, auf dass ein Lüftchen weht. Und ein großes Wanddiagramm zeigt noch ein paar weitere Optionen wie künstliche Verschattung oder hellere Fassaden als temperatursenkende Maßnahmen.
Alles richtig, alles seit Jahren bekannt, alles leider noch viel zu selten umgesetzt. Doch innovative, vielleicht sogar verheißungsvolle Lösungsansätze bleibt der deutsche Pavillon schuldig. Und so bleibt als nachhaltige Erinnerung mal wieder nur ein moralisch hoher Ton.
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