Ohne James Cameron wäre das Kino zweifellos um einige bahnbrechende Arbeiten ärmer. Sein 1984 veröffentlichter Science-Fiction-Kracher "Terminator" verhandelte das Thema Künstliche Intelligenz auf wuchtig-prägnante Weise und machte Arnold Schwarzenegger zu einer Leinwandlegende. Mit "Titanic" (1997) setzte der als perfektionistisch bekannte gebürtige Kanadier neue Maßstäbe im Genre des Katastrophenfilms. Und auch sein esoterisch angehauchtes Zukunftsepos "Avatar – Aufbruch nach Pandora" (2009) um ein durch menschliche Kolonisatoren bedrohtes Alien-Volk namens Na'vi schrieb sich dank beeindruckender, die Möglichkeiten der digitalen Technik gekonnt ausschöpfender Bilder und grandioser Einspielzahlen in die Filmgeschichte ein.
In den letzten 15 Jahren hat sich Cameron fast ausschließlich mit der schillernd-exotischen Welt dieses zu einer Reihe ausgebauten Blockbusters befasst. 2022 erschien die Fortsetzung "Avatar: The Way of Water", die einmal mehr mit einer atemberaubenden Optik auftrumpfen konnte. Besonders die Unterwassersequenzen wirkten dank einer neu entwickelten Performance-Capture-Technik so natürlich und glaubwürdig wie selten zuvor.
Der dritte Film "Avatar: Fire and Ash", der parallel zum zweiten Kapitel gedreht wurde, schließt nun direkt an den Vorgänger an: Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington), der am Ende des Erstlings seinen menschlichen Körper verließ und komplett mit seinem Na'vi-Avatar verschmolz, lebt mit seiner Ehefrau Neytiri (Zoë Saldaña) und seinen Kindern auf Pandora nach wie vor bei dem von Tonowari (Cliff Curtis) angeführten Riff-Clan der Metkayina.
Verlust belastet Beziehungen
An der Familie nagt der Tod von Jacks und Neytiris ältestem Sohn Neteyam (Jamie Flatters) im Kampf gegen Erzfeind Miles Quaritch (Stephen Lang) im Showdown des zweiten Teils. Vor allem Neteyams Bruder Lo'ak (Britain Dalton) macht sich schwere Vorwürfe, wie der auch als Erzähler fungierende Teenager in "Fire and Ash" gleich zu Beginn durchblicken lässt. Gerade weil er versagt zu haben glaubt, kämpft er verzweifelter denn je um die Anerkennung seines Vaters.
Quaritch, der nach seinem Ableben im Finale des ersten Films längst ebenfalls als geklonter Avatar unterwegs ist, plant derweil, Sully endlich zur Strecke zu bringen. Dafür tut er sich mit Varang (Oona Chaplin, Enkelin von Charlie Chaplin) zusammen, der Anführerin des räuberischen Mangkwan-Clans, der auf Pandora hoch oben auf einem aschebedeckten Vulkan residiert.
Wenig verwunderlich setzt James Cameron auch in "Avatar: Fire and Ash" auf pures Überwältigungskino. Schon die ersten Momente, die Lo'aks Schuldgefühle bebildern, sind spektakulär. In "Drachenzähmen leicht gemacht"-Manier saust Jakes Sohn mit seinem toten Bruder Neteyam auf zwei Flugwesen durch die Lüfte. Wie schon beim letzten Mal ziehen auch die Wassersequenzen in den Bann. Die Welt Pandoras erstrahlt in kräftigen Farben und wird mit dem unwirtlichen Rückzugsort des Mangkwan-Stamms um eine bislang unbekannte Facette erweitert. Schade nur, dass "Avatar: Fire and Ash" diesen Schauplatz lediglich kurz ins Blickfeld rückt.
Männer geben Richtung vor
Bei aller visuellen Pracht fällt es dem Film schwer, spannende inhaltliche Akzente zu setzen. Das, was schon in "Avatar: The Way of Water" zu beobachten war, verstärkt sich im Nachfolger nur noch mehr: Mühsam jongliert der auch am Drehbuch beteiligte Cameron mit seinem umfangreichen Figurenensemble und den zahlreichen unterschiedlichen Charakterbögen. Stellenweise fehlt schlicht der Mut, überraschende oder unbequeme Richtungen einzuschlagen. Jakes Adoptivkinder Kiri (Sigourney Weaver) und Miles alias Spider (Jack Champion), der leibliche Sohn Quaritchs, besetzen in der Patchworkfamilie interessante Positionen. Trotz einer Laufzeit von weit über drei Stunden bekommen die beiden jedoch nicht ausreichend Entfaltungsraum.
Überdies verpasst es "Avatar: Fire and Ash", sich stärker von den bislang recht antiquierten Rollenbildern und dem mantraartigen Abfeiern der Tradition zu lösen. Weiterhin sind es die Männer, die die bedeutenden Entscheidungen treffen und sich als die Beschützer der Familie aufspielen. Die Frauen und der Nachwuchs – so sieht es Jake – sollen sich bei Gefahr ein sicheres Versteck suchen. Dass seine Gattin manchmal gegen diese Haltung rebelliert, selbst aktiv wird und rettend eingreift, ist schön. Am Gesamteindruck ändert ihr Verhalten aber wenig. Dass patriarchale Strukturen vorherrschen, zeigt sich am deutlichsten bei Neuschurkin Varang. In einer flirrend-hypnotischen Szene als unberechenbare Manipulatorin stark eingeführt, schrumpft sie schnell zu einer bloßen Stichwortgeberin für ihren breitbeinig auftretenden Partner Quaritch zusammen. Eine echte Verschwendung!
Was den Unterhaltungswert zudem nach unten zieht: Weite Teile des Plots bestehen aus Mustern mit geringer Variation. Figur A wird verschleppt, etwas später befreit. Der große Leinwandrevolutionär James Cameron ist mit seiner "Avatar"-Reihe beim Malen-nach-Zahlen-Prinzip angekommen. Egal, wie viele tolle Bilder er dem Publikum auch serviert. Von einer cleveren, emotional tiefschürfenden Weiterentwicklung ist hier wenig zu sehen.
Avatar: Fire and Ash, im Kino ab: 17.12.2025
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