In seinem Podcast "Männer weinen heimlich" befragt Sebastian Tigges seinen eigenen Vater. Was kann unser Autor von ihm lernen – und was würde sein Vater heute anders machen?

Sebastian Tigges: Würdest Du sagen, dass ich als Dein Sohn Männlichkeit anders lebe als Du?  
Ja, das würde ich. Zunächst einmal setzt das voraus, dass man den Begriff "Männlichkeit" definiert. Ich würde nicht an das Wort "Männlichkeit" anknüpfen. Ich würde sagen, dass Du Deine Vaterrolle anders lebst als ich. Völlig anders. Und das finde ich auch sehr gut und bewundere es. 

Wenn Du auf Dein bisheriges Leben zurückblickst, gibt es etwas, das Du Deinem jüngeren Ich in seiner Rolle als Vater gerne sagen möchtest? 
Ich würde vielleicht schon sagen: "Jung, versuch doch mal, ein bisschen mehr Betonung auf das Familienleben zu legen und dir ein bisschen mehr Zeit zu nehmen." Allerdings muss ich auch sagen, dass ich mich damals als junger Anwalt auch nicht getraut hätte. Wenn ich gesagt habe, dass ich eine Stunde früher gehe, hat mein damaliger Chef das zwar hingenommen, aber für ihn war das eigentlich ein No-Go. Aber rückblickend würde ich zu meinem jüngeren Ich sagen: Versuch's doch mal! Im Extremfall würde ich sogar noch weitergehen. Überleg Dir wirklich noch mal, ob Du tatsächlich Anwalt werden willst, wenn Du weißt, wie es ist. Denn wenn man ein guter Anwalt sein will, ist man zeitlich extrem stark engagiert. 

Was würdest Du sagen, war die größte Herausforderung für Dich als Vater? 
Die größte Herausforderung – und das ist natürlich eine Rückschau – war, meinen Kindern spürbar genug Liebe entgegenzubringen und genug Zeit für sie zu haben. Und ich muss leider sagen: Diese Herausforderung habe ich nicht ganz gemeistert. Das höre ich ja auch von Euch.

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Du meinst, Du hörst von uns den Satz: "Papi, wir haben Dich nie gesehen." Was löst das in Dir aus? 
Das tut mir weh. Es tut mir leid. Aber auf der anderen Seite muss ich für mich sagen: Ich bin in meinem Beruf aufgegangen. Das war für mich Erfüllung. Ich habe diesen Beruf mit Leidenschaft gemacht – und mache ihn im Prinzip bis heute. Der Spagat zwischen einem sehr fordernden Job und dem Familienleben war schwierig. Mit dem Selbstbewusstsein, das man als älterer Mann hat, hätte ich damals sicherlich manches Mal sagen können: "Das hat Zeit bis morgen, ich gehe jetzt nach Hause." Aber als junger, getriebener Anwalt war das für mich nicht so einfach. 

Ich denke häufig, das reicht nicht

Findest Du unser Urteil Dir gegenüber manchmal zu hart? 
Ihr seid da natürlich nicht objektiv – aber auf Eure Perspektive kommt es ja an. Es geht darum, was Ihr erlebt habt mit Euren Eltern, mit Eurem Vater. Wenn dann kritische Sätze kommen wie: "Wir haben Dich nie gesehen", gibt es dafür schon einen Nährboden. Dann bekomme ich nachträglich ein schlechtes Gewissen und frage mich: Hättest Du nicht doch mehr Zeit freischaufeln können? 

Wenn Du andere Väter in Deiner Umgebung siehst, vergleichst Du Dich dann? 
Ja, durchaus. Wenn ich mir meinen Schwiegersohn ansehe, sehe ich einen Mann, der auch einen fordernden Job hat, aber extrem viel für seine Kinder tut. Da habe ich mich schon gefragt: Hast Du das eigentlich auch so geschafft? Und da zweifle ich manchmal. Gleichzeitig denke ich aber auch an unsere gemeinsamen Urlaube. Wir sind viele Jahre als Familie zu sechst in den Urlaub gefahren, und das habe ich immer sehr gerne gemacht. Da haben wir viel miteinander unternommen. Insofern hat es aus meiner Sicht schon ein schönes Familienleben gegeben – es hätte zeitlich nur vielleicht noch etwas mehr sein können. 

Ich habe mal gelesen, es kommt nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der Zeit an. Wie siehst Du das? 
Das tröstet mich natürlich. Ich glaube auch, dass die Qualität gestimmt hat. Aus meiner Sicht auf jeden Fall – und es ist sehr schön, das auch von Dir beziehungsweise Euch zu hören. 

Heute bin ich selbst Vater und kenne den Alltagsstress. Ich glaube, dass als Vater oder Mutter, wenn man sich mit seinen 30- oder 40-jährigen Kindern unterhält, es in der Regel auch Anlass zur Kritik gibt. Ich glaube, es ist vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad wichtig, dass man das mal ausspricht. Wir beide haben das ja vor ein paar Jahren intensiv gemacht. Vor allen Dingen, weil ich nun selbst Vater bin, weiß ich, dass Du immer Dein Bestes gegeben hast. Ich gebe immer mein Bestes bei meinen Kindern. Und zeitgleich denke ich häufig: "Das reicht nicht". Ich glaube, das ist ganz natürlich. Würdest Du Elternschaft rückblickend auch als etwas zuweilen Stressiges bezeichnen?   
Absolut. Wir haben Nachbarn gegenüber, die drei Kinder haben. Die leben im Prinzip das Leben, das wir vor 20, 30 Jahren auch gelebt haben. Und ich habe schon oft zu Mami gesagt: "Ich könnte mir das heute nicht mehr vorstellen." Es ist nur Stress – ständig müssen die Kinder irgendwo hingefahren, abgeholt, begleitet werden. Man hat als Eltern in dieser Phase praktisch keine Zeit für sich selbst. Das ist wirklich anstrengend. Deswegen ist es jetzt auch sehr schön, Großeltern zu sein. Großvater zu sein, ist deutlich entspannter.

Das ganze Gespräch könnt ihr in Sebastian Tigges Podcast "Männer weinen heimlich" hören.

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