Es soll Menschen geben, die haben seit November 1987 Angst vor dem Advent. Nicht, weil da der Grinch kommt oder der Knecht Ruprecht oder der Krampus. Sondern Rolf Zuckowski. Im November 1987 fand bei Thomas Gottschalk vor 20 Millionen Menschen die Uraufführung eines Kinderliedes statt, ohne das es seitdem vor Weihnachten ziemlich still wäre über den Backblechen und in den Kindergärten dieser Welt.
„In der Weihnachtsbäckerei“ heißt es. Und löst seitdem bei allen Mitgliedern des ziemlich großen Clubs der von Rolf Zuckowski Gequälten heftige körperliche Reaktionen aus.
Keine Grundschulweihnachtsfeier, kein Musikschuladventskonzert ohne Mehl, Milch, Knilch. Gesungen, als Mini-Oper nachgestellt, gespielt von fünf Blockflöten. Es ist der Horror. Kinder sollen ihre Eltern mit der Drohung erpresst haben, dass sie erst aufhören würden, Zuckowski zu singen, wenn ihnen im Gegenzug Berge von Schokolade überreicht werden.
Das musste jetzt mal raus. Wir dachten eigentlich, dass es schlimmer nicht kommen könnte als mit besagten fünf Blockflöten. Leider schreitet die Kanonisierung popmusikalischer Phänomene munter voran.
Das kann gut gehen wie mit der Aufnahme von Tom Tykwers „Babylon Berlin“-Musik in den hehren Kreis der höheren Klassik, wie unlängst geschehen in „Opium“, dem fabelhaften neuen Album des Cellisten Eckart Runge. Oder aber zu Lang Langs Einspielung von Rolf Zuckowskis musikalischer Kleckerei führen. Immerhin für die Deutsche Grammophon, das Gelblabel, den Aufnahme-Tempel der klassischen Musik.
Eine Bizarrerie, die so klingt, wie die Kekse aussehen, die bei uns unterm Weihnachtsbaum besonders gern auf den bunten Teller liegen.
Das Rezept dieser Kekse ist einfach und braucht keiner zu verstecken. Man rührt einen langweiligen Teig zusammen. Sozusagen ein C-Dur aus Mehl und Butter und Zucker und Ei. Das kommt dann in den Ofen. Und anschließend wird an Verzierung draufgeknallt, was die Backregale so hergeben. Perlen, Sternchen, Blümchen. Silbern, golden, glitzernd, rot, blau, grün. Dann kommt noch der bunte Lebensmittelfarbmaler zur Verwendung.
Peter Schindler, der für Lang Lang die Weihnachtsbäckerei für Klavier dekoriert hat, ist ungefähr genauso vorgegangen. Triller hat er über den trüben Teig in C-Dur gekippt, dass Amadeus seine helle Freude gehabt hätte. Dann stampft es auf, als ärgerte es sich, dass es für Schumanns Album für die Jugend fast zwei Jahrhunderte zu spät kam.
Weihnachten wie bei den Hoppenstedts
Schindler hat alles getan, musikalisch doch eher fade Leckerei aufzuhübschen. Lang Lang, der ja immer wirkt wie das groß gewachsene Kind der Familie Hoppenstedt, exekutiert das, als wäre es feines Dresdner Konfekt und legt es ohne seine sonst manchmal enervierenden Manieren zügig auf die Teller. Auf dem Foto zur Aufnahme sitzt Lang Lang an einem klitzekleinen weißen Flügel. Der könnte kommendes Jahr als Lebkuchenbausatz bei Lidl ein Hit werden.
Wer nun losrennt, um sich beim Musikalienhandel seines Vertrauens mit Lang Langs „Piano Book 2“ einzudecken, seinem neuen Album der 32 Süßigkeiten, kann sich den Spurt schenken. Da sind zwar auch diverse Bizarrerien drauf zwischen Bach-Präludium und Anime-Soundtrack, Saties Musique pour ameublement und Musik zur Möblierung von Videospielen. Adolphe Adams „O Holy Night“ ist das Weihnachtlichste darauf. Rolf Zuckowski wird erst in Lang Langs dritte Pralinenschachtel gelegt. Vielleicht.
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