Woran denken Sie, wenn Sie den Namen Goya hören? Ist schon 'ne Weile her, eher dunkel, Spanien, aus dem Rokoko direkt in die Romantik? Dann sind Sie gut! Wer sich intensiver für den Künstler interessiert, der mit seinen Motiven auch im Jetzt malen könnte, schaut in den einzigartigen Bildband "Goya".
Was wäre Goya heute wohl für ein Typ? Ein Journalist mit künstlerischem Background, ein Forscher, ein Politiker vielleicht? 80 rätselhafte Radierungen waren es jedenfalls, mit denen Francisco de Goya 1797 begann, seinem Schaffen eine radikale Wendung gab, weltberühmt wurde. Unter dem Namen "Caprichos", spanisch für "Launen", wird die erwähnte Sammlung des königlichen Porträtisten, Hofmalers und Ehrenmitglied der Akademie der Künste bekannt. Sein Werk wirkt lange nach - bis in unsere heutige Zeit.
"In den 'Caprichos' spiegelt Goya eine Gesellschaft, die aus den Fugen geraten ist, geprägt von Lastern, Eigennutz und Betrug." Kommt Ihnen bekannt vor? "Neben Adeligen, Mönchen und Richtern spuken Ausgestoßene, Verrückte, Prostituierte, Monster und Fabelwesen durch die Bilder, ihre Gesichter meist angstvoll und schmerzverzerrt. Es ist ein Horrorkabinett der Dummheit, der Willkür und des religiösen Wahns." Kommt Ihnen ebenfalls bekannt vor? Das schreibt Jochen Pioch im Magazin "Geo Epoche" vor über zehn Jahren. Doch damals kamen einem diese Gestalten weiter weg vor als heute.
Wunder schaffen
1797: Goya war von einer Krankheit genesen, die ihn fast das Leben gekostet hätte - kein Wunder also, dass er nicht allzu gut gelaunt ist. Mit scharfem Blick und Erfindungsgabe erfasste er in seinen Druckgrafiken die Seele Spaniens in dieser bewegten Zeit. Die nun bei Taschen erschienene, vollständige Sammlung seiner 287 Radierungen und Lithografien offenbart das Werk eines Künstlers um die Jahrhundertwende, der vor den Abgründen menschlicher Torheit, Heuchelei, Gewalt und Macht nicht zurückschreckte. "Phantasie ohne Vernunft führt zu Ungeheuerlichkeiten; vereint aber bringen sie wahre Kunst hervor und schaffen Wunder", das war seine Überzeugung im Jahre 1799.
Francisco de Goya, einer der innovativsten Maler und Grafiker des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, hat Radierungen und Lithografien hinterlassen, die als Meisterwerk der modernen Druckgrafik gelten. Zu Beginn seiner Laufbahn, gleich nach seiner Ausbildung in Spanien und Italien, wurde er zum ersten Hofmaler Karls IV. ernannt. In seinen Werken brachte er die fortschrittlichen Ideen der Aufklärung in einen spannungsgeladenen Dialog mit der brutalen Realität seiner Zeit.
Ob in Einzelblättern wie dem erschütternden "Der Garrottierte" oder dem erhabenen "Der sitzende Gigant" oder in seinen berühmten Serien - den bereits erwähnten satirischen "Caprichos", den schonungslosen "Desastres de la Guerra", der dynamischen "Tauromaquia" und den albtraumhaften "Disparates" - Goya hielt sowohl Licht als auch die Schatten einer Welt im Umbruch fest, in der das Individuum häufig Opfer von Gewalt, Aberglauben oder der herrschenden Macht wurde.
Eine Klage in Kupfer
Fröhlich ist das nicht gerade, denn seine Werke waren nicht nur Reflexionen über die spanische Gesellschaft, es waren Anklagen, Meditationen und Warnungen, eingraviert in Kupferplatten. Die herausragende Sammlung von 287 Radierungen und Lithografien, die José Manuel Matilla und Anna Reuter zusammengefasst haben, vereint Goyas gesamtes druckgrafisches Werk, darunter Ausgaben, die unter seiner direkten Aufsicht entstanden, sowie seltene Zustandsdrucke aus nicht veröffentlichten Serien.
Die AutorInnen dieses monumentalen Bildbands haben sich wahrlich ins Zeug gelegt: Anna Reuter promovierte an der Philipps -Universität Marburg in Kunstgeschichte. Sie wirkte an zahlreichen spanischen und internationalen Ausstellungsprojekten sowie an wissenschaftlichen Publikationen zur europäischen und spanischen Kunst mit. Als freie Wissenschaftlerin forscht sie über Francisco de Goya und die Zeichnungen der Alten Meister.
José Manuel Matilla ist Leiter der Grafischen Sammlung des Prado. Zuvor koordinierte er die Aktivitäten der Calcografià Nacional de la Real Academia de Pellas Artes de San Fernando in Madrid. Seinen Forschungsschwerpunkt bilden Zeichnungen und Druckgrafiken Goyas sowie Kupferstiche des 17. Jahrhunderts.
"Goya" bietet einen außergewöhnlichen Einblick in die Experimentierfreude des Künstlers und in seine Kontrolle über den Druckprozess. Mit detaillierten Kommentaren zu jeder Druckgrafik und profunden Essays von Matilla und Reuter ist dieser Band die Krönung von mehr als zwei Jahrhunderten wissenschaftlicher Forschung und eine eindringliche visuelle Erzählung.
Aktuell wie lange nicht mehr
Goya hat die Welt nicht einfach nur dargestellt, er hat sie seziert und die Spannungen zwischen Vernunft und Wahnsinn, Gerechtigkeit und Grausamkeit, Hoffnung und Verzweiflung offengelegt. Goya ist nicht einfach nur ein Künstler aus dem fernen 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert - Goya ist leider höchstgradig aktuell und hält uns einen Spiegel vor, von dem wir uns gewünscht hätten, dass wir ihn nie wieder aus der Schublade ziehen müssen.
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