Frau Jung, auf Netflix war der Erotikthriller "Fall for Me" mit Ihnen in der Hauptrolle wochenlang in vielen Ländern ganz oben in den Charts, jetzt spielen Sie in der neuen ARD-Serie "naked" mit, in der es um Sexsucht und Co-Abhängigkeit geht. Haben Sie keine Angst, auf Erotikrollen reduziert zu werden?
Ich glaube nicht, dass ich darauf festgelegt werde, dafür mache ich zu viele andere Projekte. Gerade hat "Ein Mann seiner Klasse" den Deutschen Fernsehpreis gewonnen, da spiele ich eine Hauptrolle, ganz ohne Erotik. Aber natürlich habe ich durch "Fall for Me" viel Aufmerksamkeit bekommen. Und Nischen sind an sich nichts Schlechtes.
Was hat Sie bei "naked" an der Rolle der Marie, die sich in den sexsüchtigen Luis verliebt und in eine Co-Abhängigkeit gerät, gereizt?
Als ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen habe, war ich wie in einem Sog und konnte nicht mehr aufhören. Die Autorin Silke Eggert hat selbst Erfahrung mit Co-Abhängigkeit gemacht, hat Sexsucht in ihrem Umfeld erlebt. Das merkt man der Serie an, dass sie aus dem echten Leben inspiriert ist. Eine Serie wie "naked" erwartet man nicht in der ARD-Mediathek. Ich finde sie sehr mutig und roh und gleichzeitig zart und voll von Empathie.

In "naked" sind sehr viele Sexszenen zu sehen, wie haben Sie die Dreharbeiten erlebt?
Wir haben insgesamt 35 intime Szenen gedreht und ich habe davon 12 gedreht. Mir war es ganz wichtig, dass wir Vertrauen zueinander haben und loslassen können. Das ist generell beim Spielen wichtig, nicht nur bei diesen Szenen. Je intensiver eine Szene ist, desto mehr brauche ich das Lustige am Set, auch um den Körper durchzuschütteln. Ich hatte so viele Lachkrämpfe! Bei den Liebesszenen mit mir und Noah Saavedra, der den Luis spielt, war natürlich immer auch der Kameramann dabei. Und der liegt dann zwischen uns und ich muss ihn festhalten, damit er filmen kann, und stöhne ihm ins Ohr. Wir haben uns kaputtgelacht! Es war eine Leichtigkeit am Set, die uns bei diesem schweren Thema Sucht geholfen hat.
Gibt es eine Szene, die Sie als besonders provokant empfinden?
Gleich der erste Sex zwischen Marie und Luis ist sehr provokant, da er nicht ganz einvernehmlich geschieht. Marie findet das im Nachgang hot, aber ihre Freundin sagt ihr, dass es eine Vergewaltigung gewesen sei. Schon bei dieser ersten intimen Begegnung stellt sich die Frage nach Grenzen und Grauzonen. Das sagt viel über diese Beziehung aus. Die Serie hat sehr viele provokante Momente, auch weil der Sex irgendwann zur Qual wird. Am Anfang lockt die Erotik vielleicht noch an, aber spätestens ab der zweiten Folge sieht man, dass es ihnen nicht guttut.

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Empfinden Sie die Sex-Szenen als voyeuristisch?
Nein, weil sie aus den Figuren heraus entstanden sind und einen dramaturgischen Wert haben. Die intimen Szenen erzählen etwas über die Beziehung der beiden, über Macht und Verletzlichkeit.
Sie haben in Ihrer Karriere viel Erfahrung mit Nacktszenen gesammelt. Kostet es Sie noch Überwindung, sich für die Kamera auszuziehen?
Es kostet immer Mut, sich vor der Kamera nackt zu machen, auch wenn es rein emotional ist und man zum Beispiel ausrasten oder weinen soll. Dafür muss man eine gewisse Scham überwinden. Mittlerweile habe ich einen entspannten Umgang mit Nacktszenen. Das liegt auch daran, dass ich Leistungstänzerin war, für mich sind die sexy Szenen wie tanzen. Weil es eine feste Choreografie gibt: Man fasst sich da an, dann passiert das, dann gibt's einen kleinen Improvisationsteil, man wird vielleicht hochgehoben – dadurch habe ich einen anderen Zugang dazu.
Und diese Choreografien werden mit Intimitätskoordinatoren erarbeitet?
Ja, dadurch hat sich viel verändert. Als ich angefangen habe, waren Sexszenen noch sehr viel schambehafteter. Es wurde kaum darüber gesprochen, sie wurden fast nicht als Teil des Narrativs gesehen. Im Film "Fucking Berlin" zum Beispiel habe ich eine Prostituierte gespielt. Natürlich gab es da auch Sexszenen, um ihre Geschichte zu erzählen. Aber die müssen Sinn ergeben. Eine Sexszene, einfach nur um Haut zu zeigen und Erotik im Film zu haben, mache ich nicht. Das finde ich völlig unnötig. Bei "Fucking Berlin" war es logisch – aber trotzdem waren die damals nicht durchchoreografiert, weil es noch kein Bewusstsein dafür gab. Das kam in Deutschland erst lange nach #MeToo an. Mit Intimitätskoordinatoren habe ich immer eine Person am Set, die mich schützt.
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Inwiefern?
Mit ihnen kann ich besprechen, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich mal einen schlechten Tag habe oder auch zu etwas Nein sagen möchte, das anders abgesprochen war. Dann wird nach Lösungen gesucht.
Was würden Sie jungen Schauspielerinnen raten, die Drehbücher mit Nacktszenen angeboten bekommen: Auf was müssen sie achten?
Das Wichtigste ist das Drehbuch: Wenn das Buch schlecht ist, wird der Film nicht gut. Und man sollte sich darüber bewusst sein, dass Film bleibt. Egal wie lange es her ist, es wird dann immer diese Nacktszenen von dir geben, die werden abrufbar sein. Als ich 20 war, habe ich mir darüber noch nicht so viele Gedanken gemacht. Zum Glück kann ich im Nachhinein alle meine Filme noch vertreten. Das sind gute Szenen, die gerechtfertigt waren.
Und auf was noch?
Man sollte auf eine Intimitätskoordinatorin am Set bestehen und nichts tun, worauf man keine Lust hat oder wozu man sich gezwungen fühlt.
Haben Sie schon mal Grenzen bei einem Dreh gezogen?
Es gab eine Situation, da war ich vielleicht um die 20, die ist mir sehr im Gedächtnis geblieben. Im Drehbuch stand, dass eine Liebesszene angedeutet wird, aber am Set sollte ich dann plötzlich eine krasse Sexszene spielen. Dagegen habe ich mich gewehrt, weil ich es auch nicht verstanden hab. Ich bin heute noch stolz auf mich, weil ich damals noch nicht so viel Erfahrung vorzuweisen hatte, mich aber beim Dreh am Set durchgesetzt habe. Da denke ich mir im Nachgang: Hey, Svenja – das hast du sehr gut gemacht!
Die ARD/WDR-Serie "naked" ist ab dem 2. Oktober in der ARD-Mediathek zu sehen, sechs Folgen.
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