Der Weltraum, undendliche Weiten. So ist das aus dem Fernsehen bekannt. Die Milliardäre Elon Musk und Jeff Bezos wollen das in die Realität umsetzen - und zum Mars fliegen. Wenn das keine Steilvorlage für "Känguru"-Autor und Multitalent Marc-Uwe Kling ist. Zusammen mit Zeichner Bernd Kissel lässt er in "Elon & Jeff on Mars" (Leseprobe) die beiden Figuren Elon Tusk und Jeff Jezos auf dem roten Planeten aufeinanderprallen. "Ich finde das so absurd, dass die beiden reichsten Typen auf dem Planeten Raketenfirmen gründen und zum Mars wollen", sagt Kling im Interview mit ntv.de. Dabei wäre es doch günstiger, erstmal die Erde zu retten - und spricht über das Problem des Überreichtums und den "Digital Independence Day".
ntv.de: Kann ein Milliardär sympathisch sein?
Marc-Uwe Kling: Auf privater Ebene sicherlich. Elon Musk und Jeff Bezos sind es auf jeden Fall nicht. Und ich würde sagen, systemisch ist jeder Milliardär ein Problem.
Können Sie sich vorstellen, mit einem Milliardär ein Bier trinken zu gehen?
Ich würde mich auch mit Musk oder Bezos treffen. Ich bin sehr neugierig, wie die ticken. Ich habe viel über sie gelesen, aber es ist doch etwas anderes, wenn man sie trifft. Ich habe da viele Fragen.
Zum Beispiel?
Eine große Frage ist: Wenn man sich zum Ziel gesetzt hat, den Mars lebenswert zu machen, dann ist das sehr teuer. Günstiger wäre es, diesen Planeten, die Erde, lebenswert zu halten. Warum ist das nicht unsere erste Strategie?
Die Figuren Jeff Jezos und Elon Tusk entstanden in den täglichen "Känguru"-Strips. Wie kam es dazu?
Als sie zum ersten Mal in den "Känguru"-Comics auftauchten, waren die beiden wieder einmal groß in den Nachrichten. Ich finde das so absurd, dass die beiden reichsten Typen auf dem Planeten Raketenfirmen gründen und zum Mars wollen. Da steckt doch irgendwas dahinter, das ist doch nicht gottgegeben.
Vielleicht, weil die Erde schon komplett entdeckt ist?
Oder weil sie als Kinder zu viel Science-Fiction gelesen haben und immer noch in einer pubertären Phase feststecken.
Jeff Bezos, aber vor allem Elon Musk als Berater von Donald Trump waren und sind stark in den Medien vertreten. Gab es einen Moment, wo die Absurdität der Realität den Comic eingeholt hat?
Diese Gefahr bestand immer. Zum Glück ist der Comic aber schon sehr absurd und hat ein Ende, das immer noch gut funktioniert. Aber wir haben ein paar Updates gemacht und immer wieder neue Entwicklungen aufgenommen, damit der Band aktuell bleibt. Musk etwa hat sich krass verändert, das war eine Herausforderung. Ich würde aber behaupten, dass er im Comic noch nie eine Sympathiefigur war, sondern schon immer kritisiert worden ist. Diese Kritik hat nun noch zugenommen.
Sie schreiben Bücher, Hörbücher und Podcasts, arbeiten als Regisseur und machen Musik. Woher kommt die ganze Produktivität?
Ich bin getrieben von den Ideen. Wenn ich eine Idee habe, die mich interessiert, dann verfolge ich sie bis zum Ende. Das führt mich oft in ein neues Genre oder auf ein neues Kunstgebiet. Es macht mir Spaß, das zu entdecken. Und es macht mir sehr viel Spaß, zu schreiben. Es ist für mich das schönste Hobby. Schon in der Schulzeit habe ich Kurzgeschichten, Figuren und Drehbücher geschrieben. Ich wollte das schon immer machen.
Welche Schriftsteller, welche Comics haben Sie beeinflusst?
Am wichtigsten für mich ist der Strip "Calvin und Hobbes" von Bill Watterson - den liebe ich immer noch. Aber ich habe auch Comics von Alan Moore gelesen oder später auch "Maus" von Art Spiegelman, eigentlich alles, was ich in die Finger bekommen habe. Zu "Elon und Jeff" oder auch meinen "Qualityland"-Romanen habe ich auch viel Science-Fiction gelesen, vor allem Sachbücher. Und ich bin ein großer Fan des Autors Kurt Vonnegut. Er schafft es sehr gut, schwere Themen leicht zu präsentieren. Ein Buch, das mich sehr geprägt hat, war auch "1984" von George Orwell - ein monumentales Werk, das fast täglich relevanter wird.
In den "Känguru-Chroniken" ist das Känguru sehr politisch angelegt. "Elon und Jeff" ist im Grunde ein kapitalismuskritisches Buch. Ist das bewusst gewählt?
Ich weiß nicht, wie man in der heutigen Zeit etwas Relevantes schreiben kann, ohne auf diese Themen einzugehen. Es ist mir einfach ein Bedürfnis, etwas dazu zu sagen. Musk und Bezos beherrschen die Welt und wenn ich ihnen satirisch ans Bein pinkeln kann, dann mache ich das.
Wo sehen Sie die größten Probleme derzeit?
Um beim Comic zu bleiben: Ich glaube, dass der Überreichtum von Milliardären wie Musk und Bezos unsere Demokratie gefährdet. Sie kaufen Twitter oder die "Washington Post" und besitzen plötzlich so viel Meinungsmacht. Das ist ungesund für eine demokratische Gesellschaft. Dann gibt es Milliardäre, die ihr Geld mit Kohle, Öl oder Gas machen und seit Jahrzehnten die Klimakrise leugnen. Sie verhindern, dass wir den Planeten retten.
Welche Folgen sehen Sie in diesem Überreichtum?
Ein Problem, das historisch immer wieder eine Rolle spielt, ist das wachsende soziale Gefälle. Damit verliert eine Gesellschaft ihren sozialen Zusammenhalt. Das erleben wir jetzt unter dem Schlagwort der wegbrechenden Mitte. Das wiederum hängt damit zusammen, dass die Überreichen ihren Beitrag nicht leisten. Und dann spricht der Kanzler über Sparmaßnahmen beim Sozialstaat, dabei ist das die denkbar schlechteste Variante. Über die Parteien hinweg, von der AfD bis in Teile der SPD hinein, gibt es ein neoliberales Dogma, das höhere Steuern verteufelt. Dabei brauchen wir Steuern auf Vermögen, auf Finanztransaktionen und ein Ende der Schlupflöcher in der Erbschaftssteuer. Die überreichen Leute müssen und können ihren Beitrag leisten, um uns aus den multiplen Krisen rauszuholen, in die wir geraten sind, weil die Politik immer die Reichen hofiert hat.
Vermissen Sie einen Aufschrei gegen solche Ungerechtigkeiten?
Diesen Aufschrei gibt es, er muss nur größer werden, er braucht ein Megafon. Dieses Megafon ist aber in der Hand diverser Milliardäre und ihrer Medien. Sie haben in den seltensten Fällen Lust, mehr Steuern zu zahlen. Also haben wir ein systemisches Problem.
Sie haben zuletzt zur Initiative "Digital Independence Day" aufgerufen. Worum geht es dabei?
Menschen sollen jeden ersten Sonntag im Monat einen digitalen Unabhängigkeitstag feiern und sich von den großen Tech-Konzernen lösen. Zum Beispiel könnte man von Whatsapp zum Messenger Signal wechseln, weil Meta-Chef Mark Zuckerberg den Faschismus in den USA hofiert. Oder man wechselt die Suchmaschine, von Google zu Ecosia. Das sind individuelle Lösungen.
Reicht das denn?
Am Ende brauchen wir eine strukturelle Lösung. Wir müssen EU-weit die Zerschlagung der großen digitalen Plattformen erzwingen und den Wettbewerb wiederherstellen. Momentan ist es sehr schwer, neue soziale Plattformen aufzubauen, weil der Netzwerkeffekt die Leute in den alten Plattformen hält. Das ist aber nichts Naturgegebenes.
Also eine Plattform, auf die Nachrichten aus allen möglichen Quellen einlaufen?
Genau. Das ist technisch möglich und ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, um wieder ein faires Umfeld zu schaffen. Mein Beispiel sind immer Podcasts, die über RSS-Feeds funktionieren. Man lädt eine neue Folge nicht bei jeder Podcast-App einzeln hoch, sondern meldet sich einmal an und die jeweilige App wird dann nur noch informiert, dass es eine neue Episode gibt. Das könnte auch für soziale Medien funktionieren.
Solche RSS-Reader gab es früher auch schon.
Und es gibt sie immer noch. Wir wurden aber Stück für Stück in diese sozialen Plattformen eingesperrt. Diese verhindern mittlerweile Links, die aus der Plattform herausführen. Die Menschen sollen möglichst viel Zeit auf der einen Plattform verbringen.
Was würden Sie Eltern raten, wie sie ihre Kinder zu einem kritischen Umgang mit sozialen Netzwerken erziehen können?
Australien erlaubt jetzt soziale Medien erst ab 16 Jahren - und ich finde das richtig. Wir Erwachsenen erleben, wie süchtig das macht und dass wir uns kaum dagegen wehren können. Wir sollten das unseren Kindern nicht antun. Ich empfinde es aber als unfair, diese Diskussion den Eltern einzeln zu überlassen. Ich glaube, wir brauchen eine klare gesellschaftliche Regel. Wenn der Staat das vorgibt, wie jetzt in Australien, dann muss nicht jedes Elternteil einzeln den Streit mit dem Kind führen.
Sind Sie auch gegen Smartphones an Schulen?
Auf jeden Fall.
Mit Marc-Uwe Kling sprach Markus Lippold.
Kling tourt in den kommenden Monaten durch Deutschland. Alle Termine gibt es hier.
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