So gegen 22.15 Uhr bekommt man das erste Mal das Gefühl, dass es Richtung Zielgerade geht. Sasha brummt mit etwas zu tiefer Stimme "Nachts, wenn alles schläft" und nach 120 Minuten Frontal-Unterricht in deutscher Schlagergeschichte würde so mancher vielleicht genau das jetzt gern tun – schlafen gehen nämlich.
Das hieße aber, noch eine ganze Stunde vom großen Carpendale-Karussel zu verpassen, und das wäre doch auch irgendwie schade. Wollt ihr nochmal rückwärts? Unbedingt, so hätte die bis unters Dach gefüllte Dortmunder Westfalenhalle ganz sicher geantwortet.
Dabei hatte die "Giovanni Zarrella Show" schon so flitterhaft-fulminant begonnen, wie andere Formate ähnlichen Kalibers erst aufhören, mit ordentlich Konfetti, Lichtgewitter, Pyros, dass es nur so kracht. Der Anlass war ja auch entsprechend großkalibrig, stand mit Howard Carpendale doch einer der profiliertesten Hitgiganten im Mittelpunkt. 180 Minuten waren zeitlich entsprechend geräumig veranschlagt, eine Art Gottschalk-Extratime von vornherein miteingepreist.
"Drei Bratwurst, dreimal Bratkartoffeln!"
Dafür ging es dann aber auch Schlag auf Schlag. In kurzen Einspielern führte der Weg zurück an die Quelle. Der junge Carpendale war da zu sehen, mit dem schönsten Klappscheitel der Pophistorie und einem lila Einteiler zum Dahinschmelzen, getoppt nur noch von den größten Hemdkragen seit Liberace.

"Durch meine Augen" Howard Carpendale: "Ich war in einer ziemlich gefährlichen Situation"
Ebenso Dieter Thomas Heck, den Atze Schröder später mit solidem Wiedererkennungswert imitierte. Und außerdem noch, als Zeitzeuge quasi, zu berichten wusste, was der Heck einst in der ZDF-Kantine zum Frühstück bestellte: "Drei Bratwurst, dreimal Bratkartoffeln!". Wie hieß es in der Hitparade noch gleich? Dreimal dabeigewesen, bitte nicht wiederwählen. Mahlzeit!
Heck hätte seine Freude gehabt, soviel steht fest, kam es hier doch zum Treffen der Schlager-Generationen. Alexander Klaws, die Oktaven-starke Musical-Maschine, schwang das Bein so zackig wie einst Jacko, Kerstin Ott zitierte Howie und Sam Cooke, Sasha ließ sich seine erste Single signieren und Ben Zucker holte den sonoren Rauhreif aus der Kehle.
Howard Carpendale und Ireen Sheer
Zwischendurch gab es immer mal wieder Smalltalk mit illustren Gästen, der zum Teil Erstaunliches zutage förderte: Howie war in Ireen Sheer verknallt. Oder war es umgekehrt? Auf jeden Fall mussten die beiden einst im "Blauen Bock" aufgrund eines Texthängers freestylen, was wiederum Heinz Wäscher, Verzeihung, Heinz Schenk, wohl ziemlich auf die Palme brachte.

Giovanni Zarrella Er will endlich wie echtes Italien klingen
Auch schön: Die Leiterinnen des Carpendale-Fanclubs nutzten einst ihr Hoheitswissen, um den heimischen Ehegatten das After Shave ihres Lieblingssängers unterzujubeln. Und so sehr Carpendale auch Sohn Wayne unterstützte, förderte, motivierte – eines musste der Filius ihm versprechen: Er möge bitte aufs Singen verzichten.
Herzlich willkommen war er nichtsdestotrotz, ebenso wie Wencke Myhre, die Joe, den ollen Kniegrabscher immer noch so charmant in die Schranken verwies, wie damals, als Schlager-Deutschland den skandinavischen Stars und Sternchen – "Vielleicht wegen unseres süßen Dialekts!" – den roten Teppich ausrollte.
Giovanni Zarrella plädiert für Willkommenskultur
Deutsche Willkommenskultur, da wurde Zarrella, der Tausendsassa, kurz politisch: "Dies ist und sollte ein Land bleiben, in dem alle willkommen sind." Auch Howard Carpendale schlug später noch kurz in die politische Kerbe und zitierte – warum war die eigentlich nicht da? – die gute Nicole: "Wir alle wollen nur ein bisschen Frieden. Ein paar alte Männer haben was dagegen", beklagte er und fügte hinzu: "Das ärgert mich ungemein."
Anlass zum Ärgern gab es sonst kaum, im Gegenteil, die Show bot sogar noch, laut Zarrella, "einen der schönsten Momente der TV-Geschichte": Der Jürgen, der Drews, um es mal mit Heck zu sagen, tat das, was auch Howard Carpendale schon einmal – und zwar genau einmal, wie er betonte – tat: Er machte einen Rückzieher vom Rückzug und vollzog hier nun, in adäquat festlichem Rahmen, sein Comeback.
Grauer Anzug, weißes Hemd, die langen Haare beinah tadellos frisiert, kurzum: Als wäre er nie weg gewesen. Wer die Bilder vom Oktoberfest gesehen hat, Jürgen und Ramona, die schwere Maß stemmend, der ahnt: Da kommt wieder einiges auf uns zu.
O'zapft is – Bier, Schweiß und Promis auf der Wiesn

War sonst noch was? Ach ja, Thomas Herrmanns und das schöne Musical, mit Melodien, die man hoffentlich noch singt, so Carpendale mit glänzenden Augen, "wenn ich längst nicht mehr da bin". Paul Young, dessen "Come Back And Stay" nicht einen Tag gealtert scheint, Beatrice Egli, Nik P und Gregor Meyle, noch ein Song, noch ein Superlativ, noch ein Evergreen, mit "Ein neuer Tag" sogar noch ein neuer Song.
Nach drei Stunden war die Party vorbei, zum Finale gab es, was sonst, "Ti Amo", dazu Klatschen auf 1 und 3 und Standing Ovations. Es endete, wie es begann: mit Konfetti, Lichtgewitter, Pyros.
Nachts, wenn alles schläft. Jetzt aber wirklich.
- Howard Carpendale
- Giovanni Zarrella
- Dieter Thomas Heck
- Sasha
- Ireen Sheer
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