Die Drehbuchautorin Tricia Cooke und ihr Ehemann, der Regisseur Ethan Coen, nennen die Filmreihe, die sie 2024 mit „Drive-Away Dolls“ begannen und jetzt mit „Honey Don’t“ fortsetzen, „lesbian trilogy“. Im Deutschen ist stattdessen immer von einer „queeren“ Filmreihe die Rede, als hätte das Wort „lesbisch“ nicht einen deutlich eingeengteren Bedeutungshorizont und als gäbe es in Deutschland nicht mindestens eine sehr prominente lesbische Frau, die sich ausdrücklich dagegen verwahrt, queer genannt zu werden.
Beim Wort „queer“ denkt man heute einerseits an sich besonders schrill gebende LGBT-Personen, andererseits vor allem an Menschen, die behaupten, „Frauen“ oder „Männer“ zu sein, obwohl ihre Chromosomen etwas anderes anzeigen. Solche Menschen sind in „Honey Don’t“ nicht vertreten. Die Detektivin Honey O’Donahue ist in einem ganz eindeutigen Sinne des Wortes lesbisch, und im Kleid sieht sie geradezu aus wie die Karikatur einer „Tradwife“-Frau. Ausgesprochen untraditionell ist allerdings die Hemmungslosigkeit, mit der sie ihre libidinösen Bedürfnisse auslebt. Wenn Honey jemand wäre, der glaubt, Therapie könnte ihr helfen, dann wäre bei ihr wohl schon Sexsucht diagnostiziert worden.
Es fällt allerdings schwer, sich diese Frau auf einer Psychiatercouch anders vorzustellen, als in einer Situation, in der sie nach kurzer Einleitung knallhart die Psychiaterin vögelt – einmal sieht man Honey dabei, wie sie hingebungsvoll nach Gebrauch ihre Dildos und andere einschlägige Gerätschaften mit der Geschirrspülbürste in Pril-Lauge reinigt. Sie ist das, was man im klassischen Detektivfilm „hard boiled“ nannte. Knallhart, aber unter der rauen Schale mit einer versteckten Weichheit für diejenigen, die wirklich Schutz benötigen.
In „Honey Don’t“ ist das die Tochter ihrer Schwester. Sie schützt den rebellischen Teenager erst vor ihrem gewalttätigen Freund und will dann verhindern, dass das Mädchen Opfer eines Serienkillers wird. Hilfreiche Informationen aus dem Inneren des Polizeiapparats bekommt sie dafür von dem etwas einfältigen, in sie verliebten Chef der Mordkommission (Charlie Day) im kalifornischen Bakersfield und Mordermittler und der Polizistin MJ (Aubrey Plaza), eine ihrer Geliebten.
Obendrein muss Honey feststellen, dass mehrere ihrer Klienten Morden bzw. deren Kontaktpersonen Morden zum Opfer gefallen sind, die etwas mit den Aktivitäten eines äußerst dubiosen Sektenführers (Chris Evans) zu tun haben. Dieser wiederum nutzt seine Kirche nicht nur, um Drogen für ein französisches Importsyndikat zu verteilen („The French are not happy“ ist ein Satz, auf den in diesem Film immer Tote folgen), sondern auch, um junge Anhängerinnen erotisch auszubeuten. Im Grunde ist er ähnlich sexsüchtig wie Honey. Aber die beiden kommen natürlich nicht nur deshalb nicht zusammen, weil sie Frauen bevorzugt. Einmal sagt sie ihm, sie bevorzuge ihren Dildo, weil da kein „Creep“ dranhängt.
Das Ganze spielt in einem Kalifornien, das aussieht wie das Texas von „No Country for Old Men“ oder „Blood Simple“, zwei Filmen, die Ethan Coen noch mit seinem Bruder Joel gedreht hat. Man nennt die Atmosphäre solcher Geschichten „Southern Gothic“ – eine Fantasiewelt voller „sinnloser Gewalt“ und „dunkler Alpträume“ (so die Schriftstellerin Ellen Glasgow), in der die dunkle Romantik des amerikanischen Südens regiert. Hochkulturblüten dieses Genres sind manche Stücke von Tennessee Williams und Romane von William Faulkner.
Von Hochkultur könnte „Honey Don’t“ allerdings kaum weiter entfernt sein. Tricia Cooke und Ethan Coen stellen sich in die Tradition der B-Movies und entsprechender Groschenromane des vorigen Jahrhunderts. Also billig hergestellter Unterhaltungsware, die mit kruder Gewalt und kaum verhüllter Sexualität protzte. In diesem Segment gab es auch ein Sub-Genre, das „Lesploitation“ hieß: Storys über (oft bösartige) lesbische Frauen, an denen sich Männer – hier sei das harte Wort gestattet – aufgeilen konnten. Heimlich taten es auch lesbische Frauen. Wer entsprechende Bedürfnisse hat, ist auch mit „Honey Don’t“ gut bedient, denn Margaret Qualley als Honey spielt nicht nur saucool, sondern sie bietet auch die nötigen Schauwerte – egal ob mit Kleid oder ohne.
Wer allerdings die psychologisch glaubwürdige Entwicklung komplexer Charaktere braucht, der wird das in „Honey Don’t“ nicht finden. Die einzige Figur, die eine – allerdings überraschende – Wandlung durchmacht, ist MJ. Der Film ist auch darin B-Movie, dass er keine Hemmungen hat, seine Figuren recht grob zu zeichnen. Er verlässt sich auf Charisma und Komik der Schauspieler, die bis hin zu Honeys Sekretärin (Gabby Beans) erstklassig besetzt sind. In dieser Hinsicht ist der mit geringem Budget schnell gedrehte 90-Minüter ausgesprochenes A-Movie.
Für Leute, denen heutige Filme oft zu lang, zu verkopft, zu anspruchsvoll und – ja – auch zu woke sind, ist es äußerst vergnüglich, diesen Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich auf originelle Weisen abschlachten oder bumsen. Die anderen sind diejenigen, die ihm seine schlechten Bewertungen auf diversen Datenbanken beschert haben. Keiner kann sagen, er sei nicht gewarnt worden.
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