Die Münchner Philharmoniker mit ihrem künftigen Chefdirigenten Lahav Shani sind kurzfristig von einem Festival in Belgien ausgeladen worden. Das Flanders Festival Ghent begründete die Absage des für den 18. September geplanten Konzertes damit, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.
"Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen", heißt es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals.
"Blanker Antisemitismus": Empörung in München
Das Orchester und die Stadt München reagierten entsetzt auf die Ausladung. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach am Abend von "blankem Antisemitismus" und einer "Schande für Europa". Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er könne "die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen".
Das Festival betonte, Shani habe sich zwar in der Vergangenheit mehrfach "für Frieden und Versöhnung" ausgesprochen. In Übereinstimmung mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des Kultursektors in Gent habe man sich aber entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von diesem Regime distanziert haben.

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"Aufgrund der Unmenschlichkeit der aktuellen Situation und der emotionalen Reaktionen auch in unserer Gesellschaft wollen wir das Konzert nicht stattfinden lassen", schreibt das Festival auf seiner Homepage. "Wir haben uns entschieden, die Ruhe unseres Festivals zu wahren und das Konzerterlebnis für Besucher und Musiker zu schützen."
In dem seit 2023 andauernden Gaza-Krieg mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern weisen Israel und auch die deutsche Regierung den Genozid-Vorwurf, also den Vorwurf des Völkermordes, zurück.
Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden waren, darunter auch Kinder. Israel spricht von Selbstverteidigung nach dem Terrorangriff.
Kulturstaatsminister Weimer sieht Grenze überschritten
Für Kulturstaatsminister Weimer ist mit der Ausladung Shanis eine Grenze überschritten. "Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur. Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten", sagte er.
"Europäische Bühnen dürfen nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das wird Deutschland nicht hinnehmen – wir werden das Thema auch in die europäische Kulturpolitik tragen."

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Die Münchner Philharmoniker seien "ein Aushängeschild deutscher Kultur und Weltklasse" und er stehe hinter dem Orchester, betonte Weimer. "Wer ihm und seinem künftigen Chefdirigenten die Bühne verweigert, schadet nicht Israel – er schadet Europa und seiner eigenen Glaubwürdigkeit." Deutschland stehe an Shanis Seite. "Unsere Botschaft ist eindeutig: Wir lassen weder unsere Orchester noch unsere jüdischen Künstler ins Abseits drängen."
Charlotte Knobloch spricht von "Judenhass"
Auch die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, äußert sich zu der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es sei "eines der krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses – bigott, unverfroren und unverschämt", sagte die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern der Deutschen Presse-Agentur.
"Großartige Künstler wie Lahav Shani werden von vermeintlich weltoffenen Institutionen dazu genötigt, entweder selbst Israelhass zu unterstützen oder als Paria behandelt zu werden. Das ist an Niedertracht nicht zu überbieten."
Knobloch betont: "Wer in dieser Lage das historische Echo nicht hört, der stellt sich taub. In so einer Umgebung ist es für mich auch kein Wunder, dass immer mehr jüdische Menschen ihre Zukunft in Europa mit einem dicken Fragezeichen versehen."
Antisemitismusbeauftragter Klein: "Mit allem Nachdruck zur Wehr setzen"
Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein hat die Ausladung scharf verurteilt und Widerspruch gefordert. "Ich halte die Absage unter der genannten Begründung für einen ganz und gar unsäglichen und zutiefst antisemitischen Vorgang", sagte Klein der Nachrichtenagentur DPA.
Nach der Definition von Antisemitismus der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA) sei es antisemitisch, Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen, sagte Klein. International gäbe es einen Aufschrei, würde ein indischer, iranischer oder türkischer Dirigent einer ähnlichen Gewissensprüfung unterzogen und nach seinem Verhältnis zur Staatsregierung seines Landes befragt und bewertet, fügte er hinzu.
"In Belgien ist nach dortiger Gesetzeslage eine Diskriminierung aufgrund Herkunft und Nationalität verboten", betonte Klein. "Wichtig ist es daher nun, sich gegen diesen Antisemitismus der Verantwortlichen des Flanders Festival Ghent mit allem Nachdruck zur Wehr zu setzen."
Lahav Shani als Nachfolger von Waleri Gergijew
Der 36 Jahre alte Shani ist seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra. Im Februar 2023 ernannten die Münchner Philharmoniker ihn zu ihrem neuen Chefdirigenten, sein Amt soll er im September 2026 antreten.
Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war rausgeworfen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, als dessen Freund er gilt, distanziert hatte.
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