Wir kennen sie alle: Die Frauen, die Liebesbriefe schreiben und nie eine Antwort bekommen. Die den ersten Schritt machen und erfahren, dass auch angebliche Feministen damit ein Problem haben. Frauen, die Typen daten, die zwar nicht abgeneigt, aber einfach total überfordert sind, von weiblichen Erwartungen oder dem Wochenbeginn. Frauen, die in Beziehungen zum Großteil die sogenannte emotionale Arbeit schultern, was erwiesenermaßen ihr Stresslevel erhöht und ihre sexuelle Zufriedenheit senkt.

Eine absolut naheliegende Frage: Kann man eine Feministin sein und gleichzeitig Männer toll finden? Natürlich. Dem Feminismus geht es ja nicht um den XY-Chromosomträger als Hassobjekt, sondern den Kampf gegen das Patriarchat. Ein System, das nicht nur Frauen, queeren und non-binären Personen schadet, sondern auch den meisten Männern, den Homosexuellen, prekär Lebenden, von einer Behinderung Betroffenen, also eigentlich allen außer dem weißen Heterosexuellen in seinen besten Lebensjahren. Das Patriarchat zu hassen heißt also nicht, Männer zu hassen, viele Feministinnen sehen netterweise sogar davon ab, es mit seinen eigenen Waffen zu schlagen (Diskriminierung, Sexismus, körperliche Gewalt etc.), wobei es auch radikalere Strömungen gibt.

Radikal ist das, was sich gerade in Südkorea tut. 4B heißt eine Bewegung, bezogen auf das, was deren Anhängerinnen ablehnen, Heirat (bi-hon), Mutterschaft (bi-chulsan), romantische (bi-yeonae) und sexuelle (bi-sekseu) Beziehungen mit Männern. Einige rasieren sich als Erkennungszeichen die Haare ab, wofür sie verbal oder tätlich angegriffen werden, auch Morddrohungen sind keine Seltenheit. Es ist entsetzlich, und es passt in unsere Zeit. Spielt die Welt verrückt, sind klare Verhältnisse eine verlockende Aussicht. Klar heißt: Mann führt, Frau dient, gebärt, versorgt, macht Kaugummi und Sonnencreme from the scratch. Vermutlich sehen viele dieser Tradwives, die das totale Gegenteil sind der 4B-lerinnen, das nicht als Zwang, sondern Befreiung, weniger Wahlmöglichkeiten, feste Strukturen, und dass ihre Ehemänner es super finden, liegt auf der Hand.

Liebe tut weh

So viele Opfer hat der Feminismus derzeit zu beklagen, im wortwörtlichen Sinn. Nie waren die Zahlen häuslicher Gewalt in Deutschland so hoch wie vergangenes Jahr, noch immer stirbt fast jeden Tag eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Von Mental Load über Femizid, vom Gender Pay Gap bis zum Gender Pain Gap – als rationaler Mensch kann man sich jedes Mal sagen: „Es ist das Patriarchat“, und trotzdem sind es halt auch Männer.

Hinzu kommt, was sich auf dem Datingmarkt abspielt. Ganz schlechte Karten haben diejenigen mit Kinderwunsch. „Irgendwann gerne“ heißt es bei Bumble, und bekanntermaßen ist irgendwann ein dehnbarer Begriff. Andere sagen wenigstens gleich, dass sie keinen Bock haben. Aber auch diejenigen, die Lust auf Zwei- statt Dreisamkeit haben, können sich auf was gefasst machen. Es wird geghostet, gebencht, ge-orbitet, was das Zeug hält. Bekanntschaften melden sich nicht mehr, parken einen auf der Wartebank in Erwartung eines besseren Matchs oder umkreisen einen aus sicherer Entfernung. Noch mal, der Fairness halber: Auch Frauen sind Sittenstrolche, auch männliche Freunde erzählen Geschichten dieser Art, und doch ist das Verhältnis ein anderes. Die Soziologin Eva Illouz, Autorin von Büchern wie „Warum Liebe wehtut“, stellt fest: „Es gibt heute keine andere soziale Beziehung, die so viel Unsicherheit verbreitet wie die Liebe.“

Nun hat dieses Gefühl von Erschöpfung endlich einen Namen: Heterofatalismus. Geprägt hat den Begriff die Sexualwissenschaftlerin Asa Seresin, wobei sie zunächst von Heteropessimismus sprach. So oder so wissen die allermeisten Liebeswünscherinnen vermutlich sofort, was gemeint ist. Die „New York Times“-Autorin Jean Garnett berichtet, von der männlichen Ambivalenz zutiefst geschädigt zu sein, „dass sie einen erst wollen und dann von ihrem Wollen überfordert sind“, und etwa Angst als Ausrede brächten, und fragt: „Wo sind die Kerle, die das wirklich harte Zeug auf die Reihe kriegen? Zum Beispiel das Haus verlassen, um Sex zu haben?“

Eine Freundin klagt über die einjährige Situationship mit einem Kollegen, der sich einfach nicht committen will. Eine andere über ihren Partner, der weder zu einer gemeinsamen Wohnung noch einem Kind bereit ist, noch nicht, denn wohldosiert um sich haben will er sie schon. Eine dritte, dass sie zwar irgendwie schon ein Paar sind, er das aber auf keinen Fall so labeln will, und immer mal wieder tagelang nicht erreichbar ist.

Das alles ergibt eigentlich keinen Sinn, wenn man bedenkt, dass es Männern in monogamen Beziehungen besser geht, sie physisch und mental gesünder sind und ein insgesamt bequemeres Leben haben, weil die Care- und emotionale Arbeit mehrheitlich nicht an ihnen hängen bleibt. Deswegen gehen sie nach einer Trennung schneller eine neue Beziehung ein beziehungsweise trennen sich seltener. (Eine Trennung der Frau ist übrigens einer der Hauptgründe für deren Tötung). Das jedenfalls sagt die Statistik. Die Erfahrung im persönlichen Umfeld hingegen, dass Männer nicht wissen, wie sie Uneindeutigkeit, Gefühle oder Erwartungen aushalten sollen, und es lieber gleich ganz sein lassen.

Freundinnenschaften, gern auch physisch

Eva Illouz‘ Appell an die Frauen: „Bitte denkt nicht, mit euch stimmt etwas nicht! Wir leben in einer komplizierten Welt, die Bedingungen, sich kennenzulernen, sind schwierig und moderne Biografien oft chaotisch.“ Was könnte die Lösung sein? Freiwilliges Zölibat, nach Vorbild der 4B-Bewegung? Dafür spricht die Tatsache, dass alleinstehende, kinderlose Frauen die zufriedenste Bevölkerungsgruppe darstellen. Kein Wunder, ist vor allem unter Gen-Z-lerinnen das datingfreie Dasein en vogue, Stichwort Boysober. Die „Taz“-Autorin Laura Catoni formuliert es so: „Ich bin 31, heterosexuell und habe in den letzten Jahren immer wieder auf Dates verzichtet – weil ich mit anderen Dingen beschäftigt war oder keinen Bock hatte. Doch diesmal fühlt es sich anders an. Nicht nach einer Pause oder Detox, sondern nach einem Schlussstrich. Weil es reicht.“

Statt Geistern nachzutrauern, gehen die Ausgenüchterten ihren Hobbys nach, setzten sich Lebensziele und pflegen ihre Freundinnenschaften, gerne auch in Form von physischer Zuneigung. Wobei aus Umarmungen und Handhalten bisweilen mehr wird. „Ich date gerade eine heiße Biologin“, schrieb mir meine Freundin B. vor Kurzem. Schon seit einigen Jahren lebt sie ihre lesbische Seite aus und weiß viel Positives zu berichten. Natürlich verlassen einen auch Frauen, aber sie tun dies, stelle ich mir vor, auf rücksichtsvollere Art. Sehr wahrscheinlich ist „Konsens“ Teil ihres Vokabulars, etwas, das man sich von Männern schriftlich geben muss: Manche Partys versenden als Zulassungsvoraussetzung Fragen wie „was tust du, wenn jemand auf deinen Flirtversuch ablehnend reagiert?“

Zudem sind Frauen viel seltener von Alexithymie betroffen, der Unfähigkeit, ihre Gefühle zu erkennen und zu bewerten. In homosexuellen Beziehungen, so meine Vermutung, ist nicht nur die Care-Arbeit gerechter aufgeteilt, sondern auch die emotionale oder hermeneutische. Mit diesem Begriff meint die Philosophin Ellie Anderson das Lesen der anderen Person, das Hineinfühlen in sie, worin Frauen sehr viel besser sind.

Alles schön und queer? Leider lässt Begehren sich in kein Theoriekonzept pressen. Eine Alternative zum gleichgeschlechtlichen Daten oder dem Zölibat hat die oben erwähnte Jean Garnett parat. Vielleicht, notiert sie, gehe es bei Heterofatalismus weniger um das Verzweifeln an dem Mann als am heterosexuellen Beziehungsmuster, an der immer gleichen Konstellation Liebesbedürftige versus Bindungsunwilliger. Vielleicht brauche es also keine sexuelle Umorientierung, sondern eine Neuauflage der Art, wie zwei sich begegnen. „Die alte Form der Verpartnerung ist tot und eine neue muss erst noch geboren werden“, so zitiert Garnett eine Freundin. Hoffen wir, dass nicht nur Frauen den Geburtsschmerz spüren müssen.

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