Dieses Jahr wird es glamourös: Emma Thompson kommt. Gern barfuss auf dem roten Teppich unterwegs, immer mit strahlendem Lächeln und charmant schiefen Zähen, stellt sie am 8. August «The Dead of Winter» vor. Darin spielt die Britin eine Fischerin, die einen Teenager vor fiesen Entführern rettet. So beschreibt es Locarnos künstlerischer Direktor Giona A. Nazzaro.
Vor der Filmvorführung bekommt Thompson den «Leopard Club Award». Der wird seit 2013 an «eine Persönlichkeit des Films verliehen, deren Werk das kollektive Gedächtnis geprägt hat».

Preisverleihungen auf der Piazza haben in Locarno Tradition. Meistens dauern sie lange und das Publikum läuft Gefahr, bereits vor dem Film die erste Tiefschlafphase zu durchlaufen. Bei Thompson wird das nicht passieren! Sie ist einfach zu klug. Zu schön. Zu grossartig.
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Und dann gleich noch ein Superstar: Jackie Chan. Auch seinem Auftritt darf entgegengefiebert werden, auch er holt sich irgendeinen Preis ab. Sprich: Es lohnt sich, das ganze Wochenende zu buchen.

Weitere Gäste, die sich auf dem Gemeindeplatz tummeln, sind der Wohlfühl-Regisseur Alexander Payne («The Holdovers») oder die legendäre Kostümbildnerin Milena Canonero, deren Werke wir aus «Clockwork Orange», «Shining» oder Filmen von Wes Anderson kennen. Die 1946 geborene Turinerin hat alles angekleidet, was einen Preis verdient hätte. Insofern soll sie auch einen haben!
Die Schweiz selbst ist mit einer Serie auf der Piazza Grande vertreten. Jean-Stéphan Bron präsentiert zwei Folgen seiner RTS-Produktion «The Deal», in der es um Atomwaffen und Genfer Diplomatie geht. Der künstlerische Leiter Nazzaro schwärmt – er habe die Serie durchgeschaut – also «gebingt», wie er sich selbst korrigiert. Um sofort einzuräumen, sich mit Serien nicht auszukennen. Er habe bei «Six Feet Under» aufgehört (also vor 24 Jahren), ihm fehle die Zeit dafür. Wie zum Beweis seines Zeitmangels präsentiert sich Nazzaro neu mit ausuferndem Bart.

Viele männliche Bewerbungen
Lange Bärte oder zumindest übermässig viele Männer finden sich denn auch unter den Regisseuren der Piazza-Filme wieder. Von 14 Filmen wurden nur zwei unter weiblicher Regie realisiert.
Anders, so prahlt Nazzaro, sehe es in den Wettbewerbssektionen aus. Man habe bewusst auf einen Ausgleich der Geschlechter geachtet. Dabei, so Nazzaro, hätten sich, wie jedes Jahr, überdurchschnittlich viele Männer mit Filmen für die Teilnahme am Festival beworben.
Insgesamt kamen 67.6 Prozent der Einreichungen von männlichen Regisseuren. Im Vergleich dazu waren es nur 25 Prozent eingereichte Filme von Regisseurinnen. Die restlichen Prozent setzen sich aus gemischter Co-Regie, non-binären Personen und Beiträgen mit nicht benanntem Geschlecht zusammen. Wen wundert’s? Einer US-amerikanischen Umfrage zufolge glaubt jeder dritte Mann daran, ein Flugzeug notlanden zu können, während nur 20 Prozent Frauen an diesem Grössenwahn leiden.
So mag es auch im Bereich Film weniger an der grosszügigen Genderpolitik des Festivaldirektors liegen als an der Qualität, dass das Verhältnis der programmierten Filme auf 55 Prozent Männer zu 36 Prozent Frauen korrigiert wurde. Gemäss einer Studie des Bundesamts für Kultur gewinnen statistisch gesehen sowieso eher Frauen auf Filmfestivals. Womit wir wieder bei Emma Thompson wären.
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