Der erstaunlichste Aspekt des Umstands, dass das Bundeskanzleramt einen Anbau erhalten soll, besteht darin, dass es überhaupt möglich ist, dort anzubauen. Wir denken immer, wenn wir daran vorbeifahren, das Kanzleramt sei eine dekonstruktivistische 3D-Projektion eines Gemäldes von Giorgio de Chirico. Es scheint allein aus einem unentschlossenen Vorplatz mit schläfrig patrouillierenden Polizisten und einem Sammelsurium aus Stelen vor einer abweisenden Glaswand zu bestehen.
Nie haben wir hinter dem Zaun eine Menschenseele gesehen. Hier hätte Gerhard Schröder sicher nicht gerüttelt, sondern wäre lieber in der Kneipe geblieben. Das Kanzleramt hat etwas von einem Mausoleum, einer Pyramide für Arme; jedenfalls ist es ganz eindeutig ein Millionengrab.
Ein paar neue Millionen sollen jetzt dazu kommen. 777, um genau zu sein, was eigentlich nur symbolisch gemeint sein kann. 666, die Zahl des Tieres, wollte man offenbar schon mal vermeiden. In der spirituellen Welt gilt die Sieben als Ausdruck von Vollkommenheit, Erleuchtung und Harmonie. Andererseits blasen auch sieben Engel die Posaunen der Apokalypse.
Wir erinnern uns: Die ersten vier sind die Klima-Posaunen. Sie lösen Hagelstürme und Feuersbrünste aus, verwüsten Meere und Flüsse und sorgen dafür, dass sich Sonne, Mond und Sterne verdunkeln. Die fünfte Posaune öffnet einen Abgrund, aus dem, angeführt vom König Abaddon, Heuschrecken klettern, um die Menschen zu quälen. Das könnte immer noch dem Klimawandel zugerechnet werden, obwohl es langsam einen Zug ins Sadistische bekommt.
Die sechste Posaune befreit vier am Euphrat gefesselte Engel. Sie führen ein Heer von Reitern mit sich, die ein Drittel der Menschheit durch Feuer, Rauch und Schwefel töten. Das klingt schon mehr nach IS, Hamas, Hisbollah und so weiter. Die siebte Posaune schließlich verkündet den Beginn der Herrschaft Gottes und des Jüngsten Gerichts, begleitet von weiteren Extremwetterereignissen (Flutwellen, mehr Hagel).
Ein Viertel dessen, was der Bund für sozialen Wohnungsbau ausgibt
Das soll eventuell die Hoffnung ausdrücken, die Probleme der Gegenwart – von der Bibel scharfsinnig erkannt – müssten sich schließlich der deutschen Bürokratie geschlagen geben. Dazu fällt uns nur der trockene Beamtenwitz ein: gelesen, gelacht, gelocht.
Ob der Bundesrechnungshof in Bibelkunde bewandert ist, steht in den Sternen. Jedenfalls hält er den Ausbauplan für einen Offenbarungseid. Vor zwei Jahren hatte er den Bund aufgefordert, Büroflächen einzusparen, um Geld zu sparen und das Klima zu schonen – wobei unklar ist, ob wirklich das Klima-Klima gemeint war oder das Büroklima. Das Kanzleramt schützte Schwerhörigkeit vor und begann sofort mit dem Erweiterungsbau.
In der Schröder-Ära gab es 460 Beschäftigte. Unter Angela Merkel stieg die Zahl auf 750, unter Olaf Scholz auf 852, die Friedrich Merz nun geerbt hat. Weil im De-Chirico-Klops kein Platz für sie ist, arbeiten sie auf umliegende Büroflächen verteilt. Der Neubau soll die Schäfchen wieder unter einem Dach vereinen – inklusive eigener Kita und Hubschrauberlandeplatz – was praktisch erscheint, wenn der Nachwuchs morgens mal wieder nicht aus dem Bett kommt und die Straßen verstopft sind.
Der Bundesrechnungshof moniert, man habe schon 2023 „zeitgemäße Vorgaben für eine bedarfsgerechte Büroflächenplanung“ gefordert – Desksharing und Homeoffice. Das Kanzleramt weist das zurück. Es sei alles so geheim da, dass ohne Dauerpräsenz gar nichts gehe, und deshalb brauche jeder Bürohengst seinen eigenen Stall.
Derweil kritisiert die Linke in Gestalt ihrer wohnungspolitischen Sprecherin Caren Lay, die Erweiterung des Kanzleramts koste „ein Viertel dessen, was der Bund jährlich für den sozialen Wohnungsbau ausgibt“ und meint, das Geld „wäre im Bau von 7.000 Sozialwohnungen besser angelegt.“
Immerhin geht der Kanzler mit gutem Beispiel voran: Seine eigene Sozialwohnung dort ist mit 28 Quadratmetern von vorbildlicher Bescheidenheit.
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