Vor 13 Jahren katapultierte der Song „Thrift Shop“ den US-amerikanischen Rapper Macklemore, mit bürgerlichen Namen Benjamin Hammond Haggerty, in die Charts. Der Song über Second-Hand-Kleidung, der auf ironische Art den Kapitalismus aufs Korn nahm, wurde ein Hit, der das Lebensgefühl einer ganzen Generation widerspiegelte. Macklemore zu hören, das galt schon damals als ein politisches Statement im Pop-Kosmos: gegen Rassismus und White-Supremacy.

Im Laufe der Jahre mauserte sich der Rapper aus Seattle jedoch zu einem Hardliner der Free-Palestine-Bewegung. Bei einer reinen Solidarisierung mit dem palästinensischen Volk und einer Kritik am politischen Handeln des Staates Israel beließ es Haggerty dabei nicht. Er propagiert offen Antisemitismus – und bekam dafür nun als Headliner auf dem Deichbrand Festival die große Bühne. Dass das zugelassen wurde, ist symptomatisch für die deutsche Konzert- und Festival-Szene, die seit Jahren so tut, als hingen Popkultur und Politik nicht zusammen. Vermutlich, um den wirtschaftlichen Erfolg nicht zu gefährden.

Zu Beginn schien der Rapper noch kompromissbereit. Er begann seinen Auftritt, der das Festival beendete, mit einem Appell, friedlich zu feiern, unabhängig von Religion oder Ethnien. Doch kurz bevor er den Song „Hind’s Hall“ anstimmte – in dessen Lyrics er unter anderem fordert „‚Free Palestine‘ ‘til they're home at last“ – wurde er politisch. Er holte einen Zettel raus und bekam ohne Einschränkung die Gelegenheit, Israel Genozid vorzuwerfen: „Ich bin sicher, dass es Menschen gibt – vielleicht sogar hier im Publikum –, denen gesagt wurde, dass es antisemitisch sei, sich gegen den Völkermord Israels am palästinensischen Volk auszusprechen. Lasst euch nicht von der kolonialen Sprache täuschen.“

Die Menschen in Gaza „rennen dem Essen entgegen – und werden mit Kugeln empfangen“, sagt er in seinem Statement, von dem im Netz mehrere Mitschnitte kursieren. Zudem suggerierte der Künstler, es habe Druck gegeben – von einigen in der deutschen Regierung, von Institutionen, von Sponsoren, hinter verschlossenen Türen. Das Totschlag-Argument der antisemitischen Verschwörungstheorien, alles geschehe im Geheimen. Den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erwähnte er mit keinem Wort.

Das Publikum beim Deichbrand applaudierte während der Rede, es waren „Free Palestine“-Rufe zu hören, Plakate mit Wassermelonen-Symbolen wurden in die Höhe gehalten, Palästina-, aber auch einige Israel-Flaggen wurden geschwenkt. Der Auftrifft wurde nicht boykottiert, der Besucherraum war voll. Viele hätten den Eindruck gehabt, dass den meisten die Problematik gar nicht bewusst gewesen sei. Eine Besucherin gab an: „Für Macklemore allein hätte ich mir sicher kein Ticket geholt, es stört mich aber auch nicht, dass er hier auftritt.“

Antisemitismus in der ersten Reihe

Genau hier zeigt sich das komplette Versagen der Veranstalter: Wie kann es bitte sein, das 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Schoah, dem größten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein Musiker eindeutig antisemitische Liedtexte performen darf vor mehr als 60.000 Besuchern? Zwar hatte das Festival im Vorfeld gemeinsam mit der Bildungsstätte Anne Frank seine Mitarbeiter geschult und für antisemitische Aussagen sensibilisiert sowie sich in einem Statement klar von jeglicher Form von Antisemitismus distanziert. Zudem sollte eine Expertengruppe den Auftritt begleiten.

Das hat anscheinend nicht ausgereicht, um unter den Festivalbesuchern ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Ausgeladen wurde Macklemore bewusst nicht. Man befürworte Diskussionen, hieß es in einem Statement im April. Im Gegensatz zu anderen Künstlern, die an dem Wochenende auf der Bühne standen, wurde Macklemore allerdings nicht in den Social-Media-Posts des offiziellen Festival-Accounts erwähnt. Auf eine Anfrage von WELT antworten die Macher so und verweisen auf ein früheres Statement: „Beim Aufritt von Macklemore ist es zu keinen strafbaren oder unzulässigen Handlungen oder Aussagen gekommen. Das Deichbrand respektiert das Grundrecht auf Kunst- und Meinungsfreiheit und kommentiert aus Respekt vor den Künstler:innen keine Performances.“

Antisemitismus als Karriere-Booster?

Gerade beklagte die britische Band Massive Attack, prominente Mitglieder der antisemitischen BDS-Bewegung, dass Israel-Kritiker unter dem Vorwand von Antisemitismus von Festivals und Co. ausgeladen werden. So absurd ist die Kulturszene inzwischen: Boykotteure beschweren sich, dass sie boykottiert werden.

Seiner Popularität geschadet haben die judenfeindlichen Aussagen Macklemore bislang kaum. Allein auf Instagram hat der Künstler nach wie vor über 6,5 Millionen Follower. Seinen Account dort nutzt er regelmäßig für politische – und meistens auch israelfeindliche – Botschaften. In einem angepinnten Reel, das Besucher des Profils direkt einsehen können, sieht man etwa einen Zusammenschnitt, indem er zu seinem Song „Fucked up“ wilde antisemitische Verschwörungstheorien mit Bildern der internationalen propalästinensischen Proteste zum Gazakrieg kombiniert.

In den Lyrics, die den Clip begleiten, legt er etwa nahe, dass das jüdische Ehepaar Resnick das Trinkwasser im US-Bundesstaat Kalifornien kontrollieren würde – eine in den USA populäre Verschwörungstheorie, die sich in das Narrativ der jüdischen Weltherrschafts-Fantasien einreiht. 2014 trug er bei einem Auftritt in Seattle eine schwarze Lockenperücke, einen schwarzen Bart und eine Plastik-Hakennase. Macklemore entschuldigte sich damals auf der Website mit der Erklärung, er habe eine Hexennase verwendet und keine antisemitischen Klischees reproduzieren wollen, berichtete das Magazin „Hollywood Reporter“.

Bislang schweigt aber auch Macklemore auf Social Media zu seinem Auftritt auf dem Deichbrand. Nach seinem Auftritt beim Lollapalooza in Paris, wo es im Vorfeld weitaus weniger Diskussionen um seine Person gab, teilte er fröhlich Clips seiner Show auf Instagram. Ein Umdenken ist bei Haggerty aber wohl eher nicht zu erwarten.

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