Wer ist eigentlich Candice Breitz? Ein Name, der im Kunstbetrieb seit einiger Zeit seltener im Zusammenhang mit Kunst, sondern eher mit verbalem Krawall auftaucht. Ein Foto auf Instagram, das eine weiße, wasserstoffblonde, sehr kurzhaarige Frau zeigt, die grimmig dreinblickt und noch grimmigere Posts absondert. Ihre Themen sind Gaza und der „Genozid“, üble Zionisten und Zensur in Deutschland.

Als deren Opfer sieht Candice Breitz sich selbst, seitdem das Saarlandmuseum, Saarbrückens Museum für moderne Kunst, nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 eine Ausstellung mit ihr absagte – aufgrund ihrer kontroversen Aussagen zum Gazakrieg. Wer Breitz’ Instagram-Posts seitdem verfolgte, fragte sich, ob da wirklich eine Kunstprofessorin der HBK Braunschweig am Werk war oder nicht eher eine wutentbrannte Linksaktivistin, die genug Zeit hat, in dem sozialen Netzwerk gegen die eigene Unsichtbarkeit zu kämpfen.

Die Professur an der Kunsthochschule hat Breitz, die aus Südafrika stammt und Jüdin ist, inzwischen aufgegeben, anscheinend um sich aggressiven Posts gegen Menschen hinzugeben, die nicht ihrer Meinung sind. Als müssten deutsche Institutionen noch extra beweisen, dass hierzulande niemand zensiert wird und man möglicherweise sogar Hetzreden goutiert (obwohl das in Deutschland per Gesetz verboten ist), wird Breitz aber gelegentlich zu Talks eingeladen.

Darin geht es dann – wenig überraschend – um das Thema Identität, um die auch Breitz’ Videokunst kreist. Wie die aussieht und was sie bedeutet, legte die Künstlerin am 16. Juli 2025 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin dar, im Gespräch mit Eric Otieno Sumba, Redakteur für „Publikationspraktiken“ am Haus der Kulturen der Welt. Gefördert wurde der Abend von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Entgegen Breitz’ Selbstbejubelung auf Instagram, die ein dank ihrer Fangemeinde aus allen Nähten platzendes Museum vermuten ließ, waren auf lose besetzten Stuhlreihen neben einigen ostentativen LGBTQ+-Vertretern vor allem neugierige ältere Herrschaften zu sehen, die wahrscheinlich alles über Böll und wenig über Breitz wussten. Und so überließ Sumba die Bühne Candice Breitz, die dort unter anderem Filmstills aus ihren Videoarbeiten zeigte.

In einem Video taucht sie slapstickhaft bei einer rein mit Schwarzen besetzten TV-Serie auf, um auf die weiße Omnipräsenz in Südafrika zu verweisen. In einem anderen Werk inszeniert sie sich mit hellblonden Perücken und blauen Kontaktlinsen und zitiert online gefundene Sprüche von Weißen, die um ihre Überlegenheit fürchten. Trotz Breitz’ langer Erklärungen brauchte es nicht viel, um diese Botschaft zu verstehen. Offen blieb dagegen, inwieweit die Qualität dieser plakativ aktivistischen, aber auf der Bildebene völlig uninteressanten Kunst, deren ästhetische Wirkmächtigkeit gegen Null geht, einen Auftritt in der Neuen Nationalgalerie überhaupt rechtfertigt.

Wenn es dagegen jemand geschafft hat, Aktivismus und Kunst auf ebenso sinnliche wie tragikomische, zugleich aber auch ästhetisch revolutionäre Weise zu verbinden, dann war es Christoph Schlingensief. Dessen Videoarbeit „Deutschland versenken“, die auf seine Aktion am 9. November 1999 zurückgeht, ist gerade im Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie zu sehen.

Das Datum schlägt einerseits den Bogen zur Reichspogromnacht und andererseits dem Mauerfall, während Schlingensief zu Wagnerklängen mit Deutschlandschal, schwarzem Rabbinerhut und Schläfenlocken vor der Freiheitsstatue in New York niederkniet wie einst Willy Brandt in Warschau und symbolisch eine Urne mit der Asche Deutschlands in den Hudson River wirft. Es ist ein komplex-genialer Verweiskosmos, mit dem Schlingensief Kunstgeschichte geschrieben hat.

Nun aber sitzt Breitz oben auf dem Podium und hat sich für ihren Auftritt allen Ernstes mit Deutschlandschal und Rabbinerhut mit Schläfenlocken kostümiert – und musste ob ihres eigenen Redeflusses bis zur allerletzten Frage aus dem Publikum warten, um endlich ihre Aufmachung zu erklären. Eine ältere Dame fragte höflich: „Ist Ihr Hut kulturelle Aneignung?“

Breitz platzte heraus: Sie habe sich als Schlingensief verkleidet, da sie sich als Jüdin vor seinem Werk nicht wohlgefühlt habe und zeigen wolle, wie verstörend es sei, wenn ein Deutscher sich jüdische Insignien aneigne. „Es ist inakzeptabel, sich als die Identität anderer Menschen zu verkleiden, das hat etwas Gewalttätiges“, so Breitz. Wie könne so etwas unkommentiert in diesem Museum gezeigt und gefeiert werden? Zumal „hier kürzlich gewisse Formen des Jüdischseins nicht sehr gut behandelt wurden.“

Breitz erinnerte damit an einen Auftritt von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie im November 2024, bei dem diese, unterstützt von Aktivisten, Deutschland und Israel schwere Vorwürfe machte. Laut Breitz sei die amerikanische Künstlerin aber der Kritik deutscher und jüdischer Medien ausgesetzt worden, die deren vorgetragene Solidarität mit Palästina stigmatisiert und dämonisiert hätten.

Man fragte sich beim Talk von Breitz ernsthaft, ob diese Frau bei klarem Verstand war, dass sie den Raum, den Goldin mit ihrer von propalästinensischem Gebrüll flankierte Anti-Israel-Litanei eingefordert hatte, als eine Art Falle darstellte, in die sie die Neue Nationalgalerie gelockt habe. Und wie kann es sein, dass diese Künstlerin nun am selben Ort sitzen darf, verkleidet als Rabbiner – was sie selbst „Jewface“ nennt – und erklärt, Christoph Schlingensief, der wie kein anderer Künstler für deutsche Aufarbeitung steht, trage seine Idee „Deutschland versenken“ auf dem Rücken der Juden aus?

Was hat sie selbst als Jüdin, die diesen Teil ihrer Identität bis vor wenigen Jahren kaum öffentlich erwähnte, mit orthodoxen Juden gemein, zumal sie sich selbst als säkular und jedweder religiösen Gemeinschaft unverbunden bezeichnet hat? Abgesehen davon: Was hat die weiße Breitz mit schwarzen Südafrikanern zu tun, deren Schicksal sie benutzt, um daraus Kunst zu machen? Die plakative Penetranz ihres Werks und ihrer Auftritte zeugen von nichts anderem als kultureller Aneignung.

Dafür muss man sich nicht mal kostümieren. Es reicht, sich durch die Selbstinszenierung neben dem Leiden anderer selbst zu erhöhen. Dass die Neue Nationalgalerie diesem auf allen Ebenen despektierlichen Verhalten eine Bühne bereitete und dass deren stellvertretender Direktor Joachim Jäger Schlingensief und sein Werk abschließend nicht einmal verteidigte, sondern Breitz sogar dankte – das zeigt, dass das Museum sich nach Goldin gleich noch einmal selbst eine Falle gestellt hat, aus der es sich nun kaum mehr selbst befreien kann.

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