In ihrem Podcast „hyped – Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. Das folgende Transkript ist eine gekürzte Version der Podcastfolge „Der Tod des Sneakers“, in der es auch um die Fußballerin Alisha Lehmann geht.
Julian Theilen: Fangen wir an mit Alisha Lehmann, die mit ihren knapp 17 Millionen Followern auf Insta wohl die bekannteste Fußballerin weltweit ist und damit unser Nachbarland Schweiz auf die Poplandkarte bringt, dafür aber auch einen hohen Preis bezahlt.
Imke Rabiega: Ja, sie ist ja gerade im Einsatz bei der Frauenfußball-EM und spielt am Freitagabend gegen Spanien, den großen Favoriten. Aber eigentlich geht es, wenn sie öffentlich besprochen wird, kaum um Fußball!
Julian: Ja, da hat sie auch ein bisschen ihren Anteil dran, weil sie ein sehr lebhaftes öffentliches Leben neben dem Fußball führt. Sie hat ja ein unglaublich großes Potenzial zur popkulturellen Inszenierung, lässt sich zum Beispiel in Gucci-Klamotten ablichten, macht in Bikini Liegestütze am Pool mit Fußball auf dem Rücken oder Outfit-Checks in ihrem Schlafzimmer.
Imke: Ja, so ein bisschen erinnert sie daran an Cristiano Ronaldo, also in der männlichen Ausgabe.
Julian: Ja genau, beide sind keine Fans des Dezenten und Zurückhaltenden, sondern haben jeweils so eine Dubai-Ästhetik und extrem viel Selbstvertrauen, was richtig toll ist. Aber genau deshalb bekommt Alisha Lehmann auch so viel Hate ab wie Christiano Ronaldo. Bei der Kritik an ihm schimmerten ja auch oft so homophobe Ressentiments durch, wegen seines Faibles für Mode und Gesichtspflege und seiner gemachten Augenbrauen. Und da wurde er dann immer von schlecht gekleideten Männern als „Lackaffe“ bezeichnet.
Imke: Ja, obwohl es bei Lehmann auch offener Frauenhass ist. Sie wird ständig von Männern, die wahrscheinlich ähnlich schlecht gekleidet sind, im Internet die ganze Zeit beleidigt und herabgewürdigt. Da kommen dann Kommentare wie „lieber mehr trainieren als schminken“ oder „Model, not a footballer“, blablabla. Und das geilste sind ja diese Männer, die sagen, Alisha würde dem Frauenfußball schaden, und 90 Prozent der Frauen würden Alisha auch Scheiße finden. Und dann denke ich mir, wenn das so ist, dann lass das doch die Frauen einfach selber feststellen. Da musst du als Mann doch nicht für diese angeblich 90 Prozent der Frauen sprechen.
Julian: Ja, diese Männer, die das sagen, scheinen irgendwie von ihrer Vielschichtigkeit und Omnipräsenz ein bisschen überfordert. Also sie ist Fußballerin, sie ist Unternehmerin, sie ist Influencerin, sie ist bisexuell, sie ist erfolgreich und eben stark geschminkt.
Imke: Ganz davon abgesehen, wie cool Alisha Lehmann damit umgeht, glaube ich, dass Männer grundsätzlich ein bisschen Angst davor haben, dass Frauen mächtiger sein könnten als sie. Und wenn dieses Narrativ nicht mehr aufgeht, dass eine Frau entweder das oder jenes ist, sondern eine Frau plötzlich ganz viele Dinge gleichzeitig sein kann, dann ist das für Männer irgendwie gruselig und wirkt wie eine Bedrohung, weil sie sich plötzlich mit einer Ambivalenz auseinandersetzen müssen. Und weißt du, ich glaube wirklich, dass der Grund dafür auch diese Scheu davor ist, sich mal wirklich intensiv mit Frauen auseinanderzusetzen, ohne die ganzen vorgefertigten Schablonen. Dafür müsste man sich dann ja aber auch mit seinen eigenen Widersprüchen auseinandersetzen.
Julian: Ja, da gehe ich mit. Das Gute ist ja, und das feiere ich wirklich bei Alisha Lehmann, dass sie sich davon wirklich nicht unterkriegen lässt und wirklich mega confident dabei ist und auch nochmal on top richtig schön Öl ins Feuer gießt. Aber dieser ganze Hate macht ja auch nochmal ein weiteres Thema auf, Imke, und zwar dieses Fremdeln der Deutschen mit Mode und Ästhetik. Es scheint ja für viele unvorstellbar, dass jemand schlau ist und gleichzeitig gut aussieht. Ich glaube, der Deutsche muss sich den Schlauen wie einen drögen Nerd vorstellen, anders kriegt er das nicht hin. Ich weiß nicht, ob das nicht auch mit diesem preußischen Arbeitsethos zu tun hat, diesem Fleiß und der Selbstdiszipliniertheit, dem sich selbst zurücknehmen können. Das ist ja alles das Gegenteil von Alisha Lehmann, die ja total heiter und aufgelockert wirkt.
Imke: Ja und einfach macht, worauf sie Bock hat. Wobei ich finde, man muss das doch nochmal trennen, weil das eine ist dieser komische Bodenständigkeitsfetisch der Deutschen, und das andere ist struktureller Sexismus, und bei Lehmann trifft beides zu. Aber zum Schluss noch ganz kurz eine andere Ebene, die wir noch gar nicht besprochen haben. Dadurch, dass sie eben so ein großes Following auf Social Media hat, hat sie halt auch einfach noch mal eine andere Einnahmequelle. Im Profifußball gibt es immer noch einen extrem großen Gender-Gap bei den Einnahmen gibt. Sie verdient als Top-Verdienerin bei Juventus Turin ungefähr 200.000 Euro pro Jahr.
Julian: Ein männlicher Top-Verdiener bei Juventus Turin würde vielleicht zwölf Millionen im Jahr verdienen.
Imke: Ja, okay. Und dann ist es von ihr aus auch einfach noch mal völlig legitim und smart zu sagen, okay, dann bin ich halt auch einfach präsent auf Social oder verdiene damit nebenbei noch Geld. Und ich würde auch sagen, dass sie gleichzeitig mit ihrer Reichweite dem Frauenfußball auch wieder was zurückgibt und den Fokus darauf lenkt. Der hat nämlich auch nicht so viele andere große Influencerinnen aktuell. Und da frage ich mich auch, wie schlimm ist es denn, dass sie sich dabei dann auch noch für Make-up und Mode interessiert. Das macht ja Ihre Sichtbarkeit nicht weniger wertvoll.
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