Ein Meisterwerk ist das nicht – weil wacklig gefilmt und visuell relativ reizarm. Radfahrende rollen durchs Bild, es brummen Autos über eine breite Brücke. Oh, ein Fluss! Ab Sekunde 15: Selfie-Modus. Zu sehen ist ein unrasiertes Gesicht, ein Cap verkehrt herum auf dem Kopf getragen, gülden glänzt ein Nasenpiercing. Umfallen wird der junge Mann nicht – dafür fällt der Dreisatz: «This is crazy. This is so nuts – this is so pretty.»

Echt wahr: Justin Bieber – der kanadische Pop-Superstar höchstpersönlich – fährt auf einem E-Roller durch Genf, wo er offenbar ein paar Tage Ferien macht. Und die ganze Schweiz schaut zu, gebannt von dieser Videowirklichkeit, die an Will Smiths Morgenspaziergang im August 2024 durch Zürich erinnert – ebenfalls mit dem Handy gefilmt, damals kommentiert mit den Wow-Worten: «It’s fantastic.»

Bitte keine Klagen dann, wenn demnächst der ‹Overtourism› zunimmt.

Immer schön zu hören, wenn einer der Grossen dieser Welt Gefallen findet an der kleinen Schweiz. Gut fürs nationale Selbstbewusstsein, noch besser fürs Standortmarketing – und das alles erst noch kostenlos. Stellt sich nur die Frage: Werden diese 27 Sekunden irgendwann als «Bieber-Effekt» in die Annalen der Calvin-Stadt eingehen? Bitte keine Klagen dann, wenn demnächst der «Overtourism» zunimmt. Merci!

Es ist wieder Sommerloch. Aber das Filmchen schlägt auch aus anderen Gründen Wellen. Aus dem Umfeld des Sängers hört man: Bieber hadere. Ernsthafte psychische Probleme, sagen sie. Beziehungsstress – seine Gattin wurde mehrfach ohne Ehering gesichtet, er dafür mit anderen Frauen. Und hat er nicht vor wenigen Tagen aus dem Nichts eine überlange Platte veröffentlicht? Von all den Troubles ist auf der Genfer Montblanc-Brücke nichts zu sehen. Nur kindliches Staunen. Da rauscht einer durch Genf – und er scheint mit sich im Reinen.

Man sieht einen Menschen für einen Moment in einer Welt, die nicht seine ist.

Vielleicht ist genau das der Reiz dieser 27 Sekunden Wackelvideo: Man sieht einen Menschen für einen Moment in einer Welt, die nicht seine ist. Normalerweise gleitet er hinter getönten Scheiben in Limousinen durchs Leben, verschwindet im Schlagschatten seiner Bodyguards direkt in Hotel-Lobbys – wo vielleicht Kameras lauern. Dann doch lieber selber filmen – oder noch besser: sich selber. Warum nicht als Easyrider auf dem E-Scooter, wo das Leben sonst eher heavy ist.

Meine liebste Schweizer Justin-Bieber-Anekdote? Die geht so: Vor ein paar Jahren, mitten in der Nacht, klingelte das Telefon des Zürcher Skaterhallen-Betreibers. Am Apparat: Biebers Manager. Ob man die Halle bitte jetzt sofort öffnen könne – seinen Schützling gelüste es zu skaten. Der verschlafene Schweizer hörte zu, sagte sinngemäss: «so, so», legte auf und sich wieder ins Bett. 

Vielleicht nicht die feine englische, dafür eine sehr schweizerische Art auf Stars zu reagieren, die ja gewöhnlich eher zu viel Aufmerksamkeit geniessen als zu wenig.

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