Bei der Berlinale feiert mit "Köln 75" ein besonderer Musikfilm Premiere. Darin spielt Mala Emde die junge Vera Brandes, die schon im Alter von 14 Jahren erste Jazz-Konzerte in Köln veranstaltete. 1975 dann bringt sie Jazz-Pianist Keith Jarrett in die Domstadt, wo er sein bis heute legendärstes Konzert auf einem defekten Flügel spielt.

Die Umstände sind widrig, das Musikbusiness ist damals - wie heute - eine Männerdomäne. Und dennoch setzt sich die Teenagerin über alle Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, hinweg. "Köln 75" ist also nicht einfach ein Film über ein ein Konzert und die meist verkaufte Jazz-Platte aller Zeiten, sondern auch ein Coming-of-Age- und Emanzipationsdrama.

Gespielt wird Brandes von der 28-jährigen Mala Emde, unter anderem bekannt aus der Serie "Oh Hell" und Filmen wie "Die Mittagsfrau" und "Aus meiner Haut". Im Interview mit ntv.de spricht Emde darüber, was sie von Vera Brandes' Geschichte gelernt hat und wie wichtig es ist, Dinge zu tun, anstatt bloß darüber zu reden.

ntv.de: Wie groß ist die Verantwortung, eine reale und noch lebende Person wie Vera Brandes zu spielen? Habt ihr euch euch auch persönlich getroffen?!

Mala Emde: Es ist eine riesige Verantwortung, und die kann einen auch erschlagen. Am Anfang hatte ich großen Respekt davor und habe Vera erstmal vorsichtig kontaktiert. Nach ein paar Telefonaten dachte ich: Ich würde sie wirklich gerne treffen. Sie lebt im Ausland, also bin ich hingeflogen, habe mir einen Mietwagen genommen und bin stundenlang gefahren. Wir hatten einen Treffpunkt auf einem Parkplatz - um sieben Uhr. Aber nicht so, wie man es heute kennt, wo man noch kurz schreibt: "Bist du wirklich da? Zehn Minuten später vielleicht?" Nein, sie hatte sieben Uhr gesagt, also war ich da. Und dann - niemand.

Das klingt doch schon mal abenteuerlich.

Allerdings. (lacht) Ich stand da, irgendwo am anderen Ende der Welt, es war dunkel, der Parkplatz wirkte gruselig - und sie kam nicht. Ich dachte nur: Super. Aber dann, nach einer Weile, tauchte plötzlich ein kleines Auto auf, sie sprang heraus und rief: "Na los, Mala, worauf wartest du?" Da wusste ich: Alles wird gut. Sie hat mir einen riesigen Vertrauensvorschuss gegeben, sich mir komplett geöffnet. Ich durfte in ihre privaten Dinge schauen, und wir haben so viel geredet, dass sie irgendwann meinte: "Mala, jetzt weißt du mehr als meine besten Freundinnen."

Was ist es, was du selbst von dieser Geschichte, von Vera Brandes, gelernt hast?

Ich glaube, ein kreativer Prozess ist immer schwierig, weil so viel schiefgehen kann. Unsere Geschichte erzählt von einem Mädchen, das einfach nur ein Konzert organisieren will. Und dahinter steckt so viel mehr. Wir sehen immer den Künstler, wenn er auf die Bühne tritt, oder mich auf einem roten Teppich in einem schönen Kleid. Aber das ist Filmemachen. Damit ich jetzt hier sitzen kann und dieses Poster existiert, haben Hunderte von Leuten daran gearbeitet. "Köln75" erzählt genau das: die Geschichte hinter den Kulissen. Von den Menschen, die ihr ganzes Leben für so einen Moment geben. Und es läuft nie glatt. Eigentlich ist es eher ein Wunder, wenn mal etwas auf Anhieb funktioniert.

Was wusstest du über die ganze Geschichte, bevor du das Drehbuch gelesen hast?

Natürlich war das vor meiner Zeit! Aber die 70er waren für mich schon immer ein Sehnsuchtsort. Da haben Menschen wirklich daran geglaubt, dass Kunst etwas verändern kann. Sie waren wild, haben sich neu entdeckt und nicht nur dekonstruiert, sondern auch Neues konstruiert. Als ich das "Köln Concert" gehört habe, dachte ich sofort: Boah, das ist etwas Besonderes. Ich war mit 16 oft in Jazz-Bars, weil ich nicht cool genug für Clubs war - oder mich nicht getraut habe.

Oder du warst zu cool für die Clubs?

Ja, jetzt im Nachhinein kann man das so erzählen! (lacht) Aber damals hat es sich nicht so angefühlt. Ich hatte dann auch eine lange Zeit, in der Jazz für mich keine Rolle gespielt hat. Unser Regisseur war übrigens auch kein Jazzliebhaber. Aber was wir teilen, ist die Liebe zur Musik im Allgemeinen. Musik schafft einen Raum, in dem wir einfach mal sein können - und das brauchen wir gerade heute, wo die Welt so verrückt spielt.

"Köln75" ist auch eine Emanzipationsgeschichte. War das für dich ein entscheidender Faktor?

Ja, auf jeden Fall. Vera ist in einer männerdominierten Welt aufgewachsen und hat einfach gesagt: "Wenn du nein sagst, sage ich jetzt erst recht ja." Das ist etwas, das nicht nur für Frauen gilt, sondern für alle, die einen Traum haben. Es geht nicht darum, dass alle jetzt Jazz-Konzerte organisieren sollen. Es geht darum, dass du, wenn du zum Beispiel sagst: "Ich will den besten Döner der Welt machen", das einfach tust.

Da hast du aber Mustafas Gemüsedöner als Konkurrenz!

Ja! Oder ich mache gleich direkt daneben meine eigene Bude auf. (lacht) Aber genau darum geht es.

War es für dich also auch wichtig, eine starke Frauenfigur zu erzählen? Ist das bei der Auswahl deiner Rollen ein Thema?

Das Drehbuch hat mich sofort fasziniert. Es ist nicht der typische Musikfilm, in dem ein Künstler auf ein Podest gestellt wird. Es geht um ein Mädchen, wie du und ich es sein könnten, das sich traut und einfach Dinge macht. Und ich finde es gut, dass sie nicht perfekt ist. Ich mag keine Erzählungen, in denen Frauen so stark dargestellt werden, dass sie keine Fehler mehr machen dürfen. Das setzt nur noch mehr Druck auf uns alle. Das "Köln Concert" ist eine der legendärsten Aufnahmen - und es wurde auf einem kaputten Klavier gespielt! Manchmal sind es genau diese unperfekten Dinge, die etwas besonders machen. Letztens habe ich eine Absage bekommen, und eine Freundin meinte: "Glückwunsch! Bei Absagen lernt man mehr." Das fand ich großartig.

Gleichberechtigung ist in der Filmbranche immer noch ein Problem. Siehst du Veränderungen?

Ja, aber es ist kompliziert. Frauen werden ab einem gewissen Alter kaum noch besetzt - während Männer einfach weiter Hauptrollen spielen. Gleichzeitig fürchten manche Männer, sie verlieren ihre Positionen. Aber das Problem ist doch, dass generell zu wenig Geld für Kultur da ist. Wir werden gegeneinander ausgespielt.

Ist Kunst in so einer gespaltenen Welt noch relevant? Oder gar relevanter denn je?

Absolut! Kunst ist einer der wenigen Orte, an denen man die richtigen Fragen stellen kann, ohne einfache Antworten geben zu müssen. Und sie schafft Erleichterung. Zwei Stunden lang nicht an Politik oder Krisen denken - das ist so wichtig, um neue Ideen zu entwickeln.

Was kommt als Nächstes für dich?

Jetzt kommt erstmal die Kinotour. Wir reisen von Stadt zu Stadt, wie eine Band. Im Sommer drehe ich wieder, und Ende des Jahres kommt ein neuer Film mit Louis Hofmann und mir auf Netflix. Ich bin gespannt, was noch kommt. Ich liebe das Ungewisse. Naja, manchmal macht es mich auch wahnsinnig. (lacht)

Mit Mala Emde sprach Nicole Ankelmann

"Köln75" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.

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