Erik Satie ist ausgerechnet der Komponist, den viele Menschen hören, die mit klassischer Musik sonst wenig am Hut haben. Seine Stücke laufen in Streaming-Playlists unter Kategorien wie «Entspannung» oder «Minimal Piano».

Dabei war der Mann selbst alles andere als ein behaglicher Klassiker – sondern ein Einzelgänger, Spötter und Avantgardist wider Willen, der oft gar nicht als Musiker gelten wollte. «Glauben Sie nicht, dass es sich bei meinem Werk um Musik handelt», schrieb er: «Ich mache Phonometrie – so gut es eben geht.»
Kühle Skulpturen
Was seine Werke trotzdem so anschlussfähig macht: Sie wollen nichts. Kein Pathos, keine Virtuosität. Stattdessen: Klarheit, Stille, Reduktion. Die berühmtesten Beispiele sind die drei «Gymnopédies» – einfache Klavierstücke, die sich fast schwerelos durch den Raum zu bewegen scheinen.
Der Pianist Reinbert de Leeuw, einer ihrer bekanntesten Interpreten, meinte dazu, sie wirkten «wie Skulpturen – schön und kühl zugleich, ohne einen Anflug von Sentimentalität.»
Stillstand als Stilmittel
Geboren 1866 in der Normandie, lebt Satie später in Paris, teils unter prekären Bedingungen. In einem winzigen Zimmer, das er selbst «meinen Wandschrank» nannte, komponierte er gegen alles, was in der Musik seiner Zeit als «gross» und «bedeutend» galt. Seine Werke entwickeln sich nicht, sie scheinen auf der Stelle zu treten. «Keine Entwicklung, keine Gegenüberstellung», erklärte de Leeuw, «alles ist konzentriert auf das Wenige.»
Der Akkordeonist Teodoro Anzellotti, der Satie neu und ungewöhnlich interpretiert hat, spricht von einer Musik, «die keine Melancholie vorgibt, sondern durch ihre Objektivität berührt – und in eine Fremdheit kippt, die fast hilflos macht.» Gerade, weil diese Stücke auf Effekt verzichten, entfalten sie ihre Wirkung im Verborgenen.
Der Klang der Moderne – vor der Moderne
Saties Musik inspirierte auch viele Komponisten seiner und späterer Generationen. Claude Debussy orchestrierte seine «Gymnopédies». John Cage entdeckte in Saties «Vexations» – einem winzigen Motiv, das 840 Mal wiederholt werden soll – das radikalste Prinzip der musikalischen Wiederholung.

Cage organisierte 1963 die erste vollständige Aufführung, die über 18 Stunden dauerte. Für de Leeuw war das Stück ein «Statement über statische Musik» – seiner Zeit weit voraus.
Möbelmusik
Satie selbst entwickelte auch die Idee einer Musik, die gar nicht beachtet werden sollte: die «musique d’ameublement», eine Art Vorläufer der Ambient-Musik. Sie sollte «das Schweigen zwischen Gästen möblieren», wie er es formulierte – diskret und antitheatralisch.
Der Einfluss – und das Vermächtnis
Trotz – oder gerade wegen – seiner Unangepasstheit, versammelten sich jüngere Komponisten um den skurrilen Mann mit Melone und kastanienbraunem Samtanzug. Die «Groupe des Six», darunter Darius Milhaud und Francis Poulenc, verehrten Satie als eine Art Sokrates der Musik.
Satie selbst jedoch hielt wenig von einem sektiererischen «Satieismus». Er erklärte: «Es gibt keine Satie-Schule. Der Satieismus wüsste nicht, wie er bestehen sollte.» Was bleibt also von Satie? Musik, die einfach nur schön ist, manchmal auch komisch, und dabei gelegentlich die Grenzbereiche des Kitschs streift.
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