Er kam als Harry Heine – und reiste als Heinrich Heine wieder ab. Weil das Ganze vor genau 200 Jahren geschah, am 28. Juni 1825, ist Heiligenstadt im thüringischen Eichsfeld heute nicht nur eine Theodor-Storm-Stadt (der Dichter aus Husum wirkte hier sieben Jahre als Kreisrichter und hat ein kleines Museum), sondern auch ein Heine-Gedenkort. Es gibt den Heinrich-Heine-Park mit Heine-Denkmal und einen Heine-Raum im Storm-Museum. Dort befinden sich ein Faksimile des Taufregisters, eine Replik der Taufschale. Und allerlei Korrespondenz.
Heine hatte um absolute Diskretion gebeten, weshalb das Sakrament nicht in der St.-Martinskirche stattfand, sondern im Haus des Superintendenten Gottlob Christian Grimm. Vor Heine hatte es in Heiligenstadt erst einmal eine sogenannte Proselytentaufe gegeben, und „für die hatte man Hunderte von Stühlen in die St. Martinskirche schaffen müssen“ – „Judentaufen waren damals eine Sensation“, schreibt der Theologe Ferdinand Schliengensiepen in seiner Publikation „Heinrich Heines Taufe in Heiligenstadt“. Das Pfarrhaus, in dem Heines Taufe vollzogen wurde, steht heute nicht mehr. Zu Heines 175. Taufjubiläum im Jahr 2000 wurde an der Mauer der evangelischen Pfarrei (Ecke Sperbergasse/Knickhagen) eine Bronzetafel angebracht: „An dieser Stelle stand das Haus, in den Heine am 28. Juni 1825 von Superintendent Grimm getauft wurde.“ „Christian Johann Heinrich Heine“, so steht es im Verzeichnis der Getauften von St. Martin. Taufzeuge war Dr. Bonitz aus Langensalza. Dem Taufakt gingen ein erstes Treffen und einige Briefe und Verwaltungsschreiben voraus.
Heine will Geheimhaltung
Am 24. Mai 1825 war Heine mit seinem Wunsch in Heiligenstadt persönlich vorstellig geworden. Der Pfarrer konnte dem Taufanwärter jedoch keine vollständige Geheimhaltung zugestehen. Er musste über den Vorgang Akten anlegen und die Regierung in Erfurt in Kenntnis setzen: „Ein Israelit aus Düsseldorf gebürtig Namens Harry Heine, 25 Jahre alt, … hat sich zur Taufe bei mir gemeldet. Er studiert in Göttingen die Rechte und will nicht dort, wo man ihn kenne, sondern hier, wo er fremd sey, die Taufe empfangen, und zwar in aller Stille.“ Der Pfarrer musste Auskünfte über Heines Leumund einholen und eine Unterrichtung Heines in der christlichen Religion nachweisen.
Zu den bis heute kuriosen Spuren, die Heines Taufe hinterlassen hat, gehört ein 1877 in der Unterhaltungszeitschrift „Gartenlaube“ erschienener Text mit dem Titel „Die Taufe des deutschen Aristophanes“. Hier werden die Ereignisse des Tauftages von einem anonymen Autor mit den Initialen W.T. im Re-live-Modus ausgeschmückt.
Heines Konversion füllt inzwischen ganze Bibliotheken. Sie beschäftigt Biografen, Philologen, Theologen – und notorisch auch Antisemiten. Der berüchtigte Heinrich Treitschke sagte Heine nach, „aus verächtlichen Gründen und ohne jeden Erfolg“ zur Taufe gegangen zu sein. Heine wollte der Diskriminierung entkommen – und blieb ihr posthum ausgeliefert. In diesem Sinne darf man Heines berühmte Sentenz von 1830, die auf einem Blatt im Nachlass gefunden wurde, nicht nur als Pragmatismus lesen: „Der Taufzettel ist das Entrée Billet zur europäischen Kultur“.
Heine war, bei allem Spott gegenüber Kirche und Obrigkeiten, ein sehr bibelkundiger Autor, der dem Protestantismus als Befreiungsbewegung viel abgewinnen konnte. Aber auch seine kulturelle Prägung als Jude hat Heine zeitlebens beschäftigt. In Briefen an seinen Freund Moses Moser hat sich Heine rückblickend negativ über seine Taufe geäußert. Am 9. Januar 1826 schreibt er: „Ich bin jetzt bei Christ und Jude verhasst. Ich bereue sehr, dass ich mich getauft hab; ich sehe noch gar nicht ein, daß es mir seitdem besser gegangen sei, ich habe seitdem nichts als Unglück.“
Alles Schriftstellerleben sei Papier, heißt es. In dieser Reihe treten wir den Gegenbeweis an.
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