Ed Clark (1926 bis 2019) hätte allen Grund gehabt, sauer zu sein. Geboren in New Orleans, aufgewachsen in Chicago und groß geworden in New York, hielten ihn – einen der herausragendsten abstrakten Maler seiner Zeit – der Kunstmarkt und die Museen fast sein Leben lang klein. Doch seine energisch auf die Leinwand gebrachten Farbstreifen leuchten und vibrieren wie Sonnenuntergänge, und sie zeugen von einer Zen-artigen Konzentration, die so gar nicht zu seinem lustvollen Lebensstil passte.

Ed Clark wusste, wer er war – und er muss erkannt haben, dass die kleinen, von afroamerikanischen Künstlern betriebenen Galerien in Downtown Manhattan zu klein für ihn waren. Er hätte weiter oben mitspielen müssen, zwischen dem Museum of Modern Art und den Galerien von Betty Parsons und Sidney Janis, wo Jackson Pollock, Mark Rothko und Willem de Kooning als die erste Generation abstrakter Expressionisten Kunstgeschichte schrieben. Clark trank mit ihnen in der Beatnik-Kneipe Cedar Tavern, ebenso wie er mit Donald Judd und Yayoi Kusama befreundet war. Doch für Schwarze war kein Platz im Kunstbetrieb.

In den großen Kunstmuseen der USA präsentiert zu werden, ging nur mithilfe von Ausstellungen mit Titeln wie „Afro-American Artists: New York and Boston“ 1970 im Museum of Fine Arts in Boston oder „Afro-American Abstraction“ 1980 im New Yorker P.S.1. Das war so, als hätte man das Getto von der Straße in den White Cube geholt. „Niemand würde darauf kommen, eine Schau über ‚weiße Künstler‘ zu machen“, konstatierte Clark in einem Interview 1980 – dem Jahr, als das Studio Museum in Harlem seine Retrospektive ausrichtete und fünf Jahre, bevor William Rubins Buch „Primitivismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ erstmals darauf hinwies, dass die Avantgarde von Picasso bis Pollock ohne die Kunst aus den Kolonien Afrikas und Ozeaniens nicht denkbar ist.

Ed Clark: Künstler durch und durch

In diesem Klima hielt sich Clarks Reichweite also in Grenzen. Erst 2013, als ihn das Art Institute in Chicago und der Künstler David Hammons in der Jack Tilton Gallery in New York präsentierten, wurde er von einem größeren Publikum „entdeckt“. Fortan vertrat ihn die Megagalerie Hauser & Wirth. Doch da er damals bereits an Demenz litt, ging der späte Ruhm weitgehend an ihm vorbei.

Dass Ed Clark nie verbitterte, sondern das Leben exzessiv genoss, erzählt seine Tochter Melanca WELT: „Er liebte das Leben und die Frauen, und er war ein wundervoller Vater. Die Idee von Treue war ihm fremd, auch wenn er viermal verheiratet war. Er bereiste die Welt und sog alles in sich auf. Und er verkörperte er genau das, was er war: Künstler durch und durch.“ Clark wusste das schon von klein auf. Das Kunststudium in Chicago ermöglichte ihm die G.I. Bill für Veteranen, nachdem er im Zweiten Weltkrieg auf Guam gedient hatte. Das Geld reichte, um es in Paris fortzusetzen.

Im Louvre stand er stundenlang vor den Impressionisten und den rosa und hellblau leuchtenden Gemälden der Renaissance. Er freundete sich mit Joan Mitchell, Sam Francis und Al Held an, den amerikanischen Künstlern der dortigen Szene, und er traf sein Idol, den abstrakten Maler Nicolas de Staël. Seinen figürlichen Malstil legte er schnell ab und landete im Kubismus, der da allerdings schon fast verjährt war.

Als Kunstzentrum wurde das Paris der Nachkriegszeit gerade von New York abgelöst, wo der Abstrakte Expressionismus als Inbegriff des amerikanischen Freiheitsgefühls aufkam. Also packte Clark 1956 die Koffer fand dort mit dem Action Painting seine Sprache: eine Mischung aus Farbfeldmalerei und expressiven, aber dennoch reduzierten, klar und oft horizontal gesetzten Gesten, die er mit einem Besen auf raumfüllende Leinwände brachte.

Wie hochpolitisch und diese subtil performative Geste war, hat damals niemand verstanden, und auch Clark sah seine Kunst nicht als Politik. Sie war für ihn das Feld der Emotionen, so wie das Leben selbst es war. Statt einer „In your face“-Metapher für die Unterdrückung der Schwarzen war der Besen vor allem die Verlängerung seines Armes und die Malerei das Medium, mit dem er nichts anderes als Licht und Raum erzeugen wollte.

„Ich versuche, das Farbfeld als solches herauszufordern“, sagte er 1980 in einem Interview. „Manchmal scheitere ich, wenn es zu sehr an Natur erinnert, denn darauf will ich nicht bewusst hinaus. Ich möchte malen, wie die Farbe wirkt, auch psychologisch.“ Heraus kamen Bilder von einer so sinnlichen Sogkraft und pulsierenden Präzision, dass man sich fragt, wie sie so lange im Dunkeln der Kunstgeschichte bleiben konnten.

Clark wusste darauf schon früh eine Antwort. 1969, als er temporär wieder in Paris wohnte, schrieb er einen Artikel in der Publikation der Galerie Maeght über den Rassismus in der Branche, in der „weiße Künstler totale Freiheit haben, während Schwarze keinerlei Unterstützung bekommen.“ Anlass war seine Teilnahme an der Schau „Les Trois Noirs U.S.A.“ im American Center for Artists in Paris, der er nur widerwillig zugestimmt hatte.

„Mir gefiel es nicht, weil es sich für mich so anfühlte, als würde man Amerikas schmutzige Wäsche in Frankreich ausbreiten“, sagte Clark in dem besagten Gespräch. „Und tatsächlich – sie bewerteten die Ausstellung nicht ästhetisch, sondern politisch. Sie wurde in allen Magazinen erwähnt, aber nie ging es um die Werke, sondern nur um das Schicksal der Schwarzen in Amerika. Ich fühlte mich dabei nicht wohl. In Frankreich hatte ich mich bis dahin immer einfach als Künstler gefühlt.“ Als solche Motto-Ausstellungen auch in den USA stattfanden, gaben Besitzer von Clarks Werken seine Bilder ohne sein Einverständnis als Leihgaben.

Oft waren es schwarze Sammler, die, wie Clark beklagte, nur schwarze Künstler kauften. Dass deren Kunst, wie er es umschrieb, immer „irgendwie ‚ethnisch‘ und ‚dschungelhaft‘“ aussehen musste, um überhaupt gesehen zu werden, ärgerte ihn ebenfalls – dazu zählte er auch die Malerei von Jean-Michel Basquiat und Faith Ringgold. Für ihn bedienten sie schwarze Klischees des „Primitiven“, statt in künstlerische Fragen einzutauchen und sich im Kunstbetrieb auf Augenhöhe zu behaupten.

Man würde gern wissen, was Clark zu den Tendenzen der vergangenen Jahre gesagt hätte, als Galerien, Museen und Biennalen begannen, sich im Namen der sogenannten Identitätspolitik in spröde, ethnografische Kitschkabinette zu verwandeln, in denen Ästhetik gegen Politik eingetauscht wird und Wandtexte sich lesen wie Aufsätze aus dem Sozialkundeunterricht. Clark dagegen hat in seiner Downtown-Szene keine „Black Art“-Bewegung erlebt: „Es wurde nicht politisch über Rasse gesprochen oder in die Kunst hineingelesen.“ Dennoch wusste er genau, wie die Machtmechanismen funktionierten.

„Ich bekomme jetzt wegen der ‚Schwarzen-Thematik‘ mehr Aufmerksamkeit, auch wenn im Museum of Modern Art niemand meinen Namen kennt“, sagte er. „Ich bin sicher, es ist unbewusst. Die Kuratoren denken nicht: ‚Wir schließen schwarze Künstler aus.‘ Das ist das Letzte, woran sie denken. Sie ignorieren uns einfach – weil sie sich nicht vorstellen können, dass wir dazugehören.“

Die Qualität von Clarks Arbeiten, die bei Hauser & Wirth beim Zurich Art Weekend vorgestellt werden, spricht in ihrer Energie für sich. Seine Bilder sind klar, kraftvoll und autonom, strahlend, ernsthaft und lebensfroh. Sie sind Akte der Selbstbehauptung, ohne Politik zu machen. Das Pochen auf Identität, um sich abzugrenzen und sich allein über seine Zugehörigkeit zu einer unterdrückten Minorität zu identifizieren, hätte seinem Kunststreben widersprochen.

Ed Clark wollte kein Opfer sein, weder als Mensch noch als Künstler. Sosehr er Ausgrenzung und Rassismus erfahren musste und benannte, so eigenmächtig setzte er sich darüber hinweg und lebte das Leben, das ihm gefiel. Er wusste: „Ein großes Kunstwerk steht über allem. Es ist egal, ob Goya weiß oder schwarz war.“

„Ed Clark. Paint Is the Subject“, 13. Juni bis 13. September 2025, Galerie Hauser & Wirth, Zürich. Die Ausstellung eröffnet zum Zurich Art Weekend, das vom 13. bis 15. Juni in mehr als 70 Galerien, Museen und Off-Spaces stattfindet.

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