Vielleicht sollte jeder, wenn sein Morgen wieder so war, wie die Morgen gerade gern sind, wenn man also von schlechten Nachrichten aus unruhigen Träumen geweckt wird, jemanden anrufen können wie Florence Kasumba. Die sitzt irgendwo in Berlin und antwortet, sobald man ihr am Telefon vorsichtig die übliche Eingangsfrage stellt, wie es ihr geht, nicht etwa mit dem üblichen Gehtsomussja, sondern mit: „Ich bin erfüllt.“

Irgendwann, da war sie Teenager und ging in Essen aufs Bischöfliche Gymnasium, hat die 1976 im ugandischen Kampala geborene Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin, Kampfsportlerin eine Liste gemacht, was sie alles im Leben erreichen wollte. Hat ihr keiner gesagt, dass sie das tun sollte. So ist sie nun mal. Abitur machen stand auf der Liste und Studium und einen Job finden, Kinder bekommen.

Strukturiert war sie schon immer, diszipliniert auch. „Ich hatte schon früh eine Meise. Und hab’ Buchführung gemacht für mich selbst. Wahrscheinlich, weil wir kaum Geld hatten, und ich früh angefangen habe zu arbeiten, um mir Gesangs- und Tanzunterricht leisten zu können. Deswegen musste ich genau planen.“

Ihre Liste jedenfalls hat sie, sagt sie, schon ungefähr 2006 abgearbeitet. „Seitdem lasse ich es einfach nur laufen.“ Seitdem läuft alles nur noch besser, sind ihr viele Dinge passiert, die sich gar nicht planen ließen, eins kam zum andern.

Florence Kasumba steht immer noch in Musicals auf der Bühne. Sie ist eine der wenigen deutschen Schauspielerinnen, die es in Hollywood geschafft haben, kämpfte sich mit Chadwick Boseman durchs Bootcamp, stand für „König der Löwen“ als Tüpfelhyäne Shenzi neben Beyoncé und Donald Glover im Synchronstudio.

Bei den „Black Panther“-Filmen war sie dabei, bei „The First Avenger – Civil War“, in der Ufa-Serie „Deutschland 86“, eine Fee im ZDF-Weihnachtsmärchen „Dornröschen“. Und war von 2019 an bis vergangenes Jahr an der Seite von Maria Furtwängler die Göttinger „Tatort“-Kommissarin Anaïs Schmitz. Zwei Kinder hat sie obendrein.

Sie, die so schroff gucken kann und verschlossen und distanziert, die hart sein und so physisch spielen kann wie kaum eine andere zumindest im deutschen Fernsehen, erzählt – na ja – ganz erfüllt davon, offen, warm. Man hört ihr gern zu und hat tatsächlich das Gefühl, dass alles noch gut werden kann. Den leichten Ruhrpott-Akzent allerdings bekommt die Wahlberlinerin wahrscheinlich nie im Leben wirklich weg. Beim ersten „Tatort“ wurde sie deswegen nachsynchronisiert, weil sie nicht „afrikanisch“ genug klang.

Da schaut man auf seinen Kühlschrank gegenüber und die Karikatur, die da hängt. Wo ein kartoffeliger Mann mit Hund zu einem Schwarzen mit Skateboard unterm Arm sagt: „Geh’ gefälligst dahin, wo du herkommst.“ Worauf der Skateboarder antwortet: „Was soll ich in Dortmund.“ Diskriminierung hat sie schon erfahren und das Gefühl, nicht dabei sein zu dürfen, und irgendwann hat sie mal gesagt, dass sie nicht möchte, dass ihre Kinder aufwachsen würden wie sie.

Dass sie schwarz ist, sagt Florence Kasumba, hat sie allerdings erst wirklich gefühlt, als sie ins deutsche Fernsehen kam. Bis dahin, sagt sie, „hatte ich mit Hautfarbe nichts zu tun in meiner Karriere. Ich war ein ganz normales Kind“, sagt sie.

Ein Kind, das sich mit zwölf, ungefähr gleichzeitig mit ihrem Bühnendebüt, mit dem Musical-Virus infiziert hat, damals in Bochum bei „Starlight Express“. Das da hinwollte unbedingt. Saxofon lernte und Jazz und tanzen und steppen. Und nach dem Abitur für vier Jahre ins niederländische Tilburg ging, so gut vorbereitet – so ist sie halt –, dass sie – im Fach Stepptanz – das erste Studienjahr gleich überspringen konnte.

2000 war ihr Showdebüt bei „Die Schöne und das Biest“. Da, sagt sie, „hat es keinen gejuckt, wie ich aussehe“. Die Musical-Szene würde gar nicht existieren ohne Sänger, Schauspieler, Tänzer mit migrantischen Wurzeln. „Wie soll man sonst ,Cats‘ spielen oder ,König der Löwen‘“, sagt sie. „Das Musical ist ein farbenblindes Universum.“

Deutsches Fernsehen ist bunter

Deswegen war sie – „ich komme dahin gehend aus einem Wohlfühlbereich“, sagt sie – schon ein bisschen verwundert von der Sensation, die sie als „erste schwarze ,Tatort‘-Kommissarin“ machte und die sie tatsächlich war. Wobei sie nicht müde wird, ihre Pionierleistung herunterzureden. Denn abseits des letzten großen Lagerfeuers, um das sich die Nation regelmäßig versammelt, ist die deutsche Fernsehlandlandschaft inzwischen diverser, als sie gern gemacht wird.

Die Fokussierung auf den Sonntagabendkrimi als Messlatte der Buntheit findet Florence Kasumba unfair. In Formaten, die sonst keiner mitbekommt, spielen inzwischen deutlich mehr People of Colour mit als noch 2018. Dass in Sachen Diversität das deutsche Fernsehen den großen Streamern – Disney vor allem – immer noch hinterherhinkt, möchte sie dabei gar nicht schönreden.

Aber sie hat eigentlich keine Angst – die kennt sie sowieso nicht, weil Angst niemanden weiterbringt, sagt sie – davor, dass sich das bisher Erreichte in Film und Fernsehen zurückdrehen lässt. Auch wenn in vorauseilender Unterwerfung unter die anti-woke Doktrin des Donald Trump deutsche Firmen ihre Diversitätsprogramme zurückfahren.

Wobei Florence Kasumba trotz allem nicht so richtig an die Selbstheilungskräfte des deutschen Fernsehens in Sachen Diversität glaubt. Sie ist „ein absoluter Quotenfan“. Solange jedenfalls alle, was ja nicht der Fall ist, „nicht von sich aus sagen, dass wir alle möchten, dass jeder mitgedacht wird, jede Geschichte abgebildet, erzählt wird“. Gäbe es eine Quote, würden so viele unterschiedliche Leute am Tisch sitzen wie irgend möglich und miteinander reden, einander zuhören.

Es geht, sagt sie, die aufgewachsen ist ohne deutsche Rollenvorbilder in den Medien, deren Idole aus amerikanischen Serien stammten, immer um Sichtbarkeit. „Was ich sehe, vor allem in einer positiven Art, an das erinnere ich mich. Auf das kann ich zurückgreifen.“

Das kann Menschen aus ihrer Bubble helfen; helfen, sich mit anderen Geschichten zu beschäftigen. Filme sind natürlich Entertainment, sagt sie, aber sie bauen auch Brücken, bilden Gesellschaft ab, sind Einladungen zum Gespräch über Diversitäten und Befindlichkeiten, sind Bildung und Spiegel der Welt, wie sie nun mal ist. Es gibt, sagt Florence Kasumba, so viele Informationen da draußen, jeder kann sie sich besorgen. Er muss es nur wollen.

„Unser Leben ist eine Schule“

Bereit sein, „rauszugehen“. Mensch zu bleiben. Menschen zu begegnen, auf Menschen zuzugehen, Mitgefühl zu entwickeln für Menschen, die leiden, herauszufinden, warum das so ist. „Unser Leben“, sagt Florence Kasumba, „ist eine Schule.“

Die Direktorin ihrer Lebensschule war ihre Mutter. Zu der konnte sie immer kommen. Vor der gab es kein Geheimnis, kein Tabu. Von der wurde sie geliebt, was auch immer passierte. Von der sie von Anfang an lernte, so wie du bist, bist du gut. Da ist es egal, wenn man hört, du bist zu braun, warum siehst du nicht aus, wie alle anderen. Es gab in Florence Kasumbas Leben diesen Ruhepol, zu dem sie immer kommen konnte, in dem sie immer umarmt, umsorgt wurde, der sie liebte. „So bin ich aufgewachsen, so lebe ich ja immer noch, das gebe ich weiter.“

Wir müssen, das hilft vielleicht gegen die Ängste und gegen die Spaltung in der Gesellschaft, miteinander ins Gespräch kommen, sagt Kasumba. „Wir müssen uns zuhören.“ Weil wir Menschen sind und das können. Weil es uns als Menschen ausmacht.

„Ich versuche, im Englischen sagt man, was fast unübersetzbar ist: ,to be kind‘. Das heißt nicht, dass ich zu jeder Person nett sein möchte, aber nicht von vorneherein vom Negativen, sondern vom Positiven ausgehe. Von dem Kern, den wir alle gemeinsam haben und der uns ausmacht: dass wir Menschen sind, über dieses unterschiedliche Menschsein nicht werten dürfen und dass wir miteinander reden müssen. Dass wir uns zuhören.“

Sagen können: War okay

Ob sie Vorbild sein möchte, ob Schauspieler die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwird, nutzen sollten? „Ich möchte mich so verhalten, dass ich abends in den Spiegel schauen kann beim Zähneputzen und sagen kann: War okay.“

Das könnte dazu beitragen, die Gesellschaft zu heilen. Brücken zu bauen. Gemeinschaft herzustellen. Kann übrigens jeder, sagt Florence Kasumba: „Ich entscheide doch, was ich über mein Gegenüber denke. Und wenn das positiv ist. Dann sieht die Welt einfach schon mal besser aus.“

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