Die Regierung will zeigen, dass sie handlungsfähig ist: Nach einer Nachtsitzung stehen Einigungen bei der Aktivrente, Geld für Infrastruktur und Bürgergeld-Sanktionen. Doch das Verbrenner-Aus könnte noch für Zwist sorgen.
Es ist 2:20 Uhr in der Nacht, als die letzten Verhandler das Kanzleramt verlassen. Achteinhalb Stunden haben die Koalitionäre zusammengesessen. Am Morgen danach sitzen vier müde Parteivorsitzende bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt.
Nach wochenlangen Diskussionen verkündet Bundeskanzler Friedrich Merz das Bürgergeld-Aus, mehr Geld für den Straßenbau und steuerfreies Arbeiten für Rentnerinnen und Rentner. Die übermüdeten Politiker wirken nicht euphorisch, aber doch einigermaßen zufrieden, dass man sich einigen konnte.
Hoher Erwartungsdruck
Denn die Welt wird von Krisen geschüttelt, die Wirtschaft stagniert und die Zufriedenheit mit der schwarz-roten Koalition ist nach nur fünf Monaten auf Ampel-Niveau angekommen. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend sind nur noch 21 Prozent zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung.
Und so war der Erwartungsdruck groß, als sich die Koalitionäre gestern Abend zusammensetzen. Auch, weil der Bundeskanzler selbst die Messlatte hochgelegt hatte, als er einen "Herbst der Reformen" ausrief.
Der Kanzler lobt am Morgen die "gute Zusammenarbeit" und die "sehr gute Arbeitsatmosphäre". Er will nach Monaten der Unruhe Einigkeit demonstrieren.
Infrastruktur: Bagger sollen rollen
Zuletzt gab es Ärger um fehlendes Geld für die Infrastruktur. Verkehrsminister Patrick Schnieder forderte von Finanzminister Lars Klingbeil 15 Milliarden Euro zusätzlich und lieferte gleich noch eine Liste von Autobahnen, die leider nicht gebaut werden könnten. Und das, obwohl die Koalition doch gerade erst ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen aufgelegt hatte.
Klingbeil erklärte heute, er hätte gern auf diesen Streit verzichtet. Es gehe stattdessen darum, "dass in diesem Land das Signal ankommt: Diese Regierung sorgt dafür, dass die Bagger rollen und dass die Straßen gebaut werden."
Dafür gibt es jetzt noch einmal drei Milliarden Euro extra - nur für den Neubau von Straßen. Zusätzlich zu den veranschlagten 166 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen in dieser Legislatur. Das freut CSU-Chef Markus Söder. Die Bayern haben den Ruf, solche Gelder besonders schnell verbauen zu können.
Grundsicherung: "Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben"
Der Kanzler kann an diesem Herbstmorgen weitere Reformen verkünden. Das Bürgergeld wird in Zukunft Grundsicherung heißen. Betroffene sollen so schnell wie möglich in Arbeit vermittelt werden. Versäumen sie drei Termine im Jobcenter, kann die Leistung künftig komplett gestrichen werden, bei weiteren Versäumnissen auch die Miete für die Wohnung. Ausgenommen werden nur Menschen mit schweren Erkrankungen.
Bärbel Bas, die Arbeitsministerin, erklärt streng: "Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben." Der Kanzler nickt wohlwollend. Ein zentrales Wahlversprechen der CDU wird umgesetzt.
Aktivrente: "Viele haben uns nicht zugetraut, dass wir uns einigen"
Das gilt auch bei der Aktivrente. Auch die soll jetzt kommen. Angestellte, die auch nach der Verrentung weiter arbeiten, können künftig 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen. Das Gesetz soll schon am nächsten Mittwoch im Kabinett beschlossen werden und ab Januar in Kraft treten.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der zuletzt von Mitgliedern seiner eigenen Partei kritisiert wurde, betont an diesem Herbstmorgen den gemeinsamen Erfolg in Berlin: "Viele haben uns nicht zugetraut, dass wir uns einigen."
Keine Einigung beim Verbrenner-Aus
Bei der allgemeinen Harmonie geht ein wenig unter, dass es an einem zentralen Punkt weiter hakt: Wie ist die deutsche Position zum geplanten Verbrenner-Aus 2035? Die Union wollte zuletzt die EU-Regelung aushebeln, die SPD will sie allenfalls flexibilisieren.
Hitzig wurde darüber in der Nacht diskutiert. Eine Einigung gab es offenbar nicht. Der Bundeskanzler versuchte vor dem Autogipfel heute, das Beste daraus zu machen. "Wir wollen jetzt erstmal einen Dialog mit der Autoindustrie führen."
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