Seit 2017 werden Menschen mit verhältnismäßig geringen Beeinträchtigungen in den Pflegegrad 1 eingestuft. Die Bundesregierung überlegt offenbar, diese Möglichkeit abzuschaffen. Kritik kommt von Opposition und Verbänden - und auch aus der SPD.
In der gesetzlichen Pflegeversicherung fehlen für das Jahr 2026 rund zwei Milliarden Euro. Angesichts der Lücke gibt es in der Bundesregierung offenbar Überlegungen, den Pflegegrad 1 ganz zu streichen.
Die Kürzung sei eine mögliche Maßnahme zur Konsolidierung der Finanzlage, berichtete die Bild am Sonntag unter Berufung auf übereinstimmende Angaben von führenden Politikern von Union und SPD.
Gremium will bis Mitte Oktober Bericht vorlegen
Wie konkret die Pläne sind, wollte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums nicht sagen. Er verwies auf die aktuell beratende Kommission zur Pflegereform. Das Gremium will bis Mitte Oktober einen ersten Bericht vorlegen.
Führende Politiker von Union und SPD erhofften sich von der Streichung eine Konsolidierung der Finanzlage bei der Pflegeversicherung, so das Blatt. Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung habe das damit verbundene Einsparvolumen auf circa 1,8 Milliarden Euro pro Jahr berechnet.
Folgen für Hunderttausende
Die Entscheidung könnte Folgen für Hunderttausende Menschen haben: Ende 2024 waren den Angaben zufolge rund 863.000 Menschen im Pflegegrad 1 eingestuft. Es handelt sich dabei um Personen, die nur verhältnismäßig geringe Beeinträchtigungen aufweisen, etwa aufgrund von Wirbelsäulen- oder Gelenkerkrankungen.
Für diese Gruppe bezahlt die Pflegeversicherung keine ambulanten Hilfen durch Pflegedienste oder Pflegegeld. Diese sind den Pflegegraden 2 bis 5 vorbehalten. Allerdings haben Pflegebedürftige im ersten Grad Anspruch auf finanzielle Zuschüsse, wenn sie ihre Wohnung barrierefrei umbauen müssen.
Darüber hinaus steht ihnen ein monatlicher Entlastungsbetrag von bis zu 131 Euro zu. Die entsprechenden Regeln existieren seit 2017. "Durch die Einführung des Pflegegrades 1 wurde der Kreis der Menschen, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten können, deutlich erweitert", heißt es auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums.
Kritik aus der SPD-Fraktion, Warken legt sich nicht fest
Allerdings gibt es in der SPD auch Kritik an den Überlegungen. Als SPD-Fraktion verwahre man sich entschieden gegen Leistungskürzungen in der Pflegeversicherung, teilte der gesundheitspolitische Sprecher Christos Pantazis mit. Die Diskussion sei nicht neu, so Pantazis. Die Union habe diesen Vorschlag bereits in die Koalitionsverhandlungen eingebracht, die SPD habe ihn klar zurückgewiesen.
Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken reagierte zurückhaltend. "Wir werden den Menschen nicht über Nacht etwas wegnehmen", sagte die CDU-Politikerin dem Sender RTL/ntv. Sie schloss eine Abschaffung des Pflegegrads 1 jedoch auch nicht aus.
Das Pflegesystem sei eine große Errungenschaft. "Aber wir müssen jetzt notwendige Änderungen vornehmen, um auch in Zukunft den Menschen noch in gewohntem Umfang helfen zu können und das System generationengerecht zu machen", so Warken.
Kritik von Opposition und Verbänden
Kritik an den Überlegungen kommt von der Opposition und von Verbänden. "Pflege darf nicht das Sparschwein verkorkster Haushaltspolitik sein", sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen zum Magazin Spiegel. Das Geld, das in der Pflegekasse fehle, habe der Staat in der Pandemie selbst herausgenommen, kritisiert Dahmen. "Wer jetzt bei Pflegebedürftigen spart, greift in ihre Taschen - statt das geborgte Geld zurückzugeben und endlich die versprochene große Pflegereform vorzulegen."
Der Paritätische Wohlfahrtsverband nannte eine mögliche Abschaffung des Pflegegrads 1 "ein fatales Signal". Davon seien nicht nur Menschen mit leichten Einschränkungen betroffen, sondern auch deren pflegende Angehörige. "80 Prozent der Menschen in der Pflege werden zu Hause betreut", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
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