Nach dem Verzicht der Juristin Brosius-Gersdorf auf die Wahl zur Verfassungsrichterin brodelt es in der SPD. Fraktionschef Miersch spricht von erschüttertem Vertrauen, Justizministerin Hubig warnt vor Kampagnen.
Nach dem Rückzug der von der SPD nominierten Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf erwarten die Sozialdemokraten mehr Verlässlichkeit und Loyalität von ihren Koalitionspartnern CDU und CSU. SPD-Fraktionschef Miersch sprach in einem Brief an die sozialdemokratischen Abgeordneten im Bundestag von einer "orchestrieren Kampagne" gegen Brosius-Gersdorf, die Spuren "in unserer Demokratie" hinterlassen habe.
Mit Blick auf das belastete Verhältnis zur Unionsfraktion schrieb Miersch: "Vielleicht fragen sich einige von Euch, wie belastbar diese Koalition überhaupt noch ist, wenn sich der andere Partner nicht an Absprachen hält." In dem Zustand, in dem sich die Unionsfraktion in dieser Sache präsentiert habe, "ist diese Frage berechtigt".
Miersch appelliert an "Spielregeln des Regierens"
Der Koalitionspartner müsse sich zu den Spielregeln des Regierens bekennen, Miersch nannte Verlässlichkeit, Zusammenhalt und Verantwortung. "Nur wenn Zusagen Bestand haben, sind tragfähige Kompromisse möglich." Wer wie Teile der Union agiere, verspiele Vertrauen in die Demokratie.
Die geplante Wahl der Potsdamer Juraprofessorin Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht war im Juli im Bundestag gescheitert, weil der Widerstand in der Unionsfraktion gegen die SPD-Kandidatin zu groß geworden war. "Die Unionsspitze war frühzeitig eingebunden und hat ihre Zustimmung wiederholt signalisiert", schrieb Miersch. Am Donnerstag erklärte Brosius-Gersdorf ihren Verzicht auf die Wahl.
Kritische Stimmen von prominenten Sozialdemokraten
Auch andere Sozialdemokraten forderten einen besseren Umgang in der Koalition. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sagte der Nachrichtenagentur dpa, "Kampagnen" dürften nicht dazu führen, dass man talentierte und qualifizierte Bewerber - und vor allem Bewerberinnen - verliere. "Wir müssen daraus lernen - alle gemeinsam. Es geht um eine bessere Diskussionskultur und darum, solchen Angriffen auf die Demokratie künftig besser standzuhalten."
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vizechef der Bundes-SPD, Alexander Schweitzer, rief ebenfalls zu besserer Zusammenarbeit auf. "Diese Bundesregierung ist zum Gelingen verdammt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Ich kann nur hoffen, dass dies alle vor Augen haben, allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz."
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sagte dem RND zum Rückzug von Brosius-Gersdorf: "Der Tag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der rechte Mob erstmals einen Triumph gefeiert hat. Die demokratischen Parteien haben sich demgegenüber als wehrlos erwiesen."
Die Union müsse endlich verstehen, welchen Dammbruch sie ermöglicht habe. "Beigetragen hat dazu eine Mischung aus Böswilligkeit, Fahrlässigkeit und Schlafwandlerei", sagte Stegner. Kanzler Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn müssten öffentlich und deutlich signalisieren, "dass sie begriffen haben, was da auf dem Spiel steht".
Kanzleramtschef Frei sieht Schwarz-Rot nicht in Gefahr
Der CDU-Kanzleramtschef Thorsten Frei sieht die schwarz-rote Koalition durch die Vorgänge rund um die Richterwahl hingegen nicht gefährdet. Er sei überzeugt, "dass die Regierung insgesamt sich auf eine starke Basis in der Unionsfraktion und in der SPD-Fraktion stützen kann". Deswegen habe er auch keinen Zweifel, dass die Zusammenarbeit in der Koalition gut fortgesetzt werden könne.
Brosius-Gersdorf sei "unzweifelhaft eine untadelige Juristin", sagte Frei - der allerdings einräumte, "dass man natürlich darauf auch früher hätte reagieren können, auch gegenüber der SPD". Jetzt müsse man aber den Blick nach vorn richten und "schauen, dass man diese Aufgabe so schnell wie möglich lösen kann".
Linkspartei fordert Mitspracherecht
Scharfe Kritik kam auch von der Linkspartei, einer möglichen Beschafferin der zur Richterwahl benötigten Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Linken-Chefin Ines Schwerdtner sagte dem Portal t-online, die Vorgänge um Brosius-Gersdorf seien ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Unionsfraktionschef Spahn habe seine Fraktion nicht im Griff.
Die Sozialdemokraten hätten zudem "die Durchsetzungskraft eines schlafenden Kaninchens". So werde eine Regierung keine vier Jahre durchhalten können. Bei künftigen Richterwahlen im Bundestag fordert Schwerdtner ein Vorschlagsrecht und einen Platz am Tisch für ihre Partei.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke