Die Überwachungssoftware des US-Unternehmens Palantir soll dabei helfen, Verbrechen besser und schneller aufzuklären. Ermittler loben sie als Gamechanger. Doch es gibt auch eindringliche Warnungen.

Für viele Ermittlerinnen und Ermittler in Deutschland ist die Sache klar: Die Überwachungssoftware des US-Unternehmens Palantir Technologies ist ein unverzichtbares Werkzeug im Kampf etwa gegen Terrorismus, Kindesmissbrauch und organisierte Kriminalität.

Den Einsatz der Software bezeichnet Florian Leitner, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bayern, im Radiosender Bayern 2 als "aktuell alternativlos". Sein Fazit: "Wir müssen auf Ballhöhe mit den kriminellen Strukturen bleiben."

Auch Dirk Peglow, der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, spricht sich im Sender NDR Info für Palantir aus. Über den Einsatz der Software in Hessen sagt er: "Wir konnten einen Terroranschlag verhindern." Außerdem habe es Fortschritte bei der Verhinderung von Geldautomatensprengungen und organisierter Kriminalität gegeben. Peglow betont, dieses System sei das "einzige funktionierende System", jedenfalls für die heutigen Anforderungen in der modernen Kriminalitätsbekämpfung.

Was Palantir kann

Die Firma Palantir Technologies wurde 2003 in den USA gegründet - unter anderem vom deutschstämmigen Tech-Investor Peter Thiel. Das Hauptprodukt Gotham wurde ursprünglich für US-Geheimdienste und Sicherheitsbehörden entwickelt. Die Software kann große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen und macht sie sofort analysefähig. Ermittler sollen so Verdächtige schneller identifizieren und Straftaten aufklären oder sogar verhindern können.

So soll Palantir den USA dabei geholfen haben, im Jahr 2011 den früheren Al-Qaida-Chef Osama bin Laden aufzuspüren und die Konten des Milliardenbetrügers Bernard Madoff unter die Lupe zu nehmen. In Deutschland nutzen Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits Versionen der Software. In Baden-Württemberg ist die Einführung beschlossen.

Datenschutz, Thiel und Grundrechte

Trotz der Ermittlungserfolge regt sich Kritik - vor allem von Datenschutzorganisationen, IT-Experten und Bürgerrechtsgruppen. Sie warnen vor Abhängigkeiten und fürchten Grundrechtsverletzungen. Ein zentraler Kritikpunkt sind die engen Verbindungen von Mitgründer Peter Thiel zu US-Geheimdiensten und zur Republikanischen Partei. Thiel ist Unterstützer von US-Präsident Donald Trump und vertritt rechtskonservative, teils demokratiefeindliche Positionen.

Aber auch die Funktionsweise der Software sorgt für Kritik. Sie stelle bei der Datenauswertung Verbindungen auch zu Personen her, die sich nie einer Straftat auch nur verdächtig gemacht haben, bemängelt etwa die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Dies verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die GFF hat gemeinsam mit dem Chaos Computer Club Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz der Software in Bayern eingelegt.

Politik tief gespalten

Die Parteien im Bundestag bewerten Palantir unterschiedlich. Während Union und AfD den Einsatz in Deutschland unterstützen, lehnen ihn SPD, Grüne und Linke klar ab.

Palantir sei kein neutraler IT-Dienstleister, sondern ein Unternehmen mit tiefen Verbindungen zu US-Geheimdiensten und klaren geopolitischen Interessen, warnt etwa der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Schätzl. Er sagt: "Wir sprechen über Algorithmen, die möglicherweise mit fehlerhaften Daten arbeiten."

Als "maximal fahrlässig" bewertet der Fraktionsvize der Grünen, Konstantin von Notz, einen Einsatz der Software in deutschen Sicherheitsbehörden. Für ihn ist klar: Ein "solches Unternehmen mit tiefen Verbindungen ins Umfeld von Donald Trump" habe in deutschen Sicherheitsbehörden und im Umgang mit deren Daten "nichts zu suchen".

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Clara Bünger, nennt einen bundesweiten Einsatz von Palantir einen "verfassungswidrigen Tabubruch", der die Privatsphäre von Millionen gefährde und die demokratische Kontrolle sowie den Datenschutz untergrabe.

AfD und Union für Einsatz von Palantir

Solche Bedenken teilt man bei der AfD nicht. Es gebe keinen heimlichen Zugriff etwa durch ausländische Geheimdienste über versteckte Zugangsmöglichkeiten, sogenannte Backdoors. Davon ist Christian Wirth, der für die AfD im Innenausschuss sitzt, überzeugt. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte er, die Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Spionage seien ausgeräumt. Er verweist auf ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts, "das besagt, dass keine Backdoors in dieser Software vorhanden sind". Wirth fordert, Palantir "unverzüglich einzuführen".

Die Union fordert schon seit Jahren, die Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen schwere Kriminalität besser aufzustellen. CDU und CSU plädieren für den Einsatz von polizeilicher Überwachungssoftware.

Haltung der Bundesregierung

Auch innerhalb der Bundesregierung ist der Kurs zur umstrittenen Software nicht einheitlich. Im Mai, nur wenige Tage im Amt, erklärte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im Bundestag: "Wir werden unsere Behörden dazu befähigen, Künstliche Intelligenz einzusetzen, um große Datenmengen effizienter auszuwerten." Gemeint hat der CSU-Politiker damit wohl Palantir.

Hatte Dobrindts SPD-Vorgängerin Nancy Faeser Palantir noch abgelehnt, prüft das Bundesinnenministerium nun eine bundesweite Einführung. Ein Ministeriumssprecher erklärte, eine vorherige Produktfestlegung gebe es nicht, aber in der Vergangenheit habe Palantir als einzige Firma eine marktverfügbare Softwarelösung anbieten können.

Unterstützung erhält Dobrindt von Digitalminister Karsten Wildberger. Der CDU-Politiker spricht sich dafür aus, Technologien zu nutzen, "um unseren Staat und unsere Demokratie zu schützen". Gleichzeitig fordert Wildberger eine langfristige europäische Alternative.

Dagegen mahnt Justizministerin Stefanie Hubig zur Vorsicht: "Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist beim Einsatz von Softwarelösungen wie denen von Palantir besondere Sorgfalt geboten." Die SPD-Politikerin hält es für wichtig, dass mögliche Risiken genau geprüft werden, denn es gehe "um sensible Daten" der Bürgerinnen und Bürger.

Gibt es eine europäische Alternative?

Viele Bundesländer wünschen sich mittelfristig eine europäische Alternative. Die Innenministerkonferenz beschloss im Juni, dass "am besten eine europäische Lösung gefunden werden" soll. Doch kurzfristig braucht es ein funktionierendes System - darin sind sich die Länder einig.

Bereits im März hatte der Bundesrat gefordert, eine übergangsweise einsetzbare Software bereitzustellen, "wie sie in Deutschland teilweise schon im Einsatz" sei. Palantir wird dabei nicht namentlich genannt, ist aber offensichtlich gemeint.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte: "Wir beobachten weiter kontinuierlich den Markt."

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