Im Abschiebeflug nach Afghanistan, der Mitte Juli von Leipzig aus startete, saßen auch Personen, die in Psychiatrien untergebracht waren. Pro Asyl übt scharfe Kritik.
Der Abschiebeflug, der am 18. Juli vom Flughafen Leipzig nach Kabul abhob, war seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 erst der zweite Flug, mit dem afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland zurückgebracht wurden. Unter den insgesamt 81 Personen an Bord des Qatar Airways Fliegers waren mindestens drei Personen, die zuvor aus psychiatrischen Kliniken in Bayern geholt wurden. Das hat das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) MDR und BR bereits in der Woche nach den Abschiebungen bestätigt.
Ob noch weitere Personen abgeschoben wurden, die ebenfalls zuvor in psychiatrischen Kliniken untergebracht waren, lässt sich derzeit nicht sagen. Einige Länder wie Berlin oder Niedersachsen wollten entsprechende Anfragen von MDR und BR dazu zunächst nicht beantworten oder verwiesen mittlerweile an das Bundesministerium des Innern (BMI). Auf erneute Anfrage verweist das BMI wiederum an die Länder.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am 18. Juli im ARD-Morgenmagazin erklärt, dass die abgeschobenen Afghanen "vollziehbar ausreisepflichtig" und "strafrechtlich in Erscheinung getreten" seien. Dobrindt betonte dabei, dass schwere Straftäter kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hätten.
Fehlende Unterlagen: Gesetzlicher Betreuer beklagt Handlungsunfähigkeit
MDR und BR konnten mit dem gesetzlichen Betreuer sprechen, der für einen der abgeschobenen Afghanen verantwortlich ist. Der Afghane steht aufgrund seiner psychischen Erkrankung unter Betreuung. Sein Betreuer möchte anonym bleiben, weil er formal gesehen weiterhin diese Funktion für den abgeschobenen Mann ausführt und damit der Schweigepflicht unterliegt. Zur konkreten Vorgeschichte des Afghanen könne er nur so viel berichten: Der sei ein verurteilter Straftäter gewesen und formal ausreisepflichtig gewesen.
Er beruft sich vielmehr auf Paragraf 60 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser Paragraf regelt das Verbot von Abschiebungen, so zum Beispiel, wenn jemand krank ist und in seinem Heimatland nicht ausreichend medizinisch versorgt werden kann.
Der gesetzliche Betreuter schildert MDR und BR, dass er am Donnerstag, den 17. Juli aus der psychiatrischen Klinik einen Hinweis erhalten habe, dass sein Klient abgeschoben werden soll. Er berichtet weiter, dass die Behörden ihm bis heute keinen Beschluss zur Abschiebung seines Klienten zugeschickt hätten.
Seinen Informationen zufolge, wurde auch der Klinik in Unterfranken, in der der psychisch kranke Afghane untergebracht war, kein Schriftstück über die Abschiebung des Mannes vorgelegt. Solange er den Beschluss nicht kennt, bleibt er daher beim Vorwurf, dass die Abschiebung "rechtswidrig" erfolgte.
Denn, als sein Klient ihn am Freitagmorgen um 5.30 Uhr vom Flughafen Leipzig aus angerufen habe, habe der Betreuer laut eigener Aussage immer noch keinen Beschluss gehabt und konnte auch keinen Widerspruch gegen die drohende Abschiebung einlegen. Ab 8 Uhr habe er schließlich versucht, Informationen zu bekommen, wurde aber letztlich an die zentrale Ausländerbehörde in Geldersheim/Regierung Unterfranken verwiesen. "Schreiben sie eine E-Mail mit Ihrem Anliegen", habe die Aussage gelautet.
Der Qatar Airways Flug nach Kabul startete schließlich um 8.32 Uhr. Seit dem Abschiebeflug hat er keinen Kontakt mehr zu seinem Klienten. Unabhängig überprüfen lassen sich die Aussagen des Betreuers von MDR und BR derzeit nicht.
Bayerische Staatsregierung sieht keine Fehler
Das LfAR teilt dem BR und MDR zu diesem Fall und dem der beiden anderen aus einer psychiatrischen Klinik abgeschobenen Afghanen mit, weder im Vorfeld noch am Abflugtag seien Abschiebehindernisse oder Abschiebeverbote festgestellt worden. Gesundheitliche Hindernisse seien nicht vermerkt gewesen. Die Frage, warum der Betreuer nichts von der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung wusste, beantwortet das Landesamt pauschal: Eine Abschiebeandrohung gehe gegebenenfalls auch Betreuern zu.
Kritik von Linken und Pro Asyl
Die Linke-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger erhebt währenddessen schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Diese täusche bewusst die Öffentlichkeit, um auf Kosten schwer psychisch kranker Menschen, die von deutschen Gerichten nicht für schuldfähig eingestuft wurden, Härte zu inszenieren. "Statt diese Menschen zu schützen, die aufgrund ihrer Erkrankung eindeutig vulnerabel sind, schiebt die Bundesregierung sie in die Arme eines Terrorregimes. Ein Terrorregime, das für manche dieser Erkrankungen die direkte Verantwortung trägt", teilt sie auf Nachfrage von MDR und BR mit.
In Afghanistan drohe diesen Menschen nicht nur völlige Unterversorgung, sondern auch erniedrigende Behandlung oder sogar der Tod. Ihre Abschiebung sei klar menschenrechtswidrig.
Auch die rechtspolitische Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl übt scharfe Kritik an dem Fall: "Abschiebungen aus Psychiatrien sind absolut unverantwortlich und ein Skandal. Schließlich geht es hier um Menschen in einem psychischen Ausnahmezustand, die offensichtlich auf professionelle Behandlung angewiesen sind. Die kann in vielen Herkunftsländern nicht gewährleistet werden, in Afghanistan aber auf keinen Fall."
Bei schwerwiegenden psychischen Erkrankungen könne es auch sein, dass die Person ohne Medikamente und ärztliche Unterstützung vor Ort nicht selbstständig überleben können. Judith sagt klar: "Dann liegt eindeutig ein Abschiebungshindernis vor - was die Behörden unbedingt hätten prüfen müssen."
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