Kein Finanzminister vor ihm konnte so viele Schulden machen wie Lars Klingbeil. Doch auch er muss feststellen: Ohne größere Einsparungen wird es nicht gehen. Hoffnungen ruhen auf einem künftig höheren Wachstum.
Lars Klingbeil ist mit sich und seinem Ministerium zufrieden. Dass er in weniger als drei Monaten nach Amtsantritt zunächst den Haushaltsentwurf für 2025 und nun den Entwurf für 2026 vorstellen konnte, sei auch ein Signal, dass die schwarz-rote Koalition "das gut hinbekommt".
Und es stimmt ja auch: Die Aufstellung des Haushalts ging weitgehend geräuschlos über die Bühne - ganz anders als in Zeiten der Ampelkoalition, die am Ende sogar über den Haushalt zerbrach.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Klingbeil und Schwarz-Rot haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber der Ampel. Nach der Grundgesetzänderung im März kann der Bund deutlich mehr Schulden aufnehmen als zuvor.
Verteidigungsausgaben werden ab einer bestimmten Größenordnung (einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts) vollständig von der Schuldenbremse ausgenommen. Dazu kommt das 500 Milliarden Euro schwere schuldenfinanzierte Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz. Diese Möglichkeiten nutzt Klingbeil.
Es klafft eine Lücke im Finanzplan
Allein für die Verteidigung sollen 2026 (unter Berücksichtigung des 2022 eingerichteten Sondervermögens Bundeswehr) fast 80 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden. Und aus dem 500-Milliarden-Sondervermögen sollen fast 60 Milliarden Euro abfließen: Gut 40 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte vom Verkehr bis zum Wohnungsbau, zehn Milliarden Euro wandern in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und 8,3 Milliarden Euro fließen an Länder und Kommunen.
In einer ähnlichen Größenordnung soll das Sondervermögen in allen Jahren bis 2029 genutzt werden - was allerdings bedeutet, dass für künftige Regierungen jährlich vergleichsweise weniger übrigbleibt.
Auch wenn Klingbeil bei den Schulden an das Maximum des rechtlich Möglichen gehen will - mit einer Gesamtsumme von rund 850 Milliarden Euro neuen Schulden zwischen 2025 und 2029: Es reicht nicht. Im Finanzplan bis 2029 klafft eine Lücke von mehr als 170 Milliarden Euro. Unter anderem, weil sich die Zinsausgaben in kürzester Zeit verdoppeln, von rund 30 Milliarden auf über 60 Milliarden Euro im Jahr 2029. Sparen ist also angesagt.
Sozialausgaben als größter Posten
Der Finanzminister hat die Ministerinnen und Minister der schwarz-roten Regierung schon mal auf harte Verhandlungen für den Haushalt für das Jahr 2027 vorbereitet: "Das bedeutet nicht nur, auf Ausgabenwünsche zu verzichten, sondern auch Bestehendes zu überprüfen", so hat es Klingbeil an die Kabinettskollegen geschrieben. Bei der Pressekonferenz hat er mit einem Augenzwinkern hinzugefügt, "dass sich die Beliebtheit des Finanzministers im Kabinett (…) in den nächsten zwölf Monaten nicht unbedingt erhöhen wird."
Doch kleinere Einschnitte werden nicht reichen. Das zeigt der Blick in die Haushaltsstrukturen. Größter Posten sind die Ausgaben des Sozialministeriums mit einem Volumen von fast 200 Milliarden Euro. Rund 128 Milliarden davon wandern in den Rentenzuschuss - ein Posten, der mit der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus und der Ausweitung der Mütterrente von Jahr zu Jahr weiter steigen wird. 2029 dürfte der Posten bei rund 154 Milliarden liegen.
Und wie bei vielen anderen Ausgaben wie dem Bürgergeld, dem Elterngeld oder dem Wohngeld gilt: Einsparungen sind nur möglich, wenn man die gesetzlichen Grundlagen verändert. Beim Bürgergeld zum Beispiel wurden die Haushaltsansätze in den vergangenen Jahren immer von der Realität übertroffen - es musste noch weiteres Geld nachgeschossen werden, was auch 2026 wieder drohen kann, auch wenn der Haushaltsansatz leicht nach unten korrigiert wurde.
Können die Reformkommissionen helfen?
Auch die anderen Sozialversicherungen bereiten der Politik Probleme. Weil Kranken- und Pflegeversicherung mit Milliardenlöchern kämpfen, gibt der Bund zwar Geld, allerdings als Darlehen. Obwohl klar ist, dass es kaum möglich sein wird, diese Darlehen zurückzuzahlen. Ein Kredit an den Gesundheitsfonds, der 2026 eigentlich zurückgezahlt hätte werden müssen, wird auch erst einmal gestundet.
Vor diesem Hintergrund setzt Klingbeil große Hoffnungen in die Reformkommissionen, die die Regierung einberufen hat bzw. noch einberufen wird. In seinem Haushaltsschreiben betont der Finanzminister, diese seien "angehalten, Ergebnisse vorzulegen, die auch zu einer Entlastung des Haushalts beitragen." Sprich: Vorschläge, die auch mit Einsparungen verbunden sind.
Wie schwierig es aber sein dürfte, solche Reformvorschläge umzusetzen, ergibt sich aus Klingbeils Worten in der Bundespressekonferenz: Der Sozialstaat dürfe nicht in den Boden gerammt werden. Eine Rentenreform, die eine längere Lebensarbeitszeit beinhalten würde, lehnt der SPD-Vorsitzende schon mal kategorisch ab.
Die Wette auf mehr Wachstum
Damit deutet sich an: Einfach wird es in den kommenden Jahren nicht. Einerseits ist klar: Ohne einschneidende Reformen geht es nicht - das betonen vor allem Haushaltspolitiker der Union. Andererseits hat die Regierung die Sorge, dass zu harte Einschnitte bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut ankommen und womöglich die AfD stärken könnten. Bleibt die Hoffnung, dass zumindest ein Teil der Finanzlücke bis 2029 durch ein höheres Wachstum aufgefangen werden kann.
Vorerst orientiert sich die Regierung an der Konjunkturprognose vom Frühjahr, die für die kommenden Jahre mit einem jährlichen Wachstum von 1,0 Prozent rechnet. Sollten Maßnahmen wie der Investitionsbooster und die Senkung der Körperschaftsteuer (ab 2028) wirken, könnten die Wachstumsraten höher liegen - und damit auch die Steuereinnahmen.
Allerdings ist - auch nach dem Deal zwischen der EU und den USA - noch nicht klar, wie stark die deutsche Wirtschaft unter der US-Zollpolitik leiden wird. Wenn sich die Wachstumsaussichten eintrüben, wird das jedenfalls auch der Finanzminister zu spüren bekommen.
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