Einigkeit, Härte und Tempo - das sind für Bundesinnenminister Dobrindt die wichtigsten Aspekte in der Migrationspolitik. Deutschland wolle in der EU Verantwortung übernehmen und vorangehen, sagt Dobrindt auf der Zugspitze.

Zur abschließenden Pressekonferenz des Migrationsgipfels trat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in dicker Jacke vor die Kameras, im Hintergrund war der Gipfel der Zugspitze im dichten Nebel zu sehen. Dobrindt war, wie auch seine europäischen Amtskollegen, aber um klare Ansagen bemüht. "Wir sind uns einig, wir halten zusammen", war eine davon.

Das Treffen auf dem Berg mit den Innenministern ausgewählter Nachbarstaaten der Bundesrepublik sei ein "sichtbares Signal der Einigkeit und der Entschlossenheit" im gemeinsamen Vorhaben, "illegale Migration zu reduzieren", sagte Dobrindt. Die EU sei eine weltoffene Region und bleibe das auch, jedoch dürften Schleuser und Schlepper nicht entscheiden, wer hereinkommen dürfe, so der CSU-Politiker.

Statement von Innenminister Dobrind nach Migrationsgipfel der EU-Innenminister

tagesschau24, 18.07.2025 15:00 Uhr

Schneller abschieben - auch nach Afghanistan und Syrien

Die sechs Länder - neben Deutschland nahmen Frankreich, Polen, Dänemark, Tschechien und Österreich teil - haben sich auf einen härteren Kurs in der Migrations- und Asylpolitik geeinigt, wie aus der Abschlusserklärung hervorgeht. Im Vordergrund stehen dabei konsequente Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan, ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen und mehr Aufnahmen von abgelehnten Asylbewerbern durch Nicht-EU-Staaten.

"Wirksame Rückführungen sind eine unerlässliche Voraussetzung für das Vertrauen in eine ausgewogene europäische Migrationspolitik", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Dazu gehörten auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan. Diese müssten "möglich sein", halten die Minister in ihrer Erklärung fest. Erst am Morgen war aus Leipzig ein Abschiebeflug mit 81 afghanischen Straftätern in die afghanische Hauptstadt Kabul gestartet. Auch die Geldströme von Schleusers sollen bekämpft werden.

Was sind irreguläre Einreisen? Der Begriff des irregulären beziehungsweise unrechtmäßigen Aufenthalts wird laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Hinblick auf Personen verwendet, die sich ohne Aufenthaltsrecht oder Duldung und ohne Kenntnis der Ausländerbehörden in Deutschland aufhalten. 

Die Bundespolizei bezeichnet die irregulären Einreisen als "unerlaubte Einreisen". Manchmal werden irreguläre Einreisen auch als "illegale Einreisen" bezeichnet. Auch von "irregulärer Migration" ist in der politischen Debatte oft die Rede. Gemeint sind damit immer undokumentierte Grenzübertritte und der unrechtmäßige Aufenthalt in Deutschland. Bei Personen, die unmittelbar nach der unerlaubten Einreise um Asyl ersuchen, wird das Verfahren jedoch so lange ausgesetzt, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist. 

Flüchtlingsorganisationen und Migrationsforscher weisen darauf hin, dass Migration an sich gegen kein Gesetz verstößt, also nicht "illegal" ist.

Trotz weniger Asylanträgen: Kommunen sehen sich weiterhin überfordert

Cosima Gill, WDR, tagesschau, 18.07.2025 20:00 Uhr

Mehr Freiraum bei Abschiebungen

Weiter wollen die Länder die sogenannte Rückkehrverordnung schärfen. Ausreisepflichtige Asylbewerber sollen auch in Zentren außerhalb der EU untergebracht werden. "Schutz durch die EU muss nicht zwingend Schutz in der EU heißen", sagte Dobrindt.

Auch ein Streichen des Verbindungselements, wonach Migranten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben müssen, in den sie abgeschoben werden oder in den ihr Asylverfahren verlagert wird, kündigte Dobrindt als Maßnahme an. Inwieweit diese Maßnahmen von allen EU-Staaten unterstützt werden, blieb offen. Nicht dabei waren schließlich Länder wie Italien oder Griechenland, die die meisten Migranten in der EU als erstes betreten.

Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), äußerte sich kritisch zu Dobrindts Migrationspolitik. "Wir wollen Steuerung, Ordnung, aber keinen Migrationsverhinderungsturbo", erklärte die Staatsministerin im Kanzleramt. Wichtig sei vielmehr, die deutsche Migrationspolitik "zu modernisieren und Integration zu stärken".

Dobrindt: "Deutschland in der Lokomotive dabei"

"Wir wollten deutlich machen, dass Deutschland bei Migrationsthemen in Europa nicht mehr im Bremserhäuschen sitzt, sondern in der Lokomotive mit dabei ist", kündigte Dobrindt an und versicherte, der Politikwechsel in Deutschland sei im vollen Gange. In den kommenden Monaten müsse die EU schneller werden bei Asylverfahren und härter im Umgang mit illegalen Einreisen sowie ihren Hinterleuten. Eine weitere Überforderung der Gesellschaften führe sonst zu weiterer Polarisierung.

In Dobrindts Tenor stimmten seine Amtskollegen ein. Immer wieder wurde auch betont, etwa vom französischen Innenminister Bruno Retailleau, dass die Eindämmung der irregulären Migration an den Außengrenzen beginne - und ihr Schutz alle Mitgliedsstaaten etwas angehe. "Wir können die hohen sozialen Standards in Europa nicht aufrecht erhalten, wenn die illegale Migration zu massiv ist", sagte Retailleau.

Polens Innenminister Tomasz Siemoniak berichtete von den Anstrengungen, die sein Land an der Grenze zu Belarus unternehme und warnte vor neuen Schleuserrouten, etwa über das Baltikum. Die neue Bundesregierung hätte die Herausforderung als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden. Wie auch der Österreicher Gerhard Karner sprach Siemoniak explizit von Abschiebungen in Länder wie Afghanistan, die umstritten sind.

EU-Kommissar betont Wichtigkeit des neuen Finanzrahmens

Offene Kritik am deutschen Alleingang beim Thema Grenzkontrollen gab es erwartungsgemäß keine. Nur EU-Migrationskommissar Magnus Brunner deutete an, dass er sich einen anderen Umgang wünsche: In dieser entscheidenden Phase der Migrationspolitik brauche es bessere Koordination und bessere Absprachen unter den europäischen Partnern. Die Menschen in Europa müssten das Gefühl zurückbekommen, das die EU kontrolliere, was in Europa passiere.

Ein wichtiger Baustein dafür sei der kürzlich vorgestellte europäische Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre: Durch den deutlich erweiterten EU-Haushalt gebe es rund dreimal so viel Geld für die Themen Sicherheit, Grenzschutz und Migration. Für Brunner eine wichtige Botschaft, denn die Brüsseler Finanzpläne hatten nicht nur in Deutschland für erhebliche Kritik gesorgt.

Kirchliche Verbände warnen vor weiterer Abschottung

Kirchliche Verbände hatten sich vorab kritisch zur angekündigten Verschärfung der europäischen Migrationspolitik geäußert. Der katholische Caritasverband warnt vor weiteren Abschottungen. "Die Verhinderung von Migration durch immer neue Barrieren stärkt vor allem skrupellose Schleuser", erklärte der Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe, Oliver Müller. Statt neuer Zäune brauche es legale Zugangswege.

Dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt fehlt bei dem Gipfeltreffen nach eigenen Worten der "politische Weitblick". Anstatt das Asylsystem funktionaler zu machen, würden sich die anwesenden Staaten etwa durch Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittländer ihrer Verantwortung entziehen wollen, so der Migrationsreferent des Hilfswerks Andreas Grünewald.

EU-Innenminister sprechen auf der Zugspitze über verschärfte Migrationspolitik

Julian von Löwis, BR, tagesschau, 18.07.2025 20:00 Uhr

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