Rassistische Nachrichten im Voice-Chat, Hakenkreuze in Gaming-Gruppen oder nachspielbare Attentate: Im Gaming gibt es eine lebendige rechtsextreme Szene. Experten sehen vor allem die Plattformen in der Pflicht.
Auf der Gaming-Plattform Steam kann man durch Zusatzprogramme in Strategie-Games die "Waffen-SS" zum Beispiel gegen alliierte Truppen spielen. Das ist mindestens geschmacklos - und tatsächlich: neonazistisch.
Auf der Spieleplattform Roblox tummeln sich Gamer, die rechtsextremistisch sind. Dort können Nutzerinnen und Nutzer selbst kleine Spiele erstellen. In niedlicher Pixel-Optik konnte man hier für eine Zeit das Attentat von Halle nachspielen. Inzwischen ist das Spiel gelöscht.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das sind drastische, aber nicht besonders weit verbreitete Beispiele, wie Rechtsextremisten auf Gaming-Plattformen und in Videospielen unterwegs sind. Geschätzt zocken mehr als drei Milliarden Menschen weltweit regelmäßig. Im Vordergrund steht das gemeinsame Spielen ohne Rassismus und Hass.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch eine kleine, rechtsextreme Subkultur innerhalb der Gaming-Szene, die sich nicht nur im Spiel selbst zeigt - sondern auch auf Plattformen, die sich mit Gaming beschäftigen wie Twitch, Discord und Steam. Hier finden etwa täglich rassistische Beschimpfungen und Hetze gegen queere Menschen statt.
Wissenschaftler sieht schleichende Normalisierung
"Radikalisierung im Gaming läuft nicht ab wie: Ich sehe einen Inhalt, zum Beispiel ein Hakenkreuz, oder einen rassistischen Inhalt und werde automatisch selbst rechtsextrem oder Rassist", erklärt der Medienwissenschaftler Matthias Heider vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft. Es gehe vielmehr darum, dass sich diese Inhalte schleichend normalisieren würden. Gamer würden das so häufig sehen, dass sie sich gar nicht mehr darüber wundern.
Laut Heider gibt es einen "organisierten Rechtsextremismus, wo Gaming und Anknüpfungspunkte zum Gaming wirklich strategisch genutzt werden".
"Hate Raids" gegen Streamer
So begegne den Kindern und Jugendlichen der Rechtsextremismus meistens im Voice-Chat über andere Gamer, außerdem über den In-Game-Chat oder auf sogenannten Gaming-nahen Plattformen, meistens in Form von Beleidigungen.
Besonders aggressives Verhalten würden jene Gamer erleben, die ihre Spiele streamen oder Streamer, die nicht weiß seien, so der Wissenschaftler. "Da haben wir rassistische und sexistische Äußerungen", sagt Heider. Mitunter würden auch sogenannte "Hate Raids" organisiert, also geplante Angriffe auf Live-Streamerinnen und -Streamer, bei denen sie diese mit Hassnachrichten überschütten.
Karl Lauterbach als Monster dargestellt
Darüber hinaus versucht die rechtsextreme Szene, selbst programmierte Spiele herauszubringen - etwa über Spielestudios, die zum Beispiel der rechtsextremen "Identitären Bewegung" nahestehen.
In einem Jump 'n' Run-Spiel aus dem vergangenen Jahr muss das Heimatland verteidigt werden. Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird als "Impfanbeterin" dargestellt - ein Monster mit Spritzen, das bekämpft werden muss. Es gibt viele weitere rechtsextreme, antisemitische und homofeindliche Bezüge in dem Spiel.
Besonders erfolgreich seien solche Games jedoch nicht, sagt Medienwissenschaftler Heider. "Die Spiele, die von Rechtsextremen programmiert werden, die sind eigentlich ein Flop. Die werden von so wenigen Leuten gespielt, das ist mehr eine Medienkampagne."
Auch die Junge Alternative, die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation der AfD, hat versucht, bei jungen Wählerinnen und Wählern mit dem Thema Gaming zu punkten. Im Wahlwerbespot bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist ein Gamer zu sehen. Dazu die Stimme aus dem Off: "Gaming ist einfach nicht mehr das, was es mal war. Einmal das falsche Wort im Voice-Chat gedroppt und du wirst gesperrt. Gaming ohne Zensur? Ja!"
Auch früher gab es schon Probleme
Ein neues Phänomen sind rechtsextreme Inhalte in Videospielen nicht: Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren gab es Games, in denen man als männlicher, weißer Spieler gefesselte indigene Frauen vergewaltigen oder beispielsweise als KZ-Manager die Verwaltung eines Konzentrationslagers übernehmen konnte.
Auch damals waren das extreme und nicht besonders erfolgreiche Videospiele - die aber stattfinden konnten, weil in dieser Branche über Jahrzehnte in vielen Fällen rassistische und sexistische Klischees in Videospielen kaum geahndet wurden.
Rechtsextreme instrumentalisieren Debatten
Inzwischen geht es in der Gaming-Szene auch um Repräsentation. Spielerinnen und Spieler fordern immer häufiger, dass ihre Vielfalt, was Alter, Geschlecht, Nationalität, Religion sowie sexuelle Orientierung und Identität betrifft, auch in Videospielen sichtbar wird.
Genau dagegen wehren sich Rechtsextreme, Rassisten und Antifeministen und versuchen, die Debatten für sich zu instrumentalisieren, beobachtet Gaming-Influencer Fabian Siegismund. "Es gibt Spiele, da kannst du sehr deutlich zeigen durch irgendwelche Symbole und Embleme, dass du zum Beispiel LGBTQ unterstützt, dass Black Lives Matters ein Thema für dich ist", erzählt Siegismund.
"Und dann passiert es schon mal, dass jemand ankommt und sagt: Hä? Was bist du für einer, mit dir möchte ich nicht spielen. Meistens hauen sie auch gleich direkt ihre Sprüche raus und dann weiß man schon, das ist jetzt gerade ein Bereich, in dem ich nicht spielen will." Kontrolle gibt es auf den Plattformen nur sehr begrenzt.
Entwicklungen bereiten Wissenschaftlern Sorge
Medienwissenschaftler Matthias Heider sieht die Plattformen in der Verantwortung, sie müssten viel stärker gegen rechtsextreme Inhalte vorgehen. Doch die meisten stammen aus den USA, viel Hoffnung habe er deshalb nicht.
"Gerade die Entwicklung in den USA, weg von Moderation, weg von Fact-Checking, Content-Management und hin zu unmoderierten Äußerungen von Meinungen und auch von Hass auf den Plattformen, das sehe ich schon mit großer Sorge", sagt der Medienwissenschaftler.
"Hass wahrnehmen und melden"
Ähnlich sieht das auch Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung. Er beschäftigt sich seit Langem mit Gaming und Rechtsextremismus und setzt auf die Community: "Viele Spielerinnen und Spieler gucken immer noch weg, wenn ihnen Hass und Hetze begegnet und da empfehle ich definitiv, diesen Hass nicht zu ignorieren, sondern ihn wahrzunehmen und ihn zu melden und nicht zu einer Normalisierung beizutragen."
Es gelte in den Gaming-Communitys, was auch in der realen Welt gilt, ergänzt Medienwissenschaftler Matthias Heider: "Ob die Jugendlichen im Gaming, bei Counter-Strike auf Steam, mit extrem Rechten interagieren oder im Fußballverein oder in der Feuerwehr, das macht eigentlich keinen Unterschied. Es sind wirklich diese sozialen Dynamiken, die wir da sehen."
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