Das Entlastungspaket der Bundesregierung soll zum "Booster" für die Wirtschaft werden. Doch bei Ländern und Kommunen sorgt man sich um die Folgen für die eigenen Finanzen - und fürchtet Einnahmeausfälle.

Ein kleiner Satz ließ im Bundestag aufhorchen, als es um das Entlastungspaket für die Wirtschaft aus dem Hause von Finanzminister Lars Klingbeil ging. Jetzt gehe es darum, "dass keine der Kommunen handlungsunfähig wird", sagte die für Finanzen zuständige SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar. Mahnende Worte mitten in der Aufbruchstimmung, die Schwarz-Rot inszeniert.

Bei der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin war die Finanzlage das Top-Thema. Schon vorher wurde seitens der Länder parteiübergreifend öffentlich die Sorge eines "Nullsummenspiels" geäußert, wie etwa vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweizer im Deutschlandfunk. Denn die von der Regierung Merz geplanten Steuerentlastungen in großem Umfang reißen ein Milliardenloch in den Einnahmekassen von Ländern und Kommunen.

Milliardensumme würde bei Kommunen fehlen

Auf rund 46 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen bis 2029 kommt der vorliegende Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium - die Kehrseite der gepriesenen Entlastungen für die Unternehmen. Aus den bereits vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen würden 13,5 Milliarden bis 2029 allein den Kommunen fehlen, wenn Bundestag und Bundesrat dem so zustimmten. Das ergibt sich aus dem Entwurf des Ministeriums.

Es sei gut, dass die Bundesregierung Impulse für einen wirtschaftlichen Aufschwung geben möchte, dies dürfe aber nicht auf dem Rücken der Städte geschehen, äußert sich Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner gegenüber tagesschau.de. "Die nun absehbaren Einnahmeausfälle der Kommunen müssen vollständig kompensiert werden, beispielsweise durch eine deutliche Erhöhung des Anteils an der Umsatzsteuer", fordert die Grünen-Politikerin, die Vizepräsidentin des Städtetags ist. Allein die Bundesstadt Bonn verliere laut ersten groben Schätzungen beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in den Jahren 2025 bis 2029 rund acht Millionen Euro und bei der Gewerbesteuer rund 51 Millionen Euro.

Die Länderchefinnen und -chefs sind wie die kommunale Ebene nicht gegen die Politik der Investitionen in die Wirtschaft. Beide Ebenen waren an den Koalitionsverhandlungen beteiligt und in den Runden dort vertreten. Doch nun sorgen sie sich - ob aus den Regierungsparteien Union oder SPD - um die fehlende Kompensation. "Die Investitionsmilliarden verpuffen einfach, wenn Ländern und Kommunen in ihren Kernhaushalten die Einnahmen wegfallen", warnte etwa Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) im Nachrichtenportal t-online.

Gemeindenebene badet es aus

Die kommunale Ebene hat Bundeskanzler Friedrich Merz bereits signalisiert, dass sie auf keinen Euro mehr verzichten können. Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, fordert einen kompletten Ausgleich seitens des Bundes für die Steuerausfälle. Die Kommunen sind nach eigener Aussage in der schwierigsten Finanzlage seit der Nachkriegszeit, sie saßen 2024 auf einem Rekorddefizit von 25 Milliarden Euro. Die Bürgerinnen und Bürger spüren das etwa an maroden Schulen oder fehlenden Kita-Plätzen.

Das Problem der "Booster"-Rechnung von Merz und Klingbeil ist, dass sie auf Steuereinnahmen durch das von ihren Maßnahmen dann entfachte Wirtschaftswachstum hofft - eine Wette auf die Zukunft. Man kann sie jedoch nicht verlässlich im Voraus beziffern. Die laufenden Kosten der Kommunen und Länder aber müssen sicher gedeckt sein. Klingbeil versprühte dennoch am Mittwoch nach der Kabinettssitzung Hoffnung: "Ich bin sicher, dass wir zu einer guten Lösung kommen werden."

CDU-Brief an Merz: "Wer bestellt, bezahlt!"

Bei den Ländern scheint man sich da nicht so sicher zu sein. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten wendeten sich vor wenigen Tagen in einem Brief direkt den Kanzler - und verwiesen dort auf das im Koalitionsvertrag festgehaltene Prinzip des "Wer bestellt, bezahlt". In dem Schreiben, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, heißt es dazu: "Wir bekräftigen den Bundeskanzler, dieses Anliegen mit seiner Richtlinienkompetenz zur Chefsache zu machen."

Das ist zwar durchaus ein übliches Spiel der Länder: Vor, während und nach der Ministerpräsidentenkonferenz die Beschwerde zu führen, dass zu wenig Geld da ist - und das Finanzministerium bleibt hart. De facto haben die Länder und vor allem die Kommunen keine vollen Kassen. Andererseits sind die Forderungen an den Bund im Vergleich schärfer geworden. Der Bund aber hat auch schon Mühe, seine politischen Ziele und viele Begehrlichkeiten politisch mit seinem Haushaltsbudget zu vereinbaren. Darum hat man ja das Sondervermögen geschaffen, die zusätzlichen Schulden, um sich mehr Spielraum zu schaffen.

Viel Strategie auf beiden Seiten

Die Länder hatten dem bereits unter Merz-Regie im Bundesrat noch vor dem Abschluss des Koalitionsvertrag zugestimmt. Dazu gehört auch eine grundgesetzliche Änderung einer Schuldenbremse-Regel, so dass die Bundesländer einfacher neue Schulden für Investitionen aufnehmen können. Doch nicht jeder will dies aus einem Dispo-Kredit finanzieren, deswegen kommen nun die harten Kompensationsforderungen an Merz.

Der Städtetag verweist auf die politische Dimension: Wenn vor Ort das Geld spürbar fehlt, verlören noch mehr Menschen das Vertrauen in den Staat. Merz wiederum braucht die Unterstützung des Bundesrates, auch der grün regierten Länder. Am Ende wollen allerdings schon alle die zusätzlichen Gelder für Investitionen. Es steckt auf beiden Seiten viel Strategie dahinter.

Mit Informationen von Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

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