Porsche ist mehr als bloß 911. Grund genug für ntv.de, die beiden viertürigen GT-Speerspitzen Panamera sowie Taycan unter die Lupe zu nehmen. Ist man besser mit dem Benzin oder Strom bedient? Welches der hier besprochenen Konzepte fährt komfortabler?

Der Anfang aller Autotests ist in der Regel Theorie. Konfigurator anschmeißen also oder Pressemappe wälzen, Infos über die Fahrzeuge einholen. Auch hier herrscht das gleiche Prinzip, jedoch mit einem kleinen Aha-Effekt garniert. Dass der Panamera nicht günstig sein würde, war klar: Ab etwa 116.000 Euro geht es los. Aber das Topmodell als Langversion? Startet bei exakt 247.400 Euro und liegt bloß 757 Euro (!) unterhalb des absoluten Sehnsuchtsmodells 911 GT3 RS. Was für eine Art Fan muss man sein, um so viel Geld für eine zwar luxuriös anmutende, aber letztlich doch eher (für die meisten Leute) unspektakuläre Limousine auszugeben?

Und wie steht es um den Taycan Turbo S? Als Sport Turismo - wie hier Thema - mit 211.900 Euro gelistet und damit auch alles andere als ein Schnäppchen. Er startet übrigens ab 102.600 Euro für das Basismodell, nur mal so für den Hinterkopf.

Nun, was soll in dieser Abhandlung beleuchtet werden? Warum einen Benziner fahren, in diesem Fall genauer gesagt als Plug-in-Hybrid, wenn es auch elektrisch geht? Beziehungsweise: Welche Unterschiede gibt es überhaupt? Und ja, um so viel vorwegzunehmen, es gibt sogar gewaltige Unterschiede. Doch lass eine Bestandsaufnahme machen. Oft ist ja zu hören, der Porschefahrer sei für Elektromobilität gar nicht zu haben. Steile These? Immerhin sieht man verdammt viele vollelektrische Macan im Straßenbild. Der Macan ist auch ein Porsche, übrigens. Allerdings müsste man präzisieren: Der Elfer-Fahrer mag von elektrischen Antrieben nicht begeistert sein. Also muss sich eben eine neue Sektion von Porschefahrern bilden, so einfach ist das - zumindest in der Theorie.

Limousinen- sind keine klassischen Porschefahrer

Wer sowieso Limousine fährt, hat vielleicht andere Anforderungen an ein Fahrzeug. Bequem reisen beispielsweise und dabei noch die Familie unterbringen können. Dennoch spielt Motorklang für Emotionalität eine Rolle und diese unterstelle ich jemandem, der sich bei Porsche umschaut. Also bitte ins kalte Wasser springen und mal ohne Sound probieren mit dem Taycan Turbo S. Den künstlich generierten Grundton vergiss mal, so etwas zählt nicht.

Was aber wohl zählt, sind die Vibes schon kurz nach dem Einstieg. Wie maßgeschneidert fallen die Sportsitze aus, gar nicht mal unbequem. Die plus ein griffiges Lenkrad lassen ahnen, wohin die Reise geht. Dann Fahrstufe D und los. Der Doppelmotorer packt unbeschreiblich brutal mit seinem quasi immer anliegenden Maximaldrehmoment. Das eskaliert allerdings kurzzeitig auf 1110 Newtonmeter hoch und so schiebt diese "Kombilimousine" derart urgewaltig, dass du dich eher in einer Falcon-9-Rakete wähnst als in einem Auto.

Zum Glück kann der Taycan aber nicht nur stumpf geradeaus, sondern ist für seine 2,4 Tonnen verdammt flink, wenn es darum geht, Kurven möglichst zügig zu durchlaufen. Hier helfen allerdings der durch den schweren Akku an Bord bedingte tiefe Schwerpunkt sowie das Hightech-Fahrwerk Active Ride mit je einer Hydraulikpumpe pro Rad. Es kann Nick- und Wankbewegungen eliminieren und sogar überkompensieren. Insgesamt fühlt sich der Taycan an wie ein drahtiger Athlet, bietet aber dank des wandelbaren Fahrwerks genug Restkomfort, um seine Passagiere problemlos von Berlin über Köln nach Wien zu schaffen. Kritische Leser werden sich jetzt fragen: Aber wie und wo lädt er? Darüber wird noch zu sprechen sein. Jetzt gibt es erst einmal Kontrastprogramm.

Panamera mit weniger Leistung, aber mehr Seele

Und das kommt in Form des Panamera Turbo S E-Hybrid Executive - nicht so stark wie der Taycan mit 952 PS Peakleistung, aber dafür charakter- und klangstark. Der Panamera will gar nicht so wild sein. Sein Lenkrad aus glattem Leder statt Mikrofaser skizziert schon die grobe Richtung: der Gentlemen's Driver auf dem Weg nach Hause. Leistung hat er analog zum Taycan genügend, um es mal im Rolls-Royce-Jargon auszudrücken. Aber Porsche verzichtet keineswegs darauf, die Zahl auch zu benennen. Es sind 782 PS, die auf etwas mehr als 2,5 Tonnen treffen. Und immerhin auch 1000 Newtonmeter im Peak. Doch das Wichtigste überhaupt ist, dass der Panamera ein Herz hat. Eines mit Achtzylindern, und das hörst du auch.

Ja, der Plug-in-Hybrid mit Achtgang-Automatik schöpft auf Wunsch aus knapp 22 kWh nutzbarem Energiespeicher und fährt mit 190 PS rein elektrisch bis zu 80 Kilometer weit. Aber ganz ehrlich? Erst wenn du den Vierliter-Turbo je nach gewählter Betriebsstrategie zum Leben erweckst, spürst du die Seele dieser Limousine. Und ja, er marschiert nicht ganz so giftig nach vorn wie der Taycan. Porsche meldet 10,2 Sekunden für den Sprint von 0 auf 200 Sachen. Diesen handelt der Stromer binnen 7,8 Sekunden ab. Punkt. Aber dann? Bei 260 km/h ist Schluss.

Wenn du im Taycan sitzt und im Rückspiegel schon den Panamera entdeckst, wie er sich nähert und erst bei 325 Sachen langsam aufhört zu beschleunigen, unterbrichst du dein Grinsen kurz. Das ist zwar für die meisten Kunden eher theoretischer Natur, aber auf einer leeren deutschen Autobahn ein Asset. Und diese Autobahn führt in Form der A8 eben direkt an Zuffenhausen vorbei. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl. Und die Möglichkeit, tanken zu können, ist ebenfalls ein solches Asset.

Taycan bringt auch beim Laden Performance

Okay, allerdings muss ich Fairness walten lassen und hier bestätigen, dass der Taycan nicht nur schnell beschleunigt, sondern auch verdammt fix lädt. Er zieht bei gut konditioniertem Akku nicht selten mit über 300 kW und hat in Windeseile wieder 80 Prozent State of Charge - sprich, in weniger als 20 Minuten. Ganz reproduzierbar ist das Vorgehen freilich nicht. Und doch: Nach aktueller Techniklage machst du mit dem bulligen Achtzylinder mehr Meter in kürzerer Zeit. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Und der Panamera gewinnt sowohl Komfort- wie Luxuskapitel, das muss man sagen. Vor allem der Fond des 5,20 Meter langen Executive-Liners gibt dem siebten Himmel eine (schillernde) Gestalt. Zu pathetisch formuliert? Du kannst deine Beine im hinteren Abteil dank 3,10 Metern Radstand wirklich ausstrecken wie in einem alten Familien-Zugabteil. Und dann dieser Lounge-Charakter wegen der elektrisch verstellbaren Einzelsitze mit großer Bedieneinheit in der Mitte. Zwei ausladende Screens gibt es freilich obendrauf.

Dagegen ist der mit Zweiganggetriebe und 800-Volt-Bordnetz gesegnete Tech-Taycan eher der sportive Maßanzug - auch fein, aber eben nicht verschwenderisch. Mit 4,96 Metern baut er deutlich kompakter und trotz bekanntermaßen bei Elektrofahrzeugen anders gepackten Komponenten gibt es "lediglich" 2,90 Meter Radstand. Immer noch genug Raum für weit reisende Hinterbänkler.

Übrigens: Das Active-Ride-Fahrwerk kommt auch im stärksten Panamera zum Einsatz, wenngleich Porsches längste Limousine einen gänzlich anderen Charakter aufweist. Sie ist sozusagen der Super-Gran-Turismo mit einem Schuss Wolkenweichheit. Zum Preis eines Sehnsuchtselfers muss aber mehr drin sein als das langweilige Eisgrau des Testwagens.

Doch keine Sorge, der Konfigurator kann alles. Wie wäre es demnach mit aufpreisfreiem Frozenblaumetallic? Es ist etwa mit verspieltem Babyblau gleichzusetzen. Oder soll es doch eher eine Farbe nach Wahl sein für schlappe 10.000 Euro extra? Hier gibt es etwa 200 vorkonfigurierte Töne. Schwups, plötzlich ist der Taycan wieder im Vorteil, für ihn haben sich die Marketingstrategen nämlich zusätzlich die Position "Farben nach Wahl plus" einfallen lassen. Dann kannst du nach Absprache auch die Farbe deines Jacketts wählen, das du gerade trägst. Kostenpunkt: exakt 22.122 Euro und 10 Cent. Wie war das noch, Geld allein soll nicht glücklich machen? Aber die Autos, die man damit kaufen kann, erledigen das. Blöd nur, wenn man nicht weiß, ob es ein Panamera oder Taycan werden soll. Vielleicht muss man dann einfach beide nehmen.

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