Unter Motorradfahrern ist die Ablehnung alternativer Antriebe groß. Für viele gehört das Bollern des Motors und das Kreischen der Auspuffanlagen einfach zum Fahrgefühl dazu. Ein Elektromotorrad bedient diese Bedürfnisse nicht – es gleitet surrend dahin; ein Dreh am Hahn macht die Fahrt zwar schneller, doch auf das charakteristische Röhren der Maschine wartet man vergeblich. Trotzdem haben diese Modelle eine faire Chance verdient.
Da ich Elektroautos sehr schätze, bin ich auch gegenüber elektrischen Motorrädern aufgeschlossen. Energica, Livewire, Zero – einige durfte ich bereits fahren. Trotz unvoreingenommener Herangehensweise konnte mich bislang keines restlos begeistern.
Das Fazit lautete stets: tolle Beschleunigung, schönes Fahrgefühl, aber eingeschränkte Reichweite und tendenziell schlechte Ladeleistung. Als das Testangebot für das neue Can Am Origin kam, hoffte ich, dass es diesmal anders ausfallen würde. Zumal die technische Entwicklung nicht stillsteht und ein E-Motorrad Baujahr 2025 einem Modell von 2019, als ich erstmals eins testen durfte, theoretisch deutlich überlegen sein sollte. Und so ein Aufschlag, wie Can Am ihn nun hinlegt, müsste sich mit den Problemen der Konkurrenz ja befasst haben. Vor allem, da das Origin und das Schwestermodell Pulse das E-Motorrad-Debüt der Marke sind.
Hoch zu Ross
Das Can Am Origin ist eine Enduro, also ein hohes, geländegängiges Motorrad. Es fühlt sich sowohl auf der Straße als auch im Gelände wohl, steht auf einem 21-Zoll-Rad vorne und einem 18-Zoll-Rad hinten und wiegt 187 Kilogramm. Die Leistung beträgt 47 PS in der Spitze, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 129 Kilometer pro Stunde. Von 0 auf 100 km/h beschleunigt das Motorrad in 4,3 Sekunden.
Mit dem Motorrad um die Welt – faszinierende Bilder einer Abenteuerreise

Gebaut wird das Motorrad von Bombardier Recreational Products (BRP), der Motor stammt von Rotax, einem Tochterunternehmen von BRP. Die vom Hersteller angegebene Reichweite beträgt kombiniert nach WMTC-Standard 115 Kilometer, die Batteriekapazität liegt bei 8,9 Kilowattstunden. Das Onboard-Ladegerät leistet 6,6 Kilowatt, der fest verbaute Akku soll in rund 50 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen sein.
Schon vor dem ersten Test kommen mir als Tourenfahrer ernste Zweifel: Wer kam 2025 noch auf die Idee, ein Motorrad mit diesen Leistungsdaten auf den Markt zu bringen, und erwartet nun, dass dies den Bedürfnissen vieler Fahrer gerecht wird?
Eine Runde um den Block
Im Test betrug die Reichweite des Motorrads bei viel Stadtverkehr ganz knappe 100 Kilometer. Die Ladezeit kommt in der Praxis hin: Für 80 Prozent steht man, sofern man mit 20 Prozent an die Ladesäule fährt, tatsächlich etwa 50 Minuten daneben. Dadurch ist der Aktionsradius stark eingeschränkt – für längere Touren fehlt schlicht die nötige Reichweite, zumal die Leistung, anders als bei Verbrennern, im letzten Viertel merklich nachlässt.
Selbst wenn man also von Freiburg, dem Mekka deutscher Motorradkultur, startet, käme man gerade so über den Schausinsland nach Todtnau und zurück. Wohnt man nicht direkt am Ausgangspunkt interessanter Strecken, ist das Modell daher für viele Touren bedauerlicherweise schlicht ungeeignet. An Gruppenfahrten wird man auch eher nicht teilnehmen können, da eine gute Stunde Ladezeit zu enormen Pausen zwänge.
Noch kritischer wird es abseits befestigter Wege: Wer das Motorrad im Gelände nutzt, riskiert, in der Pampa ohne Energie dazustehen. Kurz und knapp: 100 Kilometer sind nichts, wirklich nichts.

Dazu kommt, dass Can Am keine Unterbringungsmöglichkeit für das Ladekabel vorgesehen hat. Ohne die optionalen Packtaschen bleibt nur der Rucksack – das schwere Typ-2-Kabel muss also auf dem Rücken mitgeführt werden. Besonders das wäre so einfach zu verhindern gewesen: Mit einem CCS-Anschluss bestünde dieses Problem gar nicht erst; an Schnellladesäulen ist das Ladekabel bekanntlich vorhanden, doch am Origin passt der Stecker nicht.
Es fährt so kurz – aber so toll!
All das ist ausgesprochen schade. Denn das Origin hat viel Potenzial. Oder, wie der kanadische Offroad-Profi Ryan Kluftinger (Youtube: Fortnine) in seinem Test sagt: "Das Origin fährt sich wie die Vorstellung eines Kindes davon, wie Motorräder fahren", so Ryan, "das ist fast wie Schummeln – so leichtfüßig ist es im Gelände."

Das Zusammenspiel von Gewicht, Beschleunigung und Federung macht das Fahren mit diesem Motorrad tatsächlich besonders unkompliziert – sowohl auf der Straße als auch im Gelände. Die Sitzposition überzeugt durch Komfort, und auch die fehlende Kupplung trägt dazu bei, dass man sich ganz auf die Umgebung konzentrieren kann. Die Bremsen und das ABS arbeiten sehr zuverlässig, die unterschiedlichen Fahrmodi lassen sich passend zur Situation wählen. Ein Rückwärtsgang erleichtert das Rangieren, selbst in schwierigem Terrain.
Große Pluspunkte gibt es auch für die Antriebskette: Sie ist gekapselt und mit automatischem Spanner und Ölbad ausgestattet – so entfällt fast jede Wartung. Das erinnert an den wartungsarmen Kardan der BMW GS und ist für Vielfahrer ein echtes Komfortmerkmal. Auch der großzügige Wartungsintervall von 16.000 Kilometern nach dem ersten Service verdient Lob.

Die übrige Technik überzeugt ebenfalls: Das riesige 10,25-Zoll-Touch-Display zeigt nicht nur Informationen zur Fahrt, sondern bietet mit Apple Carplay per Kabel die Möglichkeit, Navigation und Smartphone-Funktionen zu spiegeln. Gerade für Tourenfahrer ein starkes Argument – sofern die Reichweite ausreichend wäre.
Das Smartphone und die Papiere kann man in einem kleinen Fach auf dem "Tank" unterbringen. Dort ist auch der USB-Anschluss für Strom und die Verbindung für Carplay. Das ist praktisch, aber da das Fach nicht abschließbar ist, besteht die Gefahr, dass dort Vergessenes leicht entwendet werden kann. Hier wäre eine abschließbare Lösung wünschenswert gewesen.
Auch die fehlende Feststellbremse wirft Fragen auf. In der Bedienungsanleitung heißt es: "Dieses Motorrad hat weder eine Feststellbremse noch ein herkömmliches Motorradgetriebe, das mit einem Gang verhindern kann, dass sich das Hinterrad im geparkten Zustand bewegt. Das Hinterrad ist immer mechanisch mit dem Elektromotor verbunden. Wenn das Motorrad ausgeschaltet ist, kann sich das Hinterrad in jede Richtung bewegen. Stellen Sie sicher, dass Sie das Motorrad auf einer flachen, ebenen Fläche abstellen. Wenn Sie das Fahrzeug an einem Hang abstellen müssen, blockieren Sie das Hinterrad mit der Bordsteinkante oder einem Unterlegkeil."

Einen Keil mitnehmen, damit das Motorrad nicht auf abschüssigen Geländestellen wegrollt – das wirkt wenig durchdacht für ein explizit geländetaugliches Fahrzeug.
Alles in allem kommt auch Ryan Kluftinger zu dem Schluss: "Es ist einfach nicht zu gebrauchen." Vor allem die eingeschränkte Reichweite und die relativ langen Ladezeiten schränken die Tourentauglichkeit deutlich ein. Über die kleinen Makel ließe sich womöglich hinwegsehen, doch die technischen Daten setzen dem Fahrspaß klare Grenzen.
Fazit: Elektromotorrad Can Am Origin
Das Can Am Origin vermittelt den Eindruck einer Vorschau auf das, was künftig mit Elektromotorrädern möglich sein wird. Leider verlangt der Hersteller für dieses unfertig wirkende Konzept bereits heute einen Einstiegspreis ab 16.499 Euro. Hängt die Weiterentwicklung des Fahrzeugs vom Erfolg dieser ersten Serie ab, sieht die Zukunft wohl düster aus.

Erneut: Das ist einfach schade. Das Motorrad ist eine überaus solide Basis, richtet sich aber in erster Linie an gut situierte Nutzer mit eigenem Ladepunkt, die direkt am Waldrand wohnen und keine längeren Anfahrten zur Hausstrecke haben. Nach jeder Fahrt, selbst bei kurzer Nutzung, ist das Nachladen praktisch Pflicht. Oder anders formuliert: tolle Beschleunigung, schönes Fahrgefühl, aber eingeschränkte Reichweite und tendenziell schlechte Ladeleistung.
Jetzt könnte man sagen: "Ja, aber für die Stadt ist es doch perfekt". Das mag in Teilen sogar stimmen, aber für die Stadt kauft kaum jemand eine Enduro.
Sollte es dem Hersteller gelingen, die Reichweite mindestens zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen und gleichzeitig die Ladegeschwindigkeit zu erhöhen, würde das Origin zu einer attraktiven Empfehlung heranreifen. Die Basis für ein großartiges Elektromotorrad ist zweifelsohne vorhanden – aber Stand heute, liegt dieses Ziel noch in recht weiter Ferne.
Hoffentlich reicht die Zeit und Can Am muss dem Vorhaben nicht aus finanziellen Gründen den Stecker ziehen. Es wäre nicht der erste Hersteller elektrischer Motorräder.
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