Spätestens wenn man für weniger Auto mehr Geld bezahlt, wird es verdächtig. Am Ende könnte dabei allerdings doch mehr herauskommen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Porsche 911 T. Mit ihm ist echtes Fahren noch möglich. ntv.de hat es ausprobiert.

Das erste Detail des 911 T, das mir ins Auge fällt, lässt mich schmunzeln. Porsche hat nämlich einen Aufkleber auf der hinteren Seitenscheibe platziert - mit einer Grafik. Diese stellt eine Schaltkulisse dar. Schaut, liebe Außenwelt, ich fahre Porsche mit Schaltgetriebe. Wenn so ein kleines, eigentlich nichtiges Detail schon kommunikationswürdig ist, scheint echten Autofans gerade etwas abhandenzukommen, oder?

Klar, Elektromobilität, Fahrautonomie, Sound - all das sind Dinge, die über Jahrzehnte Automobilkultur geprägt haben. Und sie versickern gerade wie Wasser in der Wüste. Porsche stemmt sich förmlich mit der Gewalt von 394 PS dagegen: Die Lösung heißt 911 Touring. Und wer Nachhilfe in Sachen Modellkunde benötigt: Das "T" steht wie einst Ende der 1960er-Jahre für Touring. Heritage in praktischer Reinform kommt gut an.

Touring heißt aber nicht etwa sanfter Tourer wie beim Gran Tourismo, sondern das hier ist echtes Autofahren. Weniger Dämmung, mehr Geräusch lautet das Motto, wobei der T gezielt und fein nach 911 klingt, ohne zu lärmen - okay, erwischt, das ist natürlich Geschmacksache. Er erinnert mit seiner Akustik vielleicht auch so ein bisschen an einen originalen Touring, nur dass die moderne Abgasreinigung eben jedes Molekül von Benzingeruch wegkatalysiert.

Dennoch, lass mal genauer hinfühlen. Karostoff-Sitze mit Lederwangen stehen für Luxus in dezenter Form. Sie sind sportlich, aber nicht eng wie beispielsweise die extremen Sitzschalen für den Trackeinsatz. Und: Es muss nicht immer Vollleder sein.

Dann dieser legendäre Holzknauf der Schaltbox. Und die bietet nicht verwirrende sieben Gänge wie bei Porsche zuletzt möglich, sondern schlicht sechs. Gut so. Wenn es nach mir ginge, dürfte da noch etwas mehr Holz hin (war früher auch so). Hier lässt der Konfigurator eine Lücke.

911 T ist Leichtgewicht

Egal, jetzt geht der Touring erst mal auf Tour. Der erste Gang rastet mechanisch, aber leicht. Und sowieso, dieser Sportler fühlt sich leicht an. Im Datenblatt lese ich den Wert 1490 Kilogramm nach DIN, das ist für ein Auto mit allen erdenklichen Sicherheitsstandards schon beachtlich wenig. Und so fährt der Boxer auch, obwohl hinten mit 305er Walzen ausgestattet. Der Vortrieb - beachtlich druckvoll, wenn man den Dreiliter-Sechszylinder dreht, aber nicht brutal wie etwa beim Turbo. Zudem entfaltet er seine 450 Newtonmeter erstaunlich homogen - es gibt keine ausgeprägte Turbocharakteristik. Laut Werk sollen nach 4,5 Sekunden 100 km/h auf dem Kombiinstrument stehen - langsam ist anders.

Stichwort Kombiinstrument - das ist inzwischen vollständig als Bildschirm ausgeführt. Goodbye, Mechanik (bloß die Uhr ist übrig), das stimmt sicherlich den einen oder anderen Fan traurig. Bis die erste Kurve kommt, die der leichteste zivile Elfer, wenn man das so sagen möchte - GT ist natürlich leichter -, mit einer Gelassenheit abhandelt, die bei etwas geübteren Fahrern für Grinsen und bei ängstlichen Beifahrern für Schwindel sorgt. Grenzbereich? Vergiss es, nur auf dem Track und dann mit viel Mut. Und das mit einer leichtgängigen, aber hochpräzisen Servolenkung.

Bleibt die Frage, ob der abgespeckte T auch für den Alltag geht. Klar, wer Spaß am schön mechanisch-urig klackenden Schaltgetriebe hat, kann das machen. Und es gibt sogar ein Fünkchen Restkomfort: Auch ein Touring fährt heute mit Tempomat, allerdings ganz puristisch ohne Längsführung (bremst nicht oder gibt Gas).

Okay, wer unbedingt möchte, kann den puristischen T natürlich auch mit modernen Gimmicks ausstatten. Nachtsichtgerät, um auf nächtlichen Landstraßen Lebewesen am Wegesrand zu detektieren? Geht nach Überweisung von etwas mehr als 2500 Euro klar. Wer das zivile Tracktool mit den markanten Zierstreifen auf den Flanken zum Alltagsbegleiter machen will, sollte natürlich wissen, dass der Lautstärkepegel ein anderer ist als bei einem klassischen Carrera mit mehr Dämmmaterial. Bei 120 km/h entspannte Unterhaltungen führen? Nur mit deutlich angehobener Stimme.

Aber exakt das macht den Touring ja auch irgendwie aus. Ein bisschen Alltag, ein bisschen angasen, ein bisschen röhren und ein bisschen schalten. Das Ganze aber ohne viel Aufsehen (GT3), allerdings mit ein bisschen Kommunikation nach außen (Schaltgetriebe-Symbol auf der Seitenscheibe). Porsche nimmt für die Portion Nostalgie ohne Automatik und Dämmung 10.500 Euro Aufpreis gegenüber einem Basis-Carrera und kommt damit auf 146.800 Euro.

Worin besteht denn jetzt eigentlich das Mehr? Ist doch klar, im erhöhten Fahrspaß! Echtes Fahren ist in der Zeit von Automatikgetriebe, Elektromobilität und Klangabstinenz eben ein verdammt teures Vergnügen geworden.

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