Deutsche Autos haben ein Langweiler-Image. Käfer, Corsa, Golf oder Escort haben höchstens eine gewisse biedere Zeitlosigkeit gemeinsam, verblassen aber hinter Modellen aus anderen Ländern. Wirklich? Wir stellen fünf Design-Ikonen aus Deutschland vor, die sich im wahren Wortsinn sehen lassen können.
Klassische Autoschönheiten kommen nicht nur aus Italien, Frankreich oder England. Es gibt auch reichlich Beispiele für Stil-Ikonen aus Deutschland. Hier sind fünf Blechgemälde aus der Heimat, die Trends gesetzt haben.
Karmann Ghia: Schöner Schein aus der Provinz (1955-74)
Der Erfolg hat viele Väter. So war es auch beim Karmann Ghia. Heute lässt sich nur noch schwer ergründen, wer genau das Kleid vom Typ 14 entwarf. Manche sagen, es war Luigi Segre, Designer, Ingenieur und späterer Besitzer der Turiner Carrozzeria Ghia, zudem guter Freund von Wilhelm Karmann. Andere Quellen verweisen auf Ghias Chefdesigner Felice Mario Boano. Wer es auch war: Er erschuf eine Ikone für die Nachwelt.
Als am 11. August 1955 das erste Auto im Karmann-Werk Osnabrück vom Band lief, war die junge Bundesrepublik fest in Käfer-Hand. Ausgerechnet der hemdsärmelige VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff (noch so ein Vater des Karmann Ghia) gab grünes Licht für das aufregende Coupé, das nie den Anspruch erhob, ein Sportwagen zu sein. Name und Optik ließen mehr vermuten, als VW bereit war, zu investieren. Trotz des selbstbewussten Preises von 7.500 Mark musste die Graubrot-Käfer-Technik des 1200 Export-Modells für den schönen Schein aus der norddeutschen Provinz reichen, der später auch in Brasilien gebaut wurde.
Anfangs waren es bescheidene 30 PS (zum Schluss 50), die es mit 100 Kilo mehr Gewicht zu tun bekamen als beim Käfer. Da verging bis Tempo 100 schon mal eine halbe Minute. Man hatte Zeit zu dieser Zeit. Und man verschwendete sie nicht mit dem Studium einer dicken Bedienungsanleitung. Alles am Karmann Ghia erklärte sich selbst. Auch das elegante Cabriolet, das im September 1957 erschien. Noch einmal 750 Mark teurer, aber der Gattin des Herrn Oberstudienrats stand es nun mal vortrefflich. Bis 1974 der Scirocco übernahm, wurden vom Typ 14 genau 385.803 Coupés und 81.053 Cabriolets gebaut. Die vielen Väter sind bestimmt stolz auf ihren Zögling.
Glas V8: Gestorben in Schönheit (1966-68)
Der "Spiegel" schrieb im Jahr 1965: "Mit diesem Auto hat Glas ein Konzept verwirklicht, wie Porsche mehrfach erwogen und stets verworfen hat." Das Nachrichtenmagazin sprach vom Glas V8 - und der war schlichtweg gesagt eine kleine Sensation. Gebaut auf dem Dorf im bayerischen Dingolfing, beim kleinsten deutschen Hersteller mit Fließbandmontage.
Die Technik war vom Feinsten und vom Teuersten: V8 mit 150 PS, obenliegende Nockenwelle, Kunststoff-Zahnriemen. Der Top-Speed lag bei über 200 km/h, Hydromatik-Federbeine mit Niveauausgleich sollten für sportlichen Komfort auf hohem Niveau sorgen.
Und dann diese schlanke Schönheit. Firmenchef Hans Glas gewann Pietro Frua, den Vater vieler spektakulärer Maserati-Modelle fürs Design. Der Maestro schneiderte ein zeitlos elegantes Sportcoupé, wie man es aus deutschen Landen selten gesehen hatte. Turiner Chic innen und außen. Nicht zufällig erinnert der Glas V8 an den Maserati Quattroporte, ebenfalls aus Fruas Händen.
Doch dem deutschen "Glaserati" war ein kurzes Leben beschert. Er war mit rund 18.000 Mark zwar nicht abstrus teuer, aber viel zu aufwendig konzipiert. Wegen Qualitätsmängeln und Komfortschwächen hielten sich betuchte Kunden zurück. Schon 1966 geriet Glas in Schieflage, BMW übernahm die talentierte "Dorfschmiede" und baute das Coupé als BMW Glas 3000 V8 bis Mai 1968 weiter. Dann war Schluss. Der Sportwagen vom Lande starb, aber immerhin in Schönheit.
NSU Ro 80: Der geniale Pflegefall (1967-77)
Der wohl genialste Pflegefall der deutschen Autogeschichte feierte seine Weltpremiere 1967 auf der IAA - und wurde direkt zum "Auto des Jahres" gewählt. Was für ein Designerstück, was für eine verwegene Konstruktion! Der gelernte Karosseriebaumeister Claus Luthe verpasste dem NSU Ro 80 ein aerodynamisches Design, das mit "revolutionär" nur unzureichend beschrieben wäre. Die äußerst moderne Keilform war allen Blechkameraden seiner Zeit Lichtjahre voraus und erreichte einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,355.
NSU peilte damals Besserverdiener an: Ärzte, Architekten, Fabrikanten. Selbstbewusste 14.150 Mark standen auf dem Preisschild. Entsprechend hoch waren die Erwartungen. Doch weder die Verarbeitung noch der extravagante Antrieb konnten sie erfüllen. Der 115 PS starke Rotationskolbenmotor (deshalb Ro) von Konstrukteur und Erfinder Felix Wankel war technisch zwar ein Meisterwerk und wunderbar laufruhig. Aber eben auch extrem anfällig und zum Serienstart alles andere als ausgereift. Dichtleisten brachen, der Ölverbrauch war katastrophal, der Verbrauch verheerend (bis zu 20 Liter). Immer wieder wurden Motoren (dank großzügiger Kulanz) ausgetauscht. Der Ruf war dahin. Bis zum Ende dümpelte der Verkauf weit unter den Erwartungen, im letzten Jahr waren es gerade mal 382 Stück. Der Ro 80 starb 1977 und mit ihm auch der Name NSU. 1985 erfolgte die Umbenennung in Audi AG.
Porsche 928: Der verkannte Erbschleicher (1977-95)
Er schien sich selbst irgendwie unwohl zu fühlen in seiner hochmodernen Haut, als er 1977 auf dem Genfer Salon auftauchte. Als der große neue Sportwagen von Porsche wurde der 928 angekündigt, sollte den Elfer beerben und die nach mehr Luxus strebende Porsche-Klientel bei Laune halten. Porsches Chef-Designer Anatole Lapine sagte bei der Vorstellung fast schon visionär: "Mit dem 928 wird man sich noch in Jahren auseinandersetzen." Wie Recht er hatte, denn das Design dieses Autos war so fortschrittlich, dass es die meisten damals einfach nicht verstanden.
Genaugenommen stammte der 928 aus der Feder von Lapines Stellvertreter Wolfgang Möbius. Der schneiderte einen zeitlosen Gran Turismo, der nicht nach spontanem Beifall haschte und trotzdem alles andere als beliebig wirkte. Mit glatten Linien, üppig verglastem Heck, Rädern im Telefonscheiben-Design und kugelförmigen Klappscheinwerfern. Kein Sportwagen im klassischen Sinne, dafür war der 928 trotz vieler Karosserieteile aus Aluminium mit 1,45 Tonnen viel zu schwer. Das luxuriöse Raumschiff, optional sogar mit klimagekühltem Handschuhfach ausgestattet, war eher der komfortable Reisebegleiter für Reiche.
Die Technik war vom Feinsten: 4,5 Liter-V8, 240 PS und natürlich Transaxle-Bauweise. Vorne der Motor, an der Hinterachse Getriebe und Differential in einem gemeinsamen Gehäuse. Ideal für eine günstige Gewichtsverteilung und exzellentes Fahrverhalten. Dass der 928 auf Anhieb den Titel "vernünftigster Sportwagen des Jahres" gewann, sagt viel über das Wesen des 928, jenem Porsche, der nie alt werden wollte.
Audi TT 8N: Nicht alles läuft rund (1998-06)
Am Steuer der ersten TT-Serie lebte er anfangs gefährlich, der ganz normale Autofahrer. "Wenn man bei 200 das Gas wegnimmt, fährt der rückwärts", kommentierte Rallye-As Walter Röhrl trocken das problematische Fahrverhalten des Sportcoupés. Zu viel Auftrieb an der Hinterachse bescherte dem stylishen Rundstück einen so schmalen Grenzbereich, dass einige ungeübte TT-Piloten in schnellen Kurven den Abflug machten, ein paar sich sogar zu Tode fuhren. Ein Desaster für die Herren der Ringe.
Audi reagierte, notgedrungen, aber längst nicht spontan, und rüstete einen Heckbürzel sowie ESP (für 650 Mark) nach. Der Karriere des TT schadete diese dunkle Episode kaum. Dazu war er zu schön und anders als all die anderen. Das gefeierte Design des Audi TT Concept von 1995 fuhr ab 1998 direkt und nahezu unverändert in die Blutbahn der Fans (ab 1999 auch als Roadster). Das TT-Kleid, entworfen in Kalifornien und unter Design-Chef Peter Schreyer in Ingolstadt vollendet, zitierte gekonnt Audi-Geschichte.
Viele sagten, der TT sei stilbildend, eine zeitlose Skulptur. Andere sahen in ihm nur eine sportlich angestrichene Mogelpackung mit biederer Golf-Großserientechnik. Nun ja, 180 Turbo-PS in der Basis reichten jedenfalls für deutlich mehr als den Hausgebrauch. Und auch die 225 PS im Quattro getriebenen Topmodell waren eine Motorisierung, die vielen (Fahr-)Spaß machte. Über 250.000 Mal verkaufte sich die erste TT-Serie 8N bis 2006. Alles potenzielle Klassiker von morgen. Die lange Geschichte der Design-Ikone endete erst im Dezember 2023 mit einer finalen Sonderserie und nach insgesamt 662.762 gebauten Exemplaren.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke