Während andere Hersteller immer mehr fancy Modelle lancieren, bespielt Audi das elektrische Kompaktsegment weiterhin konservativ. Beispielsweise mit dem optisch traditionellen Q4 E-Tron. ntv.de hat das Topmodell 55 Quattro einem Test unterzogen.

Wie das so ist mit den Modellzyklen: Nach einer bestimmten Laufzeit haben andere Hersteller dann die Nase vorn, weil die gerade das neuere Auto herausgebracht haben. In der Elektromobilität ist das besonders spannend zu beobachten, da vor allem in der so wichtigen Ladeperformance Sprünge zu erwarten sind. Doch ist das wirklich so? Immerhin bringen massenhaft Hersteller aktuell noch langsamere 400-Volt-Systeme auf den Markt von Alfa Romeo bis Volvo. Und so bespielt auch Audi die Kompaktklasse eher konservativ - jedenfalls in puncto Ladegeschwindigkeit. Die schnellen 800-Volt-Ladesysteme gibt es zwar im Konzern, aber eben erst ab der Mittelklasse. Dabei ist selbst der kompakte Q4 preislich gar nicht so mittelklassig. Mit Grundpreisen zwischen 46.150 Euro und 59.000 Euro ist der Q4 nämlich keineswegs günstig.

Demnach drängt sich die Frage geradezu auf, warum man hier zugreifen sollte und nicht etwa beim Wettbewerber. Kia beispielsweise bietet in der gleichen Preisklasse deutlich schnelleres Laden. Manche Chinesen wie Xpeng auch. Okay, jetzt muss man natürlich wissen, dass die Volkswagen-Konzernprodukte nur so leistungsfähig sein können wie ihre Plattformen, auf denen sie aufbauen. Und das ist nun einmal häufig der sogenannte Modulare Elektrobaukasten mit all seinen Grenzen - Stichwort 400 Volt und 180 km/h Höchsttempo selbst beim hier besprochenen 340 PS starken Allrad-Topmodell. Wobei teilweise auch schon 200 Sachen erreicht werden (Cupra Born VZ), doch das spielt nicht unbedingt die entscheidende Rolle. Und es ist keineswegs so, dass Audi nicht justiert hätte beim Q4. Mit dem Einsatz des effizienten APP550-Motors an der Hinterachse steigern die Konzernstrategen Reichweite und senken Kosten.

Top-Q4 beschleunigt rasant

Der übrigens auch optisch konservativ gehaltene Q4 soll herhalten als so eine Art Eier legende Wollmilchsau. Ein Commuter für den Weg zur Arbeit, ja. Aber auch bequeme Urlaubskutsche für die Familie? Oder leistungsstarkes Tool für Außendienstler? Und hier liegt sozusagen der Hase im Pfeffer. Audi hat für diese Besprechung sein stärkstes Q4-Pferd aus dem Stall gelassen, den 55 Quattro. Und der zeigt schon auf den ersten Metern, dass er mehr Punch liefert, als man eigentlich braucht. Volle Last, also Pedal am Bodenblech, ist in vielen Situationen gar nicht so empfehlenswert. Denn dann könnte es zu Kollisionen mit dem Vordermann kommen. In jedem Fall haben 5,4 Sekunden Beschleunigungszeit auf 100 km/h auch einen Impact auf empfindliche Mägen, mal so am Rande erwähnt. Auf der Autobahn steht dann die Höchstgeschwindigkeit wieder nicht im Verhältnis zur Längsdynamik, alles nicht so einfach also mit dieser Plattform.

Aber sonst? Ist der Q4 selbstredend ein patenter Cruiser, mit richtig guten Sitzen (beim Testwagen mit sportiv-schicker Mikrofaserpolsterung) und piekfeiner Audi-Verarbeitungsqualität. Und mit einem Fahrwerk, das versucht, es vielen Fraktionen recht zu machen - vom Feingeist der gleitenden Schule bis zum Sportler-Typus. Heißt, der doppelmotorige (vorn asynchron, hinten permanenterregt-synchron) 2,2-Tonner kann sowohl Kurve als auch halbwegs gepflegtes Abrollen. Innen geht es einigermaßen traditionell zu, jedenfalls für heutige Verhältnisse. Und das ist ja auch schon ein Wert an sich, denn die koreanische Hightech-Konkurrenz schwört auf exzentrische Wohnarchitektur. Wobei freilich auch der Audi kaum ohne seinen Touchscreen auskommt, wenn man tiefer in die Funktionalitäten einsteigen will. Willkommen im Jahr 2025: Konnektivität ist alles.

Bei Realreichweite könnte mehr gehen

Doch lasst uns ans Eingemachte gehen: Reichweite und Ladegeschehen. Ein elektrisch angetriebenes Auto kann wunderbar fahren, produziert aber Frust, wenn es nicht in einer praktischen Weise einsetzbar ist. Audi verspricht Reichweiten zwischen 464 und 524 Kilometern in der WLTP-Disziplin (77-kWh-Akku), wobei diese in der Realität oft darunter liegen. Denn nirgends wirken sich Dinge wie bloß kalte (oder heiße) Witterung so stark auf den Energiekonsum aus wie bei einem elektrischen Antrieb. Denn bei Kälte wird der Segen des hohen Motor-Wirkungsgrads plötzlich zum Fluch, weil die Heizenergie aus der Traktionsbatterie entnommen werden muss. Und auch der für den Kältekompressor benötigte Strom schlägt ins Kontor. Aber deutlich über 300 Kilometer sind dann doch realistisch. Außer, man fährt dauerhaft Höchsttempo, was der Verkehr aber sowieso meistens nicht zulässt, außer nachts.

Immerhin haben die Ingenieure die Peakladeleistung beim Q4 auf 175 kW hochgerampt. Nur dumm, dass es auf die Ladekurve ankommt. Wer bei zehn Prozent Ladestand angelangt ist und frische Energie braucht, sollte sich mal vorsichtshalber auf eine halbe Stunde einstellen, bis 80 Prozent wieder erreicht wären. Um eine perfekte Batteriekondition vorzufinden, sollte der User wiederum das Ziel (vor allem, wenn es weiter entfernt liegt) lieber mal ins Navigationssystem eingeben. Unter dem Strich ist der 4,59 Meter lange Q4 immer noch ein feiner Reisewagen mit luftigen Platzverhältnissen und ordentlichem Komfort. Apropos Platz: Das Kofferraumvolumen von 520 Litern bei aufgestellten Lehnen sollte selbst für ausgedehnte Familienurlaube mit vier Personen reichen. Maximal sind rund 1500 Liter drin. Bleibt lediglich zu hoffen, dass die Familie nicht rebelliert wegen der Ladestopps.

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