Zum zweiten Mal haben sich Vertreter der Ukraine und Russlands in Istanbul getroffen. Nach dem Ende der Gespräche kündigten beide Seiten einen neuen Austausch von Gefangenen an.

Die zweite Runde der direkten Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im türkischen Istanbul ist beendet. Es seien Dokumente ausgetauscht worden und vorbereitet werde ein neuer Austausch von Kriegsgefangenen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der litauischen Hauptstadt Vilnius bei einem Besuch.

Der ukrainische Verteidigungsminister und Delegationsleiter Rustem Umjerow sagte vor Journalisten, dabei gehe es zuerst um einen Austausch schwer verletzter und schwer kranker Kriegsgefangener. Die zweite Kategorie seien junge Soldaten zwischen 18 und 25 Jahren. Dabei gelte jeweils das Prinzip "alle gegen alle" - geeinigt habe man sich also auf konkrete Kategorien "und nicht auf Ziffern".

Die Ukraine schlug Umjerow zufolge einen Termin Ende Juni für Folgegespräche vor. Die entscheidenden Fragen könnten aber nur auf Ebene der Staatschefs geklärt werden, führte er aus.

Ukraine fordert Rückgabe von verschleppten Kindern

Außerdem ist dem Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, zufolge eine Liste mit Namen von verschleppten Kindern an Russland übergeben worden, deren Rückgabe Kiew fordert. "Es geht um Hunderte Kinder, die Russland gesetzwidrig deportierte, zwangsweise umsiedelte oder in den temporär besetzten Gebieten festhält", schrieb er bei Telegram.

Der Leiter der russischen Delegation Wladimir Medinski bestätigte die Vereinbarung über den Austausch von Gefangenen in den genannten Kategorien. Demnach wird angestrebt, in beiden Gruppen jeweils mindestens 1.000 Kriegsgefangene auszutauschen. Zusätzlich wurde beiden Seiten zufolge auch ein Austausch von 6.000 Leichen getöteter Soldaten vereinbart.

Vorschläge für Waffenruhe

Bezüglich der angestrebten Waffenruhe seien die beiderseitigen Vorschläge übergeben worden. Man sei derzeit noch dabei, das russische Dokument auszuwerten, sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychyj. 

Russland schlug nach Angaben von Medinski eine zwei- bis dreitägige Waffenruhe an bestimmten Frontabschnitten vor. So könnten Kommandeure beider Seiten die Leichen ihrer Soldaten bergen, führte er vor Journalisten aus. Die Ukraine fordert eine vollständige und bedingungslose Waffenruhe.

Die ukrainische und russische Delegation an getrennten Tischen im Istanbuler Ciragan-Palast.

"Ohne negatives Ergebnis" beendet

Bilder zeigten die ukrainische und russische Delegation an getrennten Tischen im Istanbuler Ciragan-Palast. An der Stirnseite nahmen türkische Außenminister und Gastgeber Hakan Fidan und andere türkische Offizielle Platz. Kurz nach Veröffentlichung der Bilder erklärten russische Staatsmedien die Gespräche bereits wieder für beendet.

Das Gespräch in Istanbul habe etwa eine Stunde gedauert, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Tass und die Agentur Interfax unter Berufung auf eigene Quellen. Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums gab bekannt, die Verhandlungen seien "ohne negatives Ergebnis" zu Ende gegangen.

Selenskyj schon im Vorfeld ohne große Erwartungen

Bei den Gesprächen sollten Bedingungen für einen Waffenstillstand, Schritte für einen weiteren Gefangenenaustausch und Vorbereitungen für ein Treffen auf höchster Ebene besprochen werden, hatte Fidan im Vorfeld erklärt.

Selenskyj zeigte sich schon im Vorhinein skeptisch: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Russen zu einem produktiven Treffen bereit sind", sagte er bei einem Besuch in Litauen. "Ausgangspunkt sollten natürlich ein Waffenstillstand und humanitäre Maßnahmen, die Freilassung von Gefangenen und die Rückgabe entführter Kinder sein", sagte der Präsident. Sollten die Gespräche heute ohne Ergebnisse bleiben, forderte er neue und härtere Sanktionen gegen Russland.

Forderungen gehen auseinander

Beide Seiten hatten ihre Forderungen schon vor der zweiten Runde klargemacht: Die Ukraine will eine bedingungslose, 30-tägige Waffenruhe, die international überwacht wird. Aus ukrainischen Verhandlungskreisen verlautete, man sei bereit, echte Schritte zu einem Frieden zu unternehmen. Russland müsse aber Bereitschaft zu Fortschritten zeigen, "anstatt nur die gleichen früheren Ultimaten zu wiederholen". Die ukrainische Delegation wird wieder von Verteidigungsminister Umjerow geleitet.

Auch die russische Delegation wird wie bei der ersten Runde angeführt von Kreml-Berater Wladimir Medinski. Sie knüpft eine Waffenruhe an Bedingungen: Die Ukraine soll auf Waffenlieferungen des Westens verzichten und die Mobilmachung einstellen. Moskau will so verhindern, dass Kiew eine Feuerpause zum Kräftesammeln nutzt.

Mitte Mai hatten die beiden Delegationen bereits einmal direkt miteinander verhandelt - das erste Mal seit drei Jahren. Als einziges konkretes Ergebnis hatten sie damals den seit Kriegsbeginn größten Gefangenenaustausch von jeweils 1.000 Inhaftierten vereinbart - und inzwischen auch durchgeführt.

EU hält Außen- und Sicherheitspolitiker bereit

Die Verhandlungen ließen nicht nur die Delegationen der Kriegsparteien nach Istanbul reisen. Die europäischen Partner seien auf der Ebene der außen- und sicherheitspolitischen Berater in Istanbul, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. Diese könnten sich in die Gespräche einbringen, wenn dies gewollt sei. "Und das ist unser Beitrag, auch um zu zeigen, dass es sich hier auch um den festen Willen Europas handelt, einen Waffenstillstand herbeizuführen."

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