Inhalt des Artikels:
- "Kongo-Müller": Redselig dank Alkohol
- Kongo: ein Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg
- Weiße Söldner werden zum Schreckgespenst
- Medieninszenierung und DDR-Propaganda
- Vom Wehrmachtssoldaten zum Söldnerführer
- Historiker entzaubern Müllers Biografie
"Kongo-Müller": Redselig dank Alkohol
Am 10. November 1965 sitzt Siegfried Müller, besser bekannt als "Kongo-Müller", in einem Münchner Filmstudio. Mit einem Glas Pernod in der Hand und einem Eisernen Kreuz an der Brust grinst er breit in die Kamera. Bereitwillig gibt er Auskunft über seinen Einsatz als Söldner im Kongo. Seine Gegner dort: kommunistisch inspirierte Rebellen. Sein Fehler: Eitelkeit.
Denn die beiden Männer, die ihn interviewen, sind keine westdeutschen Journalisten, sondern die DDR-Dokumentarfilmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann. Ihr Ziel: Müller als Symbol für den westlichen Imperialismus und Militarismus vorzuführen. Vier Stunden lang redet sich Müller um Kopf und Kragen und plaudert unbefangen von seiner "Arbeit": von willkürlichen Erschießungen, Leichenschändungen, Rassismus und dem Gebaren ehemaliger NS-Soldaten.
Doku in der ARD-Mediathek
Kämpfen und wenn nötig Töten als Geschäft – wer entscheidet sich dafür und warum? Diesen Fragen geht eine Doku in der ARD-Mediathek nach.
Kongo: ein Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg
Der Kongo, in dem Müller als Söldnerführer eingesetzt war, ist seit 1960 ein souveräner Staat. Doch die Entlassung der ehemaligen belgischen Kolonie in die Unabhängigkeit war schlecht vorbereitet – ein blutiger Bürgerkrieg ist die Folge, und die Weltmächte USA und Sowjetunion mischen mit – die Kongo-Krise entwickelt sich zu einem Stellvertreterkonflikt, in dem die beiden Machtblöcke des Kalten Krieges um weltpolitische Vorherrschaft ringen.
Siegfried Müller kämpft im Auftrag der westlich orientierten Zentralregierung. Denn die hat ein ernsthaftes Problem: Ihre Armee ist zwar modern ausgerüstet, doch die schwarzen Regierungssoldaten glauben oft, dass die Aufständischen aufgrund magischer Kräfte unverwundbar sind, weshalb sie bei deren Anblick nicht selten kampflos die Flucht ergreifen. Weiße Söldner sollen helfen, das Problem zu lösen.

Weiße Söldner werden zum Schreckgespenst
Dabei gehen sie äußerst brutal vor. Ohne einen Anflug von Reue oder kritischer Reflexion berichtet Müller von Folter und Misshandlungen: "Ja, misshandelt – das ist hier normal. Man vernimmt jemanden, und wenn man vernimmt, muss er Hiebe kriegen, sonst erzählt er nicht richtig, sagt man. Und wenn er erzählt hat, wird er ja, da er ein Rebell ist und ein Rebell außerhalb des Rechts steht, getötet." Schnell bürgert sich für bei den Einheimischen für die weißen Söldner die Bezeichnung "die Schrecklichen" ein.
Müller selbst verkauft das aber als Kampf gegen den Kommunismus und "für die Idee des Westens". So laden seine Aussagen regelrecht ein zur propagandistischen Ausschlachtung ein. Der aus der "Schnapsbeichte" resultierende Film "Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders" (1966) wird zur Propagandawaffe im Kampf der beiden deutschen Staaten.
Medieninszenierung und DDR-Propaganda
Die DDR nutzt ihn, um eine breit angelegte Medienkampagne gegen Westdeutschland zu starten – mit Büchern, einer Schallplatte mit dem Interview, Folgefilmen und Presseartikeln. Die Bundesrepublik wird u.a. als "Handlanger des US-Imperialismus" bezeichnet, und Müller muss als typischer Vertreter des "Bonner Militarismus" herhalten. Das Interview, bei dem die beiden ostdeutschen Filmemacher ihre Identität verschleiern, wird so zu einem der größten Propaganda-Coups des Kalten Krieges. Der Film mit den Enthüllungen des "lachenden Mörders" wird in 37 Ostblock-Staaten gezeigt.

Zuvor hatte "Kongo-Müller" in der Bundesrepublik bereits hohe Bekanntheit erlangt, allerdings unter einem positiven Vorzeichen, als eine Art kauziger Abenteurer mit Wehrmachtsvergangenheit. Dabei deutete anfangs nichts darauf hin, dass er so groß rauskommen wird.
Vom Wehrmachtssoldaten zum Söldnerführer
Geboren 1920 in Crossen an der Oder, machte Müller eine typische Wehrmachtskarriere und erhielt beide Klassen des Eisernen Kreuzes. Nach dem Krieg tingelte er durch verschiedene Jobs und wanderte nach Südafrika aus, ehe er 1964 als Söldner im Kongo landete, wo er mit dem "Kommando 52" gegen die Simba-Rebellen kämpfte.
Die westliche Presse machte ihn schnell zur Kultfigur – ein Abenteurer mit Nazi-Vergangenheit. Gerd Heidemann, Reporter beim "Stern" und später durch die gefälschten Hitler-Tagebücher bekannt geworden, begleitete Müller auf einem "Horrortrip voller Gewalt". Das Ergebnis: eine dreiteilige Reportage, gespickt mit martialischen Bildern, die später sogar den World Press Photo Award gewannen.
Historiker entzaubern Müllers Biografie
Historiker wie Christian Bunnenberg haben das Bild Müllers inzwischen entzaubert. Vieles an der medialen Inszenierung war übertrieben oder erfunden – etwa seine SS-Mitgliedschaft. Müller selbst versuchte einerseits – vergeblich –, Fehler in Leserbriefen zu korrigieren. Andererseits genoss er es, im Rampenlicht zu stehen und setzte sich gerne für Journalisten in Szene.

Er war allem Anschein nach kein großer Kriegsstratege und "vielleicht keine Führernatur", wie seine Kameraden schrieben, sondern ein Mann mit Geltungsdrang, der in der Anarchie Afrikas aufblühte und von den Medien missbraucht wurde.
Nach dem Interview fiel Müller in Ungnade. 1983 starb er in seiner Wahlheimat Südafrika – fern der Weltöffentlichkeit, die er einst so gierig gesucht hatte. "Ein schrecklicher Tod für einen Mann, der sich vorgenommen hatte, als »Schrecken der Simbas« in die Geschichte einzugehen", kommentierte der "Spiegel".
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