Inhalt des Artikels:
- Gesetz über Konfiszierung seit 2022
- Psychologe: Gesetz hat auch negative Folgen
- Herausfordernde Polizeiarbeit: Betrunkene Fahrer stoppen
- Konfiszierte Autos – von "Waffen" zu Lebensrettern
Auf einem gut versteckten Parkplatz der lettischen Polizei in Riga stehen rund 430 Autos. Vom Kleinstwagen bis zum Luxus-Sportwagen ist alles dabei. Etwa die Hälfte der Autos hat die Polizei von betrunkenen Fahrern konfisziert – für immer. Der Rest der Wagen stammt aus anderen Strafverfahren.
Die Ukrainerin Svitlana Nalyvaiko arbeitet für die NGO Agendum und kommt regelmäßig auf diesen Parkplatz. Nalyvaiko sucht hier Autos aus, die dann dem Militär in ihrem Heimatland zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg unterstützt Lettland die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren.

Gesetz über Konfiszierung seit 2022
Bevor sie in die Ukraine gebracht werden, bauen Freiwillige der Organisation Agendum konfiszierte sowie durch Spendengelder finanzierte Autos für den Militäreinsatz um. Einmal pro Woche fahren sie sie dann in einen Konvoi in das angegriffene Land. "Ich wäre zwar glücklicher, wenn wir gar nichts abholen müssten und der Krieg einfach zu Ende wäre", sagt Nalyvaiko auf dem Polizeiparkplatz, "aber ich bin froh, dass diese Autos ukrainischen Sanitätern und Soldaten helfen werden." Gerade hat sie einen Wagen mit deutschem Kennzeichen ausgesucht, den die lettische Polizei einem Halter aus Thüringen dauerhaft entzogen hat – wegen Trunkenheit am Steuer.

Fahrern, die in Lettland mit mehr als 1,5 Promille Alkohol im Blut erwischt werden, kann seit 2022 ihr Auto für immer weggenommen werden. Diese harte Maßnahme hat Lettland unter anderem eingeführt, weil so viele Menschen bei Unfällen unter Alkoholeinfluss sterben. Elf Menschen pro eine Million Einwohner waren es 2021, mehr als fünf Mal so viele wie in Deutschland. In anderen EU-Ländern wie Dänemark oder Italien geht man inzwischen ähnlich strikt gegen alkoholisierte Fahrer vor.
Psychologe: Gesetz hat auch negative Folgen
Igors Ivzāns ist Psychologe und leitet eine Gesprächsgruppe. In der treffen sich Männer, die noch vor Inkrafttreten des Gesetzes ihren Führerschein verloren haben, weil sie alkoholisiert Auto gefahren sind. Sie haben zwar nicht ihr Auto, aber ihren Führerschein verloren. Wer ihn wiederbekommen will, muss an sechs Gruppenterminen mit einem Psychologen teilnehmen.

Igors Ivzāns findet, die Gesetze müssten streng sein, da auch das Problem groß ist. "Aber andererseits: Wenn ich an unsere Klienten und ihre Schwierigkeiten denke, spielt das generelle Misstrauen gegenüber Staat und Gesellschaft eine große Rolle." Eine so strenge Strafe wie der Entzug ihres Eigentums würde die Fahrer negativ beeinflussen, ihr Misstrauen noch vergrößern.
Ein Teil der Männer in Ivzāns Gesprächsgruppen sagt, dass sie gegen solche harten Maßnahmen seien. In vielen Kreisen gelte man als merkwürdig, wenn man keinen Alkohol trinke. Deshalb solle doch eher auf Aufklärung gesetzt werden, sagt ein Mann, der anonym bleiben möchte.
Herausfordernde Polizeiarbeit: Betrunkene Fahrer stoppen
Auf der anderen Seite sind Verkehrspolizisten wie Valērijs Zlotņikovs und Matīss Ananko dafür zuständig, auf Rigas Straßen betrunkene Fahrer zu stoppen. Die Erfahrung, tödliche Unfälle aufzunehmen, die Fahrer im Alkoholrausch verursacht haben, kann lange nachhängen, sagt Ananko: "Das ist kein gutes Gefühl. Am schwierigsten ist es, wenn ein unschuldiger Mensch ums Leben gekommen ist oder verletzt wurde." Kollege Zlotņikovs fügt hinzu, es motiviere ihn, betrunkene Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen, da er so andere Menschen vor einem möglicherweise tödlichen Unfall schützen könne. Eine angenehme Rolle sei das nicht, schon gar nicht in zwölfstündigen Nachtschichten.

Konfiszierte Autos – von "Waffen" zu Lebensrettern
Für die NGO Agendum sind die in Lettland konfiszierten Autos ein wertvolles Gut. Rund 650 davon hat die Organisation schon in die Ukraine geliefert.
Auch der Audi des Thüringer Halters landete in der Werkstatt der NGO, wo Freiwillige die Autos für die Front vorbereiten. Imants Skerstens, eigentlich Informatiker, arbeitet in seiner Freizeit in der Werkstatt an einem Geländewagen, der als Sanitätsfahrzeug an der Front nahe Saporischschja eingesetzt werden soll: "Wir panzern diese Fahrzeuge ein wenig, um die Besatzung vor Splittern zu schützen, falls in der Nähe eine Mörsergranate oder eine Artilleriegranate explodiert. Oder falls eine Drohne mit einer Sprengladung das Fahrzeug trifft." Auch einen Dachgepäckträger für eine Bahre und Ersatzreifen bringen die Freiwilligen an. Ein normaler Krankenwagen ohne Allradantrieb, führt Skerstens weiter aus, würde nicht nahe genug an die Stellungen der Soldaten herankommen.

Autos von betrunkenen Fahrern dauerhaft einzuziehen, findet Skerstens richtig, "denn im Grunde können sie genauso gefährlich sein wie eine Schusswaffe. Was wir tun, ist, diese Autos von einer Waffe in einen Lebensretter zu verwandeln".
Das Gesetz, das das Konfiszieren von Autos stark alkoholisierter Fahrer erlaubt, gilt nun schon mehr als zwei Jahre und scheint zu wirken: Unfälle unter Alkoholeinfluss sind in diesem Zeitraum in Lettland um mehr als ein Fünftel zurückgegangen.
MDR (usc)
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