- EuroStack-Initiative will Europa innerhalb von zehn Jahren digital unabhängig machen
- Wie KI-Pionier Richard Socher aus Dresden im Silicon Valley mitmischt
- Europa könnte wertvolle KI-Trainingsdaten an Bedingungen knüpfen
So sehr US-Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance auf Konfrontationskurs zu Europa sind, von Schnappatmung ist Bertelsmann-Direktor Martin Hullin weit entfernt. Humorvoll bezeichnet er die beiden als "indirekte Verbündete" – denn Hullin ist überzeugt: Der Schock in den transatlantischen Beziehungen bringt auch Schwung in die Debatte um die digitale Souveränität Europas.
Europa in zehn Jahren digital unabhängig machen
Hullin leitet das Programm "Digitalisierung und Gemeinwohl" der Bertelsmann Stiftung. Von dort will er auch die EuroStack-Initiative voranbringen – eine Initiative mehrerer europäischer Forschungseinrichtungen und Thinktanks, die es zuletzt auch in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geschafft hat. "Zum Ausbau der digitalen Resilienz stärken wir die EuroStack-Initiative", heißt es dort.

AudioDigitalexperte Hullin sieht in Europa große Potenziale für KI
Digitalexperte Hullin sieht in Europa große Potenziale für KI
Der vielfältige Datenschatz in Europa kann bei KI-Entwicklungen auch ein großer Wettbewerbsvorteil sein, ist Digitalexperte Hullin überzeugt.
MDR FERNSEHENMi07.05.202514:33Uhr00:50 min
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https://www.mdr.de/nachrichten/app-aktuell/video-922188.htmlRechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
VideoDas ehrgeizige Ziel von EuroStack: Ein vollständiges digitales Ökosystem in Europa zu schaffen. Das reicht von den Rohstoffen und dem nötigen Energiebedarf über Chips, Laptops und Handys bis hin zu Cloud Computing, Software-Anwendungen und Künstlicher Intelligenz. Rund 300 Milliarden Euro Investitionen sollen dafür innerhalb von zehn Jahren nötig sein, berechnete kürzlich die Innovationsökonomin Francesca Bria.
Denn noch ist die Abhängigkeit im Digitalen insbesondere von den Marktführern USA und China enorm. In einer Bitkom-Befragung unter deutschen Unternehmen gaben gerademal drei Prozent an, bei einem Stopp digitaler Importe länger als zwei Jahre überleben zu können – mehr als die Hälfte schätzt dagegen, ein solches Szenario nicht einmal länger als ein Jahr durchzuhalten.
KI-Pionier Socher aus Dresden mischt im Silicon Valley mit

AudioKI-Pionier Socher über seinen US-amerikanischen Doktorvater
KI-Pionier Socher über seinen US-amerikanischen Doktorvater
KI-Pionier Socher erinnert sich noch gut, wie sein US-amerikanischer Doktorvater ihn bei der Forschung an neuronalen Netzen unterstützte – damals eine ungewöhnliche Forschungsidee.
MDR FERNSEHENMi07.05.202514:34Uhr00:48 min
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VideoDabei beginnt es im globalen Wettrennen um die digitale Hoheit schon bei den Köpfen. Einer, der heute im Silicon Valley ganz vorne mit dabei ist, ist der gebürtige Dresdner Richard Socher. Vor mehr als 15 Jahren ging er in die USA. "Für mich war immer wichtig, dass ich da bin, wo die beste KI-Forschung passiert", sagt er heute. Inzwischen zählt er selbst zu den meistzitierten KI-Forschern und will mit seinem Startup You.com die Entwicklung von KI-Agenten vorantreiben. Nutzerinnen und Nutzer können so von der KI nicht nur Antworten erhalten, sondern auch komplexere Aufgaben erledigen lassen.
Für mich war immer wichtig, dass ich da bin, wo die beste KI-Forschung passiert.
Sochers Promotion über die Sprachverarbeitung von neuronalen Netzen legte wichtige Grundsteine für Anwendungen wie ChatGPT. An die Worte seines Doktorvaters damals erinnert sich Socher noch genau: "Er sagte: 'Ich kenne mich zwar mit neuronalen Netzen auch nicht aus, aber das lernen wir zusammen.' Und das haben wir dann gemacht." In Deutschland sei so etwas zwar nicht undenkbar, komme aber doch eher selten vor.
Wie der "Wow"-Effekt nach Deutschland kommen könnte
Überhaupt fällt ein Wort häufiger, wenn Socher von seiner kalifornischen Wahlheimat spricht, den Menschen im Silicon Valley und der Mentalität: "Wow" – genau diese Begeisterungsfähigkeit und Experimentierfreude fehle ihm aber in Deutschland. "Es gibt keine Venture Capital Investoren, die sich die Top-Doktoranden in Deutschland anschauen und sagen: 'Wow, supercoole Forschung, zigtausend Zitierungen von deinen Papers, wir geben dir vier Millionen Dollar und schauen mal, ob da etwas Cooles bei rauskommt.'"
Auch den deutschen Föderalismus sieht der KI-Forscher eher als Hindernis, um an die Weltspitze zu kommen. Für ihn steht fest: Würde man sich auf eine Uni einigen, die Deutschland "richtig nach vorne pusht", würde das dem gesamten Standort helfen. Dass der globale Wettlauf um KI schon entschieden sei, glaubt Socher aber keineswegs. Er verweist insbesondere auf die Naturwissenschaften, in denen Deutschland viel mitgestalten könne – "alle wollen bessere Batterien haben, billigere Energie, bessere Medikamente billiger entwickeln".
Digitalisierung nicht als Selbstzweck sehen
Bertelsmann-Direktor Hullin sieht noch weitere Bereiche, in denen Europa punkten kann. "Allein die Googles, die Facebooks, die Metas eins zu eins zu kopieren, läge sicher nicht im Sinn der Sache", ist er überzeugt und wirbt für spezifisch europäische Lösungen. Schließlich gehe es bei Digitalisierung und KI auch darum, "in welchen Gesellschaften wir in Zukunft leben möchten". Denn Digitalisierung sei kein Selbstzweck.
Wir sollten nicht nur getrieben sein von den Dingen, die gerade um uns herum passieren, sondern auch vorausschauend darauf blicken, in welchen Gesellschaften wir in Zukunft leben möchten.
Als bereits erfolgreiches Beispiel verweist Hullin auf das Unternehmen DeepL aus Köln, das KI-Übersetzungen anbietet. "Es schlägt sich bei weitem besser als amerikanische oder chinesische Wettbewerber. Und das gelingt wegen der Daten, die im europäischen Kontext genutzt worden sind. Hier ist also die Heterogenität plötzlich zur Superkraft geworden."
Trainingsdaten für KI an Bedingungen knüpfen
Dem bisherigen KI-Trainingsparadigma "größer, schneller, mehr Daten" könne Europa gerade jetzt etwas entgegensetzen, wo eine gewisse Datenarmut vorherrsche, ist Hullin überzeugt: "Wir können bestimmte Datensilos öffnen, um gemeinwohlorientierte KI zu trainieren – aber nur für diejenigen Anbieter, die das dann entsprechend nur für gemeinwohlorientierte Lösungen nutzen.“
Dass die neue Bundesregierung ein eigenes Ministerium für Digitales geschaffen hat, stimmt Hullin optimistisch, dass es in dem Bereich nun auch besser koordiniert vorangeht. Entscheidend sei aber auch, gesamteuropäisch an den Lösungen zu arbeiten.
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